Auswanderer und Abwesende aus dem Königreich Württemberg und seinen Nachbarregionen.
Verlag regionalkultur Ubstadt-Weiher 2017. Zwei Bände, deutsch/englisch. Band 1: 1785-1815. 824 Seiten. Fest gebunden € 89,80. ISBN 978-3-95505-051-1. / Band 2: 1816-1835. 724 Seiten. Fest gebunden € 79,80. ISBN 978-3-95505-052-8
Der erfahrene Berufsgenealoge Friedrich Wollmershäuser legt hier zwei gewichtige, fast monumental wirkende Bände vor, in denen Zehntausende von Auswanderern aus Württemberg erfasst sind. Da natürlich vor allem auch die Nachfahren dieser Auswanderer an ihren Vorfahren interessiert sind, ist der Text der Bücher weitgehend zweisprachig gehalten, in Deutsch und Englisch, wobei die kurzen Vorworte in beiden Sprachen zu lesen sind, das Namensregister, die eigentliche Substanz der Bände, in Englisch, was aber, da es um rein formale Inhalte von Tabellen geht, völlig unproblematisch ist.
Schon als Student hat der Autor in den frühen 1980er-Jahren begonnen, Zeitungen wie den Schwäbischen Merkur durchzusehen und Einträge über Auswanderer und Abwesende auf Karteikarten systematisch zu erfassen. Man frägt sich, ob die jetzige Publikation sinnvoll ist, da die Namen und Herkunftsorte von Auswanderern in den Datenbanken der Archive erfasst sind. So bietet das Landesarchiv Baden-Württemberg eine Auswanderer-Datenbank (www.landesarchiv-bw.de//web/48581), in der mehrere Sammlungen zusammengefasst sind, die Auswandererdokumentation „Hans Glatzle“, die Auswandererdatei „Wolfgang Müller“ und die Auswandererdatei des Staatsarchivs Freiburg. In der Regel sind dabei aber nur diejenigen Auswanderer erfasst, die beim Wegzug offiziell ihr Staatsbürgerrecht aufgegeben haben. Wer sich in der Praxis schon einmal bemüht hat, die Auswanderer z.B. einer Gemeinde zu erfassen – und der Rezensent hat dies einst für Echterdingen getan -, stellt fest, dass die offiziellen Datenbanken nur einen Bruchteil der tatsächlich ausgewanderten Personen und Familien enthalten. Eine viel wichtigere Quelle waren im Falle Echterdingen die Kirchenbücher und Zeitungsanzeigen.
Und genau hier, bei den Bekanntmachungen und Anzeigen der Tageszeitungen und Wochenblätter, setzt Wollmershäuser ein. An überregionalen Zeitungen hat er den Schwäbischen Merkur und die Schwäbische Chronik ausgewertet (ab 1785); hinzu kommen ab etwa 1700 die Stuttgardische Zeitung (ab 1831 Stuttgarter Zeitung), ab 1807 das Königlich württembergische Staats- und Regierungsblatt. Etwa 30 örtliche Blätter aus Augsburg (1687), Biberach (1802), Erlangen (1741), Frankfurt (1615), Freiburg (1793), Karlsruhe (1785), usw. ergänzen diese Quellen. In den Stuttgarter Tageszeitungen finden sich so gut wie alle Steckbriefe und Verschollenenaufrufe. Weiterhin ausgewertet wurden natürlich direkte Mitteilungen über Auswanderungen aus Württemberg und anderen Herrschaften, aber auch Vorladungen abwesender Wehrpflichtiger und flüchtiger Soldaten, ferner Aufforderungen an Personen mit unbekanntem Verbleib, ihr Vermögen abzuholen, auch Vorladungen abwesender Schuldner, Verbrecher, Zeugen und anderer Personen, schließlich Inserate von Auswanderern über die geplante Versteigerung ihres Vermögens und Abschiedsgrüße an ihre Freunde.
So ergeben sich im ersten Band der Dokumentation 41.930 Einträge, tabellarisch aufgelistet, mit folgenden Elementen: a) Name, b) weitere Angaben zur Person und zum Sachverhalt, c) Herkunft, d.h. der gegenwärtige oder letzte Wohnort, d) Ausschreibendes Amt, meist das Oberamt, eine Militärbehörde oder die Gemeindeverwaltung, und die Art der Anzeige, z. B. Auswanderung oder Verschollenenaufruf, e) Quellenangaben (Zeitungsname und Datum). Die Tabelle dieser alphabetisch geordneten Einträge umfasst die mit relativ kleiner Schrift gefüllten Seiten 34-804. Auf den Seiten 805-864 folgt ein sehr nützliches Ortsregister, in dem die 41.930 Einträge nach Herkunftsorten geordnet sind. Band 2, der die folgenden zwei Jahrzehnte 1816-1835 behandelt, ist entsprechend aufgebaut; er enthält insgesamt 31.421 Einträge.
Wollmershäuser hat hier eine Dokumentation geschaffen, die nicht nur viele Lücken in den bisherigen Datenbanken füllt, sondern eine unschätzbare Quelle darstellt, die vom Aufbau her einfach zu nutzen ist, insbesondere auch in der Familienforschung. Die Anzahl der Einträge, in beiden Bänden insgesamt mehr als 70.000, ist ungeheuer. Sie zeugt einmal vom bewundernswerten Fleiß und von der Geduld des Herausgebers, zum anderen aber vom Ausmaß der Auswanderung in den hier behandelten fünf Jahrzehnten 1785-1835. Bedenkt man, dass gerade die Amerika-Auswanderung nach 1850 noch wesentlich stärker wurde, so wird einem die Dimension des Phänomens Auswanderung noch stärker bewusst.
Günther Schweizer
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