Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2023. 224 Seiten, zahlr. Abb. Paperback 22 €. ISBN 978-3-8392-0524-2
Frauen, die in Literatur, Kunst und Musik oder auch in Politik und Gesellschaft etwas Besonderes leisten, werden zwischen Buchdeckeln oder in Ausstellungen gern im Dutzend vorgestellt. Wohl zur Verstärkung der Wahrnehmung, damit dem Publikum wenigstens der eine oder andere Name bekannt ist. Die in Konstanz lebende Autorin Chris Inken Soppa hat in ihrem neuen Buch gleich 45 Frauen versammelt, denen gemeinsam ihr Leben und Wirken am Bodensee ist. Sogar auf dem See, wie das Coverfoto mit der ersten Berufsfischerin Frieda Meier zeigt, die als 18-Jährige 1953 zum Modell der Werbepostkarte für den Heimatfilm Die Fischerin vom Bodensee wurde.
Mit ihr beginnt der Reigen der in unterschiedlichster Hinsicht »bemerkenswerten« Frauen, der geografisch von Konstanz über Mainau, Reichenau, Bodanrück, Überlinger See bis Friedrichshafen, Lindau und Bregenz, am südlichen Ufer zurück bis zur Höri nach Konstanz führt, samt einigen Abstechern wie zu der Schriftstellertochter Monika Mann nach Salem (die dort freilich nur das Internat besuchte), der mittelalterlichen Burgherrin Brida von Landenberg bei Berneck oder der Dichterin Regina Ullmann in St. Gallen.
Aus der Literaturgeschichte sind einige Protagonistinnen bekannt: Annette von Droste-Hülshoff natürlich, Maria Beig, Lilly Braumann-Honsell, Nelly Dix und Tami Oelfken; aus der Bildenden Kunst kennt man Marie Ellenrieder und Elisabeth Mühlenweg – leider fehlen zwei bedeutende Malerinnen, Angelika Kauffmann und Kasia von Szadurska. Zu den Fotografinnen gesellt Soppa außer Ilse Schneider-Lengyel und Lotte Eckener auch Mia Hesse-Bernoulli und holt die Ehefrau des Dichters zu Recht aus dessen Schatten.
Wichtig ist der Autorin die Mischung und die historische Dimension: Mit der »Ahninnenwand«, der jungsteinzeitlichen Wandmalerei, die erst vor wenigen Jahrzehnten entdeckt und heute im Archäologischen Landesmuseum in Konstanz nachgebildet zu sehen ist, der aus der Konzilzeit überlieferten Kurtisane Imperia, die sich als riesenhafte Statue im dortigen Hafen dreht, und der Meersburger Sagenfigur, der hässlichen Wendelgard, für deren öffentlichkeitswirksames Nachleben ebenfalls der Bildhauer Peter Lenk gesorgt hat.
Dass das Vorbild einer weiteren Romangestalt, die »wahre Effi Briest« Elisabeth von Plotho, ihre letzte Heimat in Lindau fand, wissen manche, denn es liegt bereits eine Biografie vor. Ebenso über die »Amerikanerin« Helene von Bothmer, die Drostes Fürstenhäusle erbte und sanierte, über Königin Olga von Württemberg, die in Friedrichshafen den Riedlewald zu einem Park machte, und auch über die »ehrgeizige Kaisermutter« auf Arenenberg, Hortense de Beauharnais, über die Chris Inken Soppa selbst 2022 einen Roman veröffentlicht hat.
Neben den historischen Frauen stehen mit Elisabeth Noelle-Neumann, Sonja Gräfin Bernadotte und Aleida Assmann Persönlichkeiten der Zeitgeschichte – und mindestens bei diesen gerät der leicht hagiografische Stil Soppas an seine Grenzen; da würde man sich eine andere Form der Annäherung wünschen: kritischer nachfragend, vielleicht dialogisch als Interview. Die sehr ähnlich aufgebaute Darstellungsweise ermüdet auf die Dauer und nivelliert die Individuen, aber vielleicht sollte man ein solches Buch auch nicht am Stück lesen… Als Sammlung bemerkenswerter Frauen und Anregung zur intensiveren Beschäftigung mit der einen oder anderen hat es seinen berechtigten Platz im Bücherregal, zumal neben Literaturangaben zusätzlich Hinweise zu sehens- und besuchenswerten Örtlichkeiten genannt werden.
Irene Ferchl
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