Daniela Blum und Melanie Prange (Hrsg.). (PARTICIPARE! Publikationen des Diözesanmuseums Rottenburg, Band 10). Jan Thorbecke Verlag Ostfildern 2020. 224 Seiten mit farbigen und großformatigen Abbildungen. Hardcover € 28,–. ISBN 978-3-7995-1496-5
Der beste Tresor für archäologische Schätze ist der Erdboden. Manchmal aber wird der Mensch aus gutem Grund zum Tresorknacker. Nicht, um der Erde Schätze zu entreißen, sondern um seinen Wissensdurst zu stillen. Selbst wenn es um Grabfunde geht, muss sich die Pietät hintanstellen. Die Forschung und ihr Interesse an dem, was einst war, hat dann Priorität.
Im vorliegenden Fall geht es um das, was den Bestatteten ins Grab gelegt worden ist. Auch die Art und Weise, wie und wo sie bestattet wurden, war 2020 Thema einer Ausstellung im Diözesan-Museum Rottenburg, zu der der vorliegende Katalog erschienen ist. Aufgelistet werden an die fünfzig verschiedenste (Schmuck-)Stücke, gefunden an den unterschiedlichsten Orten und restauriert, bezirzen sie nicht nur ästhetisch, sondern verraten im günstigsten Fall auch etwas über Status und Herkunft der Bestatteten. Es ist ein aufwendig gestalteter Katalog mit vielen farbigen Abbildungen, auf dessen festem Einband sich die Fundfragmente wie buntes Mosaik ausnehmen.
Den archäologischen Nukleus bildet die Sülchenkirche bei Rottenburg, deren Bischofsgrablege bis 2017 erneuert und bei dieser Gelegenheit fünf Jahre lang ausführlich erkundet worden ist. Die Archäologen fanden unter der Kirche auch ein frühmittelalterliches Reihengrabfeld mit 80 Gräbern. Diese Sülchener Grabensembles werden mit anderen Funden aus dem Südwesten in einen Zusammenhang gebracht. Das Suchradar ergreift dabei ein großes Gebiet: Orte wie Ennabeuren (heute Heroldstatt) auf der Münsinger Alb, Fridingen an der oberen Donau und Oberflacht (heute Seitingen) auf den Fildern der östlichen Baar, wo Holzfunde aus alemannischen Gräberfeldern des 6. Jahrhunderts vorliegen.
Üblicherweise sind es besonders schöne, möglichst intakte Funde, die den Laien für die Archäologie einnehmen. An solchen Beispielen fehlt es im Buch nicht. Seien es ein silbervergoldeter Halsring aus einem reichen Frauengrab von Herrenberg-Zwerchweg, eine bronzene Zierscheibe aus Tübingen-Hirschau oder ein Goldblattkreuz aus Giengen. Doch bei aller Freude über solche Schätze ist die Begeisterung der Forscher meist weniger den Funden, als vielmehr den Befunden geschuldet.
Nach Abschluss der Umbauarbeiten präsentiert sich die Sülchenkirche nun als mehrgliedriges Ensemble mit einem Museum und der neuen Grablege für die Bischöfe der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Was jedoch Sülchen allgemein betrifft, so bleiben weiterhin Fragen offen, wie wir von Beate Schmid erfahren.
Sie macht sich in ihrem Aufsatz auf den Weg vom römischen Sumelocenna nach Sülchen, doch sie kann weder die Herkunft des Ortsnamens erklären noch seit wann die Siedlung diesen Namen trägt. Fest stehe, dass im Bereich dieser mittelalterlichen Siedlungswüste noch längst nicht alles archäologisch untersucht, und noch sehr viel Fundpotential in der Erde zu erwarten sei.
Reinhold Fülle
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