Fachwerkhaus mit großer Solaranlage auf dem Dach

Stellungnahme des SHB zur geplanten Novelle des Klimaschutzgesetzes

… sowie zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes

Logos des Schwäbischen Heimatbundes und des Landesvereins Badische Heimat

Zur Sitzung des Denkmalrats Baden-Württemberg am 11.11.2022, in dem der Schwäbische Heimatbund sowie der Landesverein Badische Heimat vertreten sind, haben die beiden Vereine eine gemeinsame Stellungnahme eingebracht, mit der sie ihre Bedenken zum Ausdruck bringen, bei der geplanten Novellierung des Klimaschutzgesetzes des Landes Baden-Württemberg, die einher geht mit einer Änderung des Denkmalschutzgesetzes, würden die Belange des Denkmalschutzes nicht mehr ausreichend berücksichtigt. Hierzu hatten sich die beiden Vereine bereits im Mai 2021 anlässlich der Koalitionsvereinbarungen in einer Pressemitteilung kritisch geäußert.

Text der Stellungnahme

I. Artikel 5 der Gesetzesnovelle sieht vor, § 3a DSchG als Absatz 2 hinzuzufügen:

„Die Öffentlichkeit wird im Rahmen ihres berechtigten Informationsinteresses und insbesondere zum Zweck der Öffentlichkeitsarbeit (Absatz 1 Satz 3 Nummer 5) in geeigneter Weise über den Bestand unbeweglicher Kulturdenkmale unterrichtet, die Bereitstellung von Informationen kann elektronisch erfolgen. Informationen werden nicht bereitgestellt, soweit die Veröffentlichung zu einer Gefährdung des Kulturdenkmals führen kann.“

Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das seinen Bürgerinnen und Bürgern keine öffentlichen Informationen zum Inhalt der Denkmalliste bereitstellt. Dass dies nunmehr – allerdings nur im Hinblick auf die unbeweglichen Kulturdenkmale – geändert werden soll, ist überfällig. Doch ist beim Vergleich mit den bestehenden Regelungen der anderen Bundesländer nicht zu übersehen, dass Baden-Württemberg mit dem vorgesehenen § 3a Absatz 2 DSchG weiterhin das Land wäre, das seine Öffentlichkeit am restriktivsten über den Inhalt der Denkmalliste informiert. Der im Koalitionsvertrag der Landesregierung enthaltenen generellen Bestrebung, mehr Transparenz des Verwaltungshandelns und eine bessere Bürgerbeteiligung zu gewährleisten, wird der vorgeschlagene Normtext nicht gerecht.

Im Einzelnen:

  1. In den anderen Bundesländern gibt es (abgesehen vom Saarland) stets einen individuellen Rechtsanspruch auf Einsichtnahme in die Denkmalliste; rein beispielhaft seien hierfür die bayerische und die nordrhein-westfälische Norm zitiert („Die Liste kann von jedermann eingesehen werden.“ bzw. „Die Denkmalliste kann von jeder natürlichen oder juristischen Person eingesehen werden.“). Anders der Gesetzentwurf der Landesregierung: Er gewährt den Bürgerinnen und Bürgern gerade keinen Anspruch auf Einsichtnahme, sondern bestätigt mit geringer Konkretisierung die in bereits § 3a S. 3 Nr. 5 DSchG enthaltene Verpflichtung des Landesamtes für Denkmalpflege zur Öffentlichkeitsarbeit. Wie die Aufgabe im Einzelnen erfüllt wird, läge gemäß § 7 Absatz 1 DSchG im Ermessen des Landesamtes für Denkmalschutz.
  2. § 3a DSchG regelt die Aufgaben einer Abteilung des Regierungspräsidiums Stuttgart („Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart“). Die denkmalfachliche Kompetenz dieser Dienststelle ist unbestritten außerordentlich hoch. Bei der Information der Öffentlichkeit geht es jedoch gerade nicht um eine denkmalfachliche Frage. Aus rechtsstaatlichen Gründen ist es unzulässig, einer nachgeordneten Behörde die Entscheidung zu überlassen, was als „berechtigtes Informationsinteresse“ der Öffentlichkeit anerkannt wird (und was nicht) und in welchem Umfang („in geeigneter Weise“) ihm nach eigenem Ermessen entsprochen wird. Wesentliche Entscheidungen sind vielmehr vom Gesetzgeber selbst oder allenfalls auf der Grundlage einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung vom Verordnungsgeber zu treffen. Die Informationsregelungen der anderen Länder entsprechen diesem rechtstaatlichen Gebot, wobei nur Schleswig-Holstein den Weg einer Verordnung gewählt hat.
  3. Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist auch in Baden-Württemberg auch bezüglich der beweglichen Denkmäler zu entsprechen. Die Normtexte der anderen Bundesländer zeigen, wie dies möglich ist, ohne schutzwürdige denkmalfachliche Belange und schutzwürdige Interessen Dritter zu beeinträchtigen.
  4. 2022 kann das Internet für die Landesverwaltung kein Neuland mehr sein; erst recht nicht, wenn die Digitalisierung der Verwaltung der Landesregierung ein – wie dem Koalitionsvertrag zu entnehmen – wichtiges Ziel ist. Der vorgesehene § 3a Absatz 2 DSchG stellt es jedoch ausdrücklich („kann“) in das Ermessen des Landesamtes für Denkmalpflege, ob Informationen elektronisch bereitgestellt werden. Wie man als Gesetzgeber bürgerfreundlich verfährt, hat demgegenüber der Bundestag in seinem kulturrechtlichen Kompetenzbereich gezeigt und durch § 4 Kulturgutschutzgesetz ausdrücklich eine Informationsbereitstellung durch ein zentrales Internetportal angeordnet. Diesem Vorbild folgend, sollte die Einrichtung und Unterhaltung eines zentralen Internetportals dem Landesamt für Denkmalpflege in § 3a DSchG zur Pflichtaufgabe gemacht werden, wobei dem Amt natürlich die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen vom Land ergänzend bereitzustellen sind. Dem Zeitbedarf für die Errichtung des Portals ist mit einer Übergangsvorschrift (etwa: „binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten der Änderung des Denkmalschutzgesetzes“) Rechnung zu tragen.

Auf dieser Grundlage wird unter Berücksichtigung der Regelungen anderer Bundesländer folgende Fassung eines neuen § 3a Absatz 2, Absatz 3 DSchG vorgeschlagen:

Absatz 2: „Die Einsicht in die Denkmalliste ist jedermann gestattet. Soweit es sich um bewegliche Kulturdenkmale, Zubehör von unbeweglichen Kulturdenkmalen oder Bodendenkmale handelt, ist ein berechtigtes Interesse nachzuweisen. Eine Einsichtnahme in personenbezogene Daten ist nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse nachgewiesen ist und kein schutzwürdiges, überwiegendes Interesse dieser Personen entgegensteht.“

Absatz 3: „Das Landesamt für Denkmalpflege ist verpflichtet, den wesentlichen Inhalt der Denkmalliste und des für die Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung bestehenden Denkmalbuches durch ein zentrales Internetportal zugänglich zu machen, soweit die Veröffentlichung nicht zu einer Gefährdung des Kulturdenkmals führen kann. Die Kategorien der im Internetportal zu veröffentlichenden Daten werden durch Rechtsverordnung der obersten Denkmalschutzbehörde festgelegt.“

§ 14 Absatz 2 DSchG (Denkmalbuch für Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung) bedarf bei der vorstehend vorgeschlagenen Fassung eines neuen § 3a Absatz 2 DSchG folgender Anpassung: „Für die Einsicht in das Denkmalbuch gilt § 3a Absatz 2 entsprechend.“

II. Artikel 5 der Gesetzesnovelle sieht vor, § 6 DSchG als Absatz 2 hinzuzufügen:

„Soll ein Kulturdenkmal ganz oder teilweise zerstört oder beseitigt, in seinem Erscheinungsbild beeinträchtigt oder auf sonstige Weise verändert werden, so ist der Veranlasser der Zerstörung, Beeinträchtigung oder sonstigen Veränderung im Rahmen des Zumutbaren zur fachgerechten Untersuchung, Bergung und Dokumentation des Kulturdenkmals verpflichtet.“

Das im vorgesehenen Normtext angesprochene Veranlasserprinzip ist bereits Teil des baden-württembergischen Denkmalrechtes, da es sich aus der in § 6 DSchG normierten Erhaltungspflicht ergibt. Dass es nunmehr, wie schon in anderen Bundesländern, ausdrücklich geregelt werden soll, ist als Klarstellung gleichwohl richtig, weil damit die bestehende Rechtslage für die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar aus dem Gesetz heraus ersichtlich gemacht werden kann. Der vorgesehene Normtext bedarf allerdings einer Überarbeitung.

Im Einzelnen:

  1. Der einleitende Halbsatz „Soll ein Kulturdenkmal ganz oder teilweise zerstört … werden“ ist insoweit missverständlich, als er eine Wahlfreiheit zwischen den Pflichten nach Absatz 1 DSchG (Erhaltung) bzw. Absatz 2 (Untersuchung, Bergung und Dokumentation) des § 6 DSchG nahelegt. Es kommt indes nicht darauf an, was nach dem subjektiven Willen eines Veranlassers geschehen „soll“, sondern zunächst einmal darauf, ob nach den objektiven Gegebenheiten die unbeeinträchtigte Erhaltung des Kulturdenkmals zumutbar ist oder nicht mehr gefordert werden kann. Dem Vorrang der Erhaltungspflicht ist in der Formulierung des Gesetzestextes Rechnung zu tragen.
  2. Die im vorgesehenen Normtext angesprochene abschließende Dokumentation muss, was Einfluss auf die Kosten hat, ebenso wie die am Anfang stehende Inventarisation wissenschaftlichen Maßstäben genügen. Dass diese Maßstäbe anzulegen sind, ist zwar bestehendes Recht, aber für die Bürgerinnen und Bürger nicht leicht erkennbar, da sich die entsprechende Normierung an versteckter Stelle findet (bei den Duldungspflichten in § 10 DSchG).
  3. Der vorgesehene Normtext nimmt den Veranlasser selbst auf „fachgerechte Untersuchung, Bergung und Dokumentation“ in die Pflicht, was ihn im Zweifel überfordern wird und auch nicht erforderlich ist, da die Denkmalschutzbehörden alle notwendigen Maßnahmen auf Grund von § 7 Absatz 1 DSchG treffen können.
  4. Im vorgesehenen Normtext ist bislang nicht angesprochen, was Bestandteil des Veranlasserprinzips ist, für die Veranlasser in der Praxis regelmäßig im Vordergrund steht und immer wieder auch zu Streitigkeiten führt: die Pflicht zur Tragung der Kosten.

Auf dieser Grundlage wird unter Berücksichtigung der Regelungen anderer Bundesländer folgende Fassung eines neuen § 6 Absatz 2 DSchG vorgeschlagen:

„Soweit ein Kulturdenkmal ganz oder teilweise zerstört oder beseitigt, in seinem Erscheinungsbild beeinträchtigt oder auf sonstige Weise verändert werden soll und dem die Pflichten nach Absatz 1 Satz 1 nicht entgegenstehen, hat der Veranlasser des Eingriffes alle Kosten zu tragen, die für die fachgerechte Untersuchung und Bergung sowie die wissenschaftliche Dokumentation des Kulturdenkmals anfallen.“

Zugleich sollte zur Klarstellung des Inhalts der Erhaltungspflicht nicht nur das Veranlasserprinzip im Gesetzestext verankert werden, sondern ebenfalls zur Klarstellung auch das, was sich aus der Erhaltungspflicht für die Nutzung eines Denkmals ergibt.

Vorbild dafür kann Art. 5 „Nutzung von Baudenkmälern“ des bayerischen Denkmalschutzgesetzes sein:

„Baudenkmäler sollen möglichst entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung genutzt werden. Werden Baudenkmäler nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung genutzt, so sollen die Eigentümer und die sonst dinglich oder obligatorisch zur Nutzung Berechtigten eine der ursprünglichen gleiche oder gleichwertige Nutzung anstreben. Soweit dies nicht möglich ist, soll eine Nutzung gewählt werden, die eine möglichst weitgehende Erhaltung der Substanz auf die Dauer gewährleistet. Sind verschiedene Nutzungen möglich, so soll diejenige Nutzung gewählt werden, die das Baudenkmal und sein Zubehör am wenigsten beeinträchtigt.“

III. Artikel 5 der Gesetzesnovelle sieht vor, § 7 Absatz 2 DSchG als Satz 2 hinzuzufügen:

 „Bis zur Erreichung der Netto-Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2040 nach dem Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg ist der besonderen Bedeutung von Energieeinsparung, -effizienz und erneuerbaren Energien sowie des Verteilnetzausbaus gegenüber denkmalschutzrechtlichen Belangen Rechnung zu tragen“.

Die vorgesehene Regelung ist rechtlich überflüssig, da

  • die Denkmalschutzbehörden ohnehin im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung nach § 7 Absatz 1 DSchG alle für den Entscheidungsfall bedeutsamen Aspekte mit dem ihnen sachlich zukommenden Gewicht einzustellen und abzuwägen haben,
  • das weisungsbefugte Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen dies auf Grund seiner gesetzlichen Rechts- und Fachaufsicht sicherstellen kann,
  • das Landesamt für Denkmalpflege gemäß § 3a Satz 3 Nr. 1 DSchG die sachgerechte Berücksichtigung aller im vorgesehenen Normtext genannten Belange durch Leitlinien landesweit durchsetzen kann und
  • das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen dem Landesamt für diese Leitlinien gemäß § 3a Satz 3 DSchG Vorgaben machen kann.

Der Gesetzesentwurf berücksichtigt nicht die notwendige Gesamtbetrachtung von energetischen Aufwand bei der Herstellung von Bauwerken (graue Energie) und dem Energieaufwand beim Betrieb eines Gebäudes. Baudenkmale sind in der Regel langlebend, mit traditionellen, ortsgebundenen Baustoffen und Materialien errichtet und demnach mit insgesamt  deutlich niedrigeren CO2-Emissionen verbunden als bei neueren Gebäuden. Es gilt auf den Lebenszyklus und die Vorteile denkmalgerechten Bauens abzustellen. Schon heute zeigen fachlich ausgebildete Architekten, Energieberater u d Handwerker, dass auch Baudenkmale klimagerecht sein können.

Es wird daher Streichung empfohlen.

Für den Fall, die Landesregierung dennoch an einer Ergänzung von § 7 DSchG festhalten sollte, wird auf Folgendes hingewiesen:

  1. Systematisch richtiger Standort wäre für den vorgesehenen Satz nicht der Bedingungen und Auflagen regelnde Absatz 2, sondern der die Ermessensausübung regelnde Absatz 1 des § 7 DSchG.
  2. Was Regelungsgehalt des vorgesehenen Satzes sein soll, ist im zweiten Absatz des Entwurfs der diesbezüglichen Gesetzesbegründung ausgeführt: „Die Regelung stellt sicher, dass der Klimaschutz mit dem ihm im Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz zugeschriebenen Gewicht in der einzelfallbezogenen Ermessensentscheidung der Denkmalschutzbehörde berücksichtigt wird“. Mehr als eine angemessene einzelfallbezogene Berücksichtigung anzuordnen, wäre ohne explizite Änderung der Landesverfassung auch rechtswidrig, da die Verfassung den Belangen des Klima- und des Denkmalschutzes den gleichen Rang zuweist. Dieser Rechtslage entspricht die vorgesehene Fassung des neuen Satzes nicht, da die Formulierung, dass der „besonderen Bedeutung“ der genannten Belange „Rechnung zu tragen“ ist, einen verfassungsrechtlich gerade nicht bestehenden generellen Vorrang suggeriert. Dementsprechend ist eine verfassungskonforme Umformulierung erforderlich („ist die besondere Bedeutung … zu berücksichtigen.“).

IV. Artikel 5 der Gesetzesnovelle sieht vor, § 15 DSchG als Absatz 4 hinzuzufügen:

„Bis zur Erreichung des Ziels der Netto-Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2040 nach dem Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg stehen der Errichtung, Veränderung oder Beseitigung von Windenergieanlagen denkmalfachliche Belange nicht entgegen, soweit die Windenergieanlagen nicht in der Umgebung eines in höchstem Maße raumwirksamen eingetragenen Kulturdenkmals errichtet, verändert oder beseitigt werden; die Genehmigung nach Absatz 3 Satz 3 ist regelmäßig zu erteilen. Entsprechendes gilt für Photovoltaik- und Solarthermieanlagen.“

Die vorgesehene weitreichende Aufhebung des Umgebungsschutzes ist

  • unverhältnismäßig, da für die Erreichung der klimapolitischen Ziele überflüssig,
  • verfassungswidrig, da gegen Art. 3 c Landesverfassung verstoßend.

Baden-Württemberg schützt seine Kulturdenkmale bereits heute deutlich schlechter als andere Bundesländer vor Beeinträchtigungen aus der Umgebung, da es den Umgebungsschutz nur für „Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung“ bereitstellt – und damit rund 90 Prozent aller Kulturdenkmale ohne Schutz lässt.

Die vorgesehene Einfügung des Absatzes 4 zielt darauf ab, jetzt auch noch solche Kulturdenkmale schutzlos zu stellen, die zum innersten Kern des kulturellen Erbes des Landes gehören und für die Beheimatung der Bürgerinnen und Bürger identitätsstiftend sind, aber auch als kulturelle Highlights wirtschaftspolitisch wichtig für die Standort- und Tourismuswerbung des Landes.

Dies ist für die Erreichung der klimapolitischen Ziele des Landes unnötig und  unverhältnismäßig. Bezogen auf den baulichen Gesamtbestand des Landes kommt überhaupt nur für etwa 3 Promille der Gebäude ein Umgebungsschutz in Frage. Aber auch insoweit wird bei anstehenden Projekten die Prüfung des konkreten Einzelfalls – bei der ja die Belange des Klimaschutz zu berücksichtigen sind – zum Teil ergeben, dass dem Einsatz erneuerbarer Energien denkmalrechtlich nichts im Wege steht.

Umgekehrt umfasst die dem Land durch Art. 3c seiner Verfassung aufgegebene Pflicht zum Schutz und zur Pflege der Denkmale auch die Pflicht, dafür effektive rechtliche Instrumente bereitzustellen.

Was dazu inhaltlich gehört, bestimmt sich nach dem, was national und international Stand der Rechtstechnik ist. Zu diesem Stand gehören Normen, die einen effektiv wirksamen Umgebungsschutz bereitstellen.

Gemessen daran, ist bereits bei rein nationaler Betrachtung schon der aktuell noch gegebene Umgebungsschutz verfassungsrechtlich bedenklich, da es in Deutschland Stand der Rechtstechnik ist, nicht für 10 Prozent, sondern für 100 Prozent der Denkmale Umgebungsschutz zu gewährleisten. 

Erst recht gilt dies bei internationaler Betrachtung, da nach bindendem Völkerrecht – dem von Deutschland ratifizierten „Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes Europas“ – Rechtsvorschriften bestehen müssen, die vorsehen, dass „jedes Vorhaben der Zerstörung oder Änderung von Denkmälern, die bereits geschützt sind oder für die ein Schutzverfahren eingeleitet worden ist, sowie jedes [!] Vorhaben, das ihre Umgebung berührt“ einer Denkmalschutzbehörde vorzulegen ist (Artikel 4 Nr. 2a), die dann, wie sich aus dem Verweis der Konvention auf die vom Europarat beschlossene „Europäische Denkmalschutz-Charta“ ergibt, sicherzustellen hat, dass  das neue Projekt in der Umgebung den durch das bestehende Denkmal „vorgegebenen Rahmen, die Proportionen, Form und Gliederung der Baumassen und die überlieferten Materialien achtet“.

Im Ergebnis ist damit bereits bei dem derzeit bestehenden baden-württembergischen Umgebungsschutz zweifelhaft, ob er dem von Art. 3c Landesverfassung geforderten effektiven Rechtsschutz entspricht. Mit der geplanten weitestgehenden Aufhebung des Umgebungsschutzes zugunsten von Projekten der erneuerbaren Energien würde die Grenze zur Verfassungswidrigkeit überschritten.

Ein Vorrang der Belange des Klimaschutzes vor den Belangen des Denkmalschutzes widerspricht der Landesverfassung

In Art. 3 c Abs. 2 LV BW ist verfassungsrechtlich festgeschrieben, dass die Landschaft sowie die Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur den öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden genießen. Diese Verfassungsnorm enthält als Staatszielbestimmung einen Schutzauftrag an den Landesgesetzgeber mit verbindlicher Wirkung. Ausschlaggebend für diese Bestimmung war die hohe Bedeutung der kulturellen Schätze des Landes. Der Staat ist also verfassungsrechtlich verpflichtet, Denkmale im Sinne des Art. 3 c LV BW vor ihrer Veränderung oder Beeinträchtigung zu sichern. Zwar ist der Denkmalbegriff des Art. 3 c LV BW nicht identisch mit dem Denkmalbegriff des LDSchG, weil er anders formuliert ist.  Der Unterschied hat jedoch in der Praxis wenig Bedeutung und schon gar nicht bei der vorliegenden Rechtsfrage.

Nun ist allerdings auch der Klimaschutz eine Staatszielbestimmung. Nach Art. 3 a Abs. 1 LV BW schützt der Staat in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung. Unter diese Bestimmung fällt nach allgemeiner Auffassung auch der Klimaschutz.

Eine Rangigkeit zwischen den beiden Staatszielbestimmungen gibt die Landesverfassung nicht vor. Also stehen sie in einer Gleichrangigkeit. Bei dieser Verfassungslage kann der Gesetzgeber nicht eines der Staatszielbestimmungen durch einfaches Gesetz bevorzugen. Das wäre ein nicht rechtmäßiger Eingriff in die Landesverfassung. Der Konfliktfall kann deshalb nur durch eine Einzelfallentscheidung oder eine Anleitung zur Einzelfallentscheidung gelöst werden. Der Erlass des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen vom 12. Mai 2022 für die Entscheidung über die Erteilung einer denkmalrechtlichen Genehmigung für die Errichtung von Solaranlagen auf Kulturdenkmalen nach § 2 DSchG gibt in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise eine Anleitung, wie die Güterabwägung zwischen Klimaschutz und Denkmalschutz vorgenommen werden soll.

Die geplante Gesetzesnovellierung des § 15 DSchG zeigt, dass das Land seinen eigenen Verpflichtungen nicht nachkommt.

Im Gesamtbaubestand ist wie gesagt die Zahl der Baudenkmale von völlig untergeordneter Bedeutung, der Gesamteffekt der geplanten Gesetzesänderung also marginal. Dagegen besitzt das Land riesige Flächen außerhalb des Denkmalbereichs, die mit Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie geeignet und bebaubar sind. So besitzen z.B. viele staatliche Liegenschaften wie die Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg riesige Parkplätze, die jederzeit mit Fotovoltaikanlagen überbaut werden könnten. Es entsteht der Eindruck, dass das Land eine zweifellos vorhandene Verpflichtung auf diejenigen abwälzt, die am schutzbedürftigsten sind, nämlich die Kulturdenkmale.

Stuttgart/Freiburg, 25.10.2022

(Titelbild: Bernd Langner)

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Ein Kommentar

  1. Lieber SHB,
    das kann nicht unwidersprochen bleiben. Etliche Argumente sind richtig, vermengen sich aber zum Teil unzulässig.
    Ich werde dazu eine getrennte Email verfassen.

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