Das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Neckarsulm erhielt den Kulturlandschaftspreis 2019 für den Erhalt und die Pflege des Schulweinbergs „Alberts Weinstöckle“ (Foto: Preisträgerarchiv SHB)
Landschaftspflege in vielen Facetten und ein Weinberg als Lernort
Ein ausführlicher Bericht über die Preisträger 2019 steht Ihnen auch als Auszug aus der Zeitschrift „Schwäbische Heimat“ (pdf-Datei) zur Verfügung.
Eine bedrohte Kulturlandschaft am Rande der Stadt wieder erlebbar machen – in allen ihren Facetten, von Weinbau, Gartennutzung, artenreichen Wiesen und naturnahen Erholung bis zu ihrer Bedeutung für die Volksfrömmigkeit: Das ist das Ziel des ehrenamtlichen Bürgerprojektes „Lebensraum Weggental“ aus Rottenburg am Neckar. Hierfür wurde es nun ebenso wie fünf weitere Preisträger mit dem Kulturlandschaftspreis 2019 ausgezeichnet. Einer davon ist auch Träger des diesjährigen Jugendpreises. Alle sechs Preisträger, von Neckarsulm bis nach Irndorf auf der Südwestalb, machen mit ihrem Engagement deutlich, dass die Auseinandersetzung mit den Ressourcen unserer Landschaften und deren Pflege, das Weitergeben von Wissen sowie Einblicke in ökologische Zusammenhänge überall im Land als generationsübergreifende Aufgaben angenommen sind. Weitere drei Sonderpreise wurden an Kleindenkmal-Initiativen vergeben
Wer sich in Württemberg, Hohenzollern und den angrenzenden Regionen um den Erhalt von Streuobstwiesen, Wacholderheiden, Trockenmauern und anderen landschaftsprägenden Elementen kümmert, kann sich um den Kulturlandschaftspreis bewerben, den der Schwäbische Heimatbund und der Sparkassenverband Baden-Württemberg jährlich ausloben. Wie vielfältig die Projektansätze und Initiativen sind, machen die diesjährigen Preise deutlich. Die Jugendpreisträger – Schüler des Albert-Schweitzer-Gymnasiums in Neckarsulm – nutzen als wohl einzige Schüler-Weinbaugenossenschaft Deutschlands die Bewirtschaftung eines Steillagenweinbergs zum schulischen Lernen.
Um Steillagenweinbau geht es auch bei Reinhold Reuschle aus Besigheim. Jörg und Betina Schmid aus Owen sichern mit Schafen und Ziegen die Erhaltung der von Beweidung geprägten Landschaft am Albtrauf rund um die Burg Teck, während sich das Bürgerprojekt aus Rottenburg am Neckar die Rettung und Wiederherstellung einer naturschutzbedeutsamen Kulturlandschaft in allen natürlichen, ästhetischen und sogar spirituellen Aspekten zum Ziel gesetzt hat. Die Preisträger aus Sulz am Neckar kümmern sich als Ehrenamtliche um Erhalt und Förderung des prächtigen kommunalen Streuobstbestandes. Einen neuen, pfiffigen und auch wirtschaftlichen Weg zur naturschutzkonformen Pflege und Offenhaltung großflächiger Wiesenlandschaften auf dem Heuberg haben Bettina und Achim Schellenbaum mit ihrem Betrieb „MeiMecki-ZiegenInvest“ entwickelt. Ohne dieses Engagement im ganzen Land wären viele der ökologisch besonders wichtigen Strukturen und Schönheiten unserer durch Bewirtschaftung entstandenen Landschaft gefährdet oder bereits verschwunden, betonte der Vorsitzende der Jury, Dr. Volker Kracht, bei der Bekanntgabe der Preisträger.
Zeitzeugen am Wegesrand
In Tauberbischofsheim erhalten drei Jungen von 7, 10 und 11 Jahren einen Sonderpreis dafür, dass sie als Ergebnis ihrer wöchentlichen „Abenteuer- und Forschungsexpeditionen“ sämtliche Grenzsteine der Stadt aufgefunden und kartiert sowie einen historischen Weg wiederentdeckt und freigepflegt haben. Zwei weitere Projekte in Wittighausen (ebenfalls Main-Tauber-Kreis) sowie in Eutingen im Gäu (Kreis Freudenstadt) werden für beispielhafte Dokumentation, Pflege und Restaurierung von Flurdenkmalen in und um ihre Heimatorte ebenfalls mit einem Sonderpreis ausgezeichnet.
Jugend-Kulturlandschaftspreis 2019:
Albert-Schweitzer-Gymnasium, 74172 Neckarsulm (Kreis Heilbronn)
Erhalt und Pflege des Schulweinbergs „Alberts Weinstöckle“ in Steillage – Komplettbewirtschaftung und Naturschutzprojekt.
Einen 10 ar großen städtische Weinberg in Steillage am Neckarsulmer Scheuerberg hat die wohl einzige Schüler-Weinbaugenossenschaft Deutschlands gepachtet und bewirtschaftet ihn ganzjährig. Von Rebschnitt und Nachpflanzung über Pflege der Drahtanlagen, Laubarbeiten, Spritzungen mit Hilfe einer Drohne bis zu Lese, Kelterung und Ausbau treiben Schüler verschiedener Klasssenstufen den Weinberg um. Die Tätigkeiten sind eingebunden in Lehreinheiten von Biologie und Chemie bis zu Kunstunterricht und Ethik. Und die Endprodukte Wein und alkoholfreier Traubensecco finden reißenden Absatz.
Kulturlandschaftspreis 2019:
(von Nord nach Süd)
Reinhold Reuschle, 74354 Besigheim (Kreis Ludwigsburg)
Neuanlage zweier brachliegender Terrassenweinberge, Wiederaufbau der Trockenmauern.
In der von Terrassenweinbau geprägten Besigheimer Kulturlandschaft hat Reinhold Reuschle 2014 zwei historische Weinberge von 20 ar Größe, die schon lange verbuscht und deren Mauern eingestürzt waren, mit dem Ziel erworben, sie wieder neu anzulegen. In bisher fast 5.000 Arbeitsstunden und mit großem auch finanziellem Engagement hat er 18 Weinbergterrassen gerodet, neu mit Reben bepflanzt und annähernd 650 qm Trockenmauern aus Muschelkalk restauriert oder neu aufgebaut. Mit insekten- und reptilienfreundlicher Begrünung und Bewirtschaftung fördert er die Artenvielfalt solcher Weinbauflächen.
Schäferei Jörg und Betina Schmid, 73277 Owen (Kreis Esslingen)
Schäfereibetrieb und Landschaftspflege am Trauf der Schwäbischen Alb.
1.250 Schafe der Rassen Merino-Landschaf und Schwarzkopf sowie 80 Burenziegen sorgen dafür, dass die 170 ha umfassenden Schafweiden am Trauf der Schwäbischen Alb unterhalb von Burg Teck und Limburg nicht zuwachsen und Lebensraum vieler teils hochgradig gefährdeter Tier- und Pflanzenarten bleiben. In Hüte- und Koppelhaltung bewirtschaften Betina und Jörg Schmid diese nahe vollständig in Schutzgebieten liegenden Schaftriften nach naturschutzfachlichen Kriterien. In winterlichen Landschaftspflegeeinsätzen öffnen sie dazu noch zugewachsene Weideflächen und schaffen ein funktionierendes Triebwegesystem.
Bürgerprojekt „Lebensraum Weggental“, 72108 Rottenburg am Neckar (Kreis Tübingen)
Wiederherstellung und Sicherung einer vernachlässigten Kulturlandschaft unter Einbeziehung vielfältiger Aspekte, wie Erholungs- und Naturschutzgebiet, Wein- und Obstbau, Gartennutzung, Landschaftsgeschichte, Geologie und Religiosität.
Nachdem das zweitälteste Naturschutzgebiet Südwürttembergs „Trichter Ehehalde“ über lange Jahrzehnte zugewachsen war, hat sich eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern dieser bedrohten Kulturlandschaft am Rande des Neckartales bei Rottenburg angenommen. In enger Abstimmung mit Eigentümern, Nutzern, Behörden und Stadtverwaltung haben sie das Gebiet und die daran angrenzende hochwertige, FFH-geschützte Kulturlandschaft biologisch inventarisiert und eine Ziel- und Entwicklungskonzeption für zunächst 10 Jahre erarbeitet. Seit 2018 werden Pflegemaßnahmen mit Hilfe der Naturschutzverwaltung, privater Viehhalter und des SAV-Pflegetrupps umgesetzt. Begleitet wird das Projekt durch eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit mit Führungen und Vorträgen.
Streuobstfreunde Bergfelden e.V., 72172 Sulz am Neckar (Kreis Rottweil)
Ehrenamtliche Pflege kommunaler Streuobstbestände mit umfangreicher streuobstpädagogischer Öffentlichkeitsarbeit.
2014 übernahm eine Streuobstinitiative von 35 Ehrenamtlichen die Pflege der überwiegend nicht gepflegten gemeindlichen Streuobstbäume. Zwischenzeitlich kümmern sich die engagierten Baumpaten – darunter zahlreiche Baumwarte, Imker und Streuobstpädagogen – auf der Grundlage eines computergestützten Baumkatasters ganzjährig intensiv um Baumschnitt, Neupflanzung, Obstsaftherstellung, Organisation eines Streuobsttages sowie Baumwartaus- und Fortbildung und ebenso um die Vermittlung ihres Wissens an Schülerinnen und Schüler sowie interessierte private Obstbaumbesitzer.
„MeiMecki – der Ziegeninvest auf der Alb“, Bettina und Achim Schellenbaum, 78597 Irndorf (Kreis Tuttlingen)
Landschaftspflegekonzept mit Direktvermarktung der Ziegen und Öffentlichkeitsarbeit.
Mit zurzeit 85 Burenziegen beweiden und pflegen Bettina und Achim Schellenbaum ehemals verbuschte Flächen in den Naturschutzgebieten Simonstal und Irndorfer Hardt und fördern so die Erhaltung einer wunderschönen und artenreichen Kulturlandschaft. Das Betriebskonzept ihres Nebenerwerbbetriebes beruht darauf, dass „Investoren“ vor allem die jungen Ziegen bereits im Frühjahr erwerben und im Spätherbst dann in Form von Wurst und Fleisch abholen. Den ganzen Sommer über können sie „ihre“ Ziegen auf der Weide besuchen und sind in die intensive Öffentlichkeitsarbeit von MeiMecki eingebunden.
Sonderpreis „Kleindenkmale“ 2019: Die Preisträger
Matti und Jonne Beierstettel, Phil Engert, 97941 Tauberbischofsheim (Main-Tauber-Kreis)
Dreijährige Aktivitäten von drei Kindern zur Auffindung, Freilegung und dauerhaften Freihaltung eines historischen Weges sowie fachgerechte Dokumentation aller noch vorhandenen ca. 250 Grenzsteine der Gemarkung
Auf ihren samstäglichen Exkursionen stießen drei Jungen zwischen 7 und 11 Jahren auf einen historischen, aber in Vergessenheit geratenen Weg. Von Forscherdrang angetrieben, legten sie den Weg mit Unterstützung weiterer Freunde frei. Seit drei Jahren halten sie ihn und seine Geschichte offen und erlebbar. Ein aufgefundener historischer Grenzstein war der Einstieg in ein weiteres Entdecker-Abenteuer. In monatelangen Begängen fanden die Jungen alle noch vorhandenen Grenzsteine der Stadt, machten sie zugänglich, reinigten und dokumentierten sie in Text und Bild auf eigenen Erfassungsbögen.
Kulturverein Wittighausen e.V., 97957 Wittighausen (Main-Tauber-Kreis)
Dokumentation aller Bildstöcke und Wegkreuze der Gemarkung, deren Pflege und teilweise Restaurierung, organisatorische und praktische Unterstützung der Eigentümer von Kleindenkmalen zu deren Erhaltung.
Insbesondere zwei Mitglieder des Vereins, Dr. Reiner Saltin und Bernhard Henneberger, haben in den vergangenen Jahren alle Flurkreuze und Bildstöcke von Wittighausen in vier Fotobüchern dokumentiert, sie fachgerecht gereinigt und mit Hilfe von Fachleuten ausgebessert oder auch restauriert. Gleichzeitig unterstützen sie Eigentümer bei der Beschaffung von Fördermitteln oder der Suche nach Fachleuten zur Erhaltung und Pflege von deren Kleindenkmalen. Mithilfe einer Präsentation halten sie Vorträge und fördern so die Wahrnehmung von Kleindenkmalen im Bewusstsein ihrer Mitbürger.
Heimat und Brauchtum – Förderverein Narrenzunft Eutingen e.V., 72184 Eutingen im Gäu (Kreis Freudenstadt)
Dokumentation, Erhaltung, Pflege und von Flurdenkmalen auf Gemarkung Eutingen, Renovierung von 13 Feldkreuzen.
Seit 2001 kümmert sich der Verein um Dokumentation, Erhaltung und Pflege von Flurdenkmalen verschiedenster Art in Eutingen. Vor allem Flurkreuze, aber auch Bildstöcke und Flurkapellen gehören dazu. Mit großem persönlichen Engagement und Spendengeldern haben sie schadhafte Kleindenkmale saniert, darunter auch ein Denkmal für Gefallene und Vermisste der Napoleonischen Kriege in der örtlichen Kirche.
Hinweise
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