Titelbild eines Buches

Andreas Lehmann: Der Schwarzwald. Eine kleine Geschichte. Biografie einer weltberühmten Region

Lauinger Verlag, Karlsruhe 2023. 296 Seiten mit zahlr. Abb. Hardcover 27 €. ISBN 978-3-7650-1434-5 und 978-3-7650-1436-9

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1878 unternahm Mark Twain anlässlich seines Aufenthalts in Baden-Baden Ausflüge in den Schwarzwald und formulierte diese eindrucksvolle Beschreibung, die ergänzend in das vorliegende Buch einführen soll: »Man kann diese edlen Wälder ebenso wenig beschreiben wie die Empfindung, die sie hervorrufen… Diese Wälder erstrecken sich ohne Unterbrechung über ein riesiges Gebiet; und überall sind sie sehr dicht, sehr still, sehr harzig und duftend… Das satte Dämmerlicht einer Kathedrale durchdringt die Säulengänge… Aber die sonderbarste und zauberhafteste Wirkung bringt das zerstreute Licht der tiefstehenden Nachmittagssonne hervor; … [es] nimmt von Moos und Laubwerk Farbe an und durchflutet den Wald wie ein schwacher, grüngetönter Dunst, das Bühnenfeuer des Feenreiches.«

Der Schwarzwald – Sehnsuchtsgebirge und riesiger Naturpark, uralte Kultur- und Wirtschaftslandschaft, von den Nachbarn Schweiz und Frankreich politisch, kulturell und ökonomisch beeinflusst, Tourismusregion, Innovationen auf der Grundlage von traditionellem Handwerk. Zu finden sind hier Uhrenbau und fortschrittliche technische Neuerungen wie die Nutzung von Wasser- und Windkraft für Stromerzeugung, damit ist der Schwarzwald Modellregion für die Nutzung regenerativer Energien. Auch die Bausätze für Modelleisenbahnen mit ihren Phantasielandschaften der Brüder Hermann und Edwin Faller aus Gütenbach haben neben vielem anderen hier ihre Wurzeln.

In der Reihe Regionalgeschichte – fundiert und kompakt des Lauinger Verlags in Karlsruhe schildert Andreas Lehmann in einer gut lesbaren Sprache den Schwarzwald aus unterschiedlichsten Blickwinkeln: Von der Geologie (die Entstehung des Gebirges durch Zusammenprall von zwei Urkontinenten) über die Archäologie (der sensationelle Fund der keltischen Großsiedlung Tarodunon bei Kirchzarten), mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte (Klöster als Brückenköpfe für Christianisierung und abendländische Kultur, Niederlage des Schwarzwälder Haufens im Bauernkrieg 1524/1525) bis in unsere Gegenwart (Schönauer Stromrebellen). Eine große Palette von deutschlandweit bekannten Produkten – man denke nur an den »Bollenhut« – galt es, in lebendiger Weise zu präsentieren.

Stets war der Schwarzwald eine wirtschaftliche und kulturelle Region mit einem dichten historischen Straßennetz, das Gebirge und Täler erschloss. Materielles und Ideen wurden in und durch den Schwarzwald transportiert, aus ihm heraus kamen die großen Tannenstämme, die bis in die Niederlande geflößt wurden, oder die Kuckucksuhren, die auch den Dresdener Hof und den Sitz des Sultans in Konstantinopel erreichten. Immer waren Menschen fleißig tätig und trugen so zum Reichtum der Region bei, die zwar nur karge Böden, aber umso mehr Naturschätze wie Erz und Holz barg.

Auch die Ideen der Französischen Revolution wurden hier hindurchgetragen und führten durch die öffentlich vorgetragenen Forderungen der beiden badischen Rechtsanwälte Friedrich Hecker und Gustav Struve bereits im September 1847 zu revolutionären Aufständen in Offenburg.

Es war eine lebendige Region – und gleichzeitig durch die großen Wälder still, geheimnisvoll und unheimlich, wie beispielsweise Wilhelms Hauffs Märchen vom Kalten Herz zeigt, das im Schloss in Neuenbürg durch ein Figurentheater veranschaulicht ist.

Der Schwarzwald wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Thema von Dichtern wie Johann Peter Hebel (Kalendergeschichten) und Berthold Auerbach (Schwarzwälder Dorfgeschichten) sowie Genremalern wie Johann Baptist Kirner. Sie thematisierten ihre Heimat und trugen mit ihren Werken das Bild vom Schwarzwald in alle Welt.

So ist das Buch von Andreas Lehmann gerade für Gäste und Zugezogene sehr zu empfehlen. Nach der Lektüre fühlt man sich fast heimisch und gleichzeitig angeregt, Neues zu entdecken.

Kritisch ist zu anzumerken, dass eine Überblickskarte des Schwarzwaldes in Bezug auf die angesprochenen Orte und Flüsse fehlt. Leider gibt es nur ein Ortsregister, was nicht stringent alle angesprochenen Orte aufführt, so fehlt z. B. das erwähnte Tarodunon, überflüssig sind dagegen »Tschernobyl« oder »Versailles« als Registerbegriffe. Und es fehlt, gerade weil es eine Region der Tüftler und Überlebenskünstler ist, ein Personenregister.

Dennoch: Dieses Buch hat es inhaltlich und illustrativ »in sich« und eignet sich sowohl für den Erholung suchenden, historisch interessierten Gast wie auch als schönes Geschenk.

Eva-Maria Klein

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