Vielfalt durch nachhaltiges Wirtschaften!
Der Kulturlandschaftspreis des Schwäbischen Heimatbundes und des Sparkassenverbandes will ein öffentliches Signal zur Sicherung und Entwicklung der Kulturlandschaft liefern. Es gibt ganz unterschiedliche Wege, sich für dieses Ziel zu engagieren! Die ganze Vielfalt verschiedener Ansätze und Ideen spiegelt sich alljährlich in den Bewerbungen um den ausgelobten Preis wider. Da finden sich jedes Mal eindrückliche Beispiele, die sich mit den großen Themenfeldern wie Offenhaltung, Sicherung von Streuobstwiesen oder etwa der Pflege historisch gewachsener Landschaftsteile von hohem naturschutzfachlichen Wert befassen. Immer wieder sind es überraschende und neue Ideen zur Erhaltung einzelner Details oder fast vergessener Bewirtschaftungsformen, die für das Bild und die Entwicklung der jeweiligen Kulturlandschaft prägend waren. Für Verdienste um die eher kleinen und unauffälligen Zeugen der Landschaftsgeschichte wird seit nunmehr 19 Jahren auch der Sonderpreis für Kleindenkmale vergeben. Auch zu ihm gibt es in jedem Jahr attraktive Projekte, mit denen sich Vereine und Einzelpersonen bewerben.
Was bei den Preisträgern in diesem Jahr besonders beeindruckt, ist die Freude, mit der sie sich dem bewussten Umgang mit ihrer Landschaft und ihrem jeweiligen Projekt widmen. Denn Begeisterung ist der beste Ansporn, um die Botschaft der ausgezeichneten Projekte weiter zu vermitteln und damit die eigene Heimat zukunftsfähig zu machen. Ganz besonders wichtig für die Sicherung und Erhaltung der Kulturlandschaft ist es, Wissen über unsere jeweils heimatlichen Landschaften, Einblicke in ökologische Zusammenhänge und die Freude daran generationsübergreifend weiter zu geben und das Thema so im Bewusstsein unserer Gesellschaft zu halten. Zu diesem Anliegen gibt es erfreulicherweise immer wieder Ideen und Projekte zur Ausbildung von Multiplikatoren, die dieses Wissen in die Gesellschaft hinein und an die nächste Generation weitergeben wollen. Als besonderer Anreiz genau dazu wendet sich seit 2014 der Jugendpreis zum Kulturlandschaftspreis an junge Menschen, die sich in beispielhafter Weise für ihre Kulturlandschaft engagieren.
Kulturlandschaftspreis 2018: Die Preisträger
(von Nord nach Süd)
Jugendpreis prämiert Kreislaufwirtschaft und gesunde Produkte der „Hirtenliebe“ aus Waldenburg
Sie sind mit 23 und 26 Jahren noch wirklich jung – Marliese Sitter und Maximilian Kittsteiner aus Waldenburg, dem „Balkon Hohenlohes“, wie das Städtchen auch genannt wird. Und doch sind die beiden schon seit etlichen Jahren dabei, zielbewusst und Schritt für Schritt ihren Lebenstraum einer beruflichen Existenz in einer intakten Kulturlandschaft selber zu zimmern und zu verwirklichen: mit nachhaltiger landwirtschaftlicher Kreislaufwirtschaft, Produktion und Selbstvermarktung fairer und gesunder Produkte, hoher Biodiversität der bewirtschafteten Flächen und das alles auf einer gesunden, wirtschaftlichen Betriebsgrundlage. Was sie bis jetzt erreicht haben, ist bemerkenswert – und sie haben noch viel mehr vor!
Ihren gemeinsam gegründeten Betrieb, die „Hirtenliebe GbR“, betrachten Marliese Sitter und Maximilian Kittsteiner nach eigenen Worten derzeit als Praxisausgleich zu der Theorie des Studiums der Agrarwissenschaften, dem sie nachgehen. Da beeindruckt es, wie sie neben den Anforderungen ihres Studiums Landschaftspflege auf 14 Hektar Fläche an den Hängen der reizvollen Erholungslandschaft um den Luftkurort Waldenburg leisten. Mit 25 Mutterschafen, sechs Burenziegen sowie Kuh und Ochs pflegen und beweiden sie entsprechend den Vorgaben von Landschaftspflegeverträgen, halten Legehennen auf einer Waldwiese und bewirtschaften etwa 250 Streuobstbäume. Dazu kommen Entbuschungsarbeiten als Dienstleister, die Maximilian Kittsteiner im Auftrag des Landschaftserhaltungsverbandes im Winterhalbjahr durchführt. Auf verschiedenen Märkten und inzwischen auch in der Waldenburger Stadtbibliothek vermarkten sie selbst hergestellte Streuobstprodukte wie Marmeladen und Sirup. Und mit Angeboten wie einer Familienführung durch ihren Betrieb einschließlich Vorlesestunde für Kinder mitten im Schafstall erarbeiten sie sich öffentliches Interesse, Anerkennung und eine gute Presse.
Wie soll es weiter gehen? Im kommenden Jahr wollen sie ihre Bachelorarbeit zu ihrem Markenkonzept „Hirtenliebe“ schreiben und damit gleichzeitig ihren eigenen Businessplan zu Papier bringen. Sie halten Ausschau nach einem größeren Hof in der Umgebung. Dort wollen sie nach Ausweitung ihrer Flächen einen Hofladen mit nachhaltig erzeugten Lebensmitteln ihrer Marke „Hirtenliebe“ eröffnen. Marlies Sitter bildet sich derzeit als Teilnehmerin der „Slow Food Youth Akademie 2018“ zur Frage der Wirtschaftlichkeit nachhaltiger Lebensmittelsysteme fort. Ein Hofladencafé mit Streuobstspezialitäten und vielleicht auch Schafmilcheis gehört ebenfalls zu den Zielen. Für ihren Beitrag zur Sicherung der Waldenburger Hangweiden und deren Biodiversität in so jungen Jahren und ihre guten Ideen für ein zukunftsweisendes Betriebskonzept werden Marliese Sitter und Maximilian Kittsteiner mit dem diesjährigen Jugendpreis ausgezeichnet.
Mutterkuhherden der Familie Dörner aus Dörzbach-Hohebach halten reiz- und wertvolle Steilflächen des Jagsttales offen
Wohin man auch immer im Hohenlohekreis kommt, nahezu überall zeichnet sich die Gegend durch eine schöne und vielfältige Kultur- und Erholungslandschaft aus. Dass diese – soll sie als begehrtes Ferienziel mit ihrer biologischen Vielfalt erhalten bleiben – einer behutsamen Bewirtschaftung und Pflege bedarf, drängt sich auf und ist auch für die Feriengäste offensichtlich, die auf den Höhen und Tälern um Kocher und Jagst unterwegs sind. Ideen dazu gibt es vielerorts. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass in diesem Jahr außer dem Jugendpreis noch ein weiterer Kulturlandschaftspreis an einen Preisträger geht, der sich als ganze Familie seit 20 Jahren für Erhaltung und Weiterentwicklung der historisch gewachsenen Hohenloher Kulturlandschaft engagiert. Die zunehmende Verbuschung der terrassierten ehemaligen Weinhänge auf den mageren Böden über dem Jagsttal bei Hohebach war es, die Familie Dörner – Herr Dörner arbeitet hauptberuflich in einem Baugeschäft – Mitte der 1990er-Jahre auf die Idee brachte, im Nebenberuf eine kleine Mutterkuhherde aufzubauen, mit der sie die von Steinriegeln und Trockenmauerresten geprägten Steilflächen offenhalten. Bald waren sie durchaus überrascht, wie viele Eigentümer ihnen zusätzliche brachliegende Grundstücke zur Bewirtschaftung antrugen. Sie haben sich darauf eingelassen. So sind sie über die Jahre ein veritabler und aus dem Jagsttal nicht mehr wegzudenkender Landschaftspflegebetrieb im Nebenerwerb ohne eigene Flächen geworden.
Sechs kleine Mutterkuhherden mit Angus, Limousin, weißblauen Belgiern und Fleckvieh sind auf 30 ha Fläche an den Hängen unterwegs. 27 ha dieser Flächen sind als sogenannte „FFH-Wiesen“ kartiert und damit wegen ihrer hohen Biodiversität Bestandteil des besonders geschützten europäischen Naturerbes. Im Frühsommer prägen sie mit bunter Blütenpracht und reichem Insektenleben das Bild der Landschaft. Fast alle Flächen sind auch als Landschaftsschutzgebiete oder FFH-Gebiete erfasst. Auf dem maschinell zu bewirtschaftenden, nicht so steilen Teil der Flächen wird Heu als Winterfutter gewonnen. Aber die Dörners kaufen auch Heu von anderen Landschaftspflegebetrieben dazu und sichern auf diese Weise deren Existenz und weitere Naturschutzwiesen mit. Im Winterhalbjahr übernimmt der Betrieb Dörner auch umfangreiche Heckenpflege- und Entbuschungsmaßnahmen im Auftrag des rührigen Landschaftserhaltungsverbandes. Das alles kann natürlich schon lange nicht mehr vom Ehepaar Dörner alleine geleistet werden. So arbeiten die drei Söhne der Familie seit Jahren intensiv und begeistert mit. Momentan sind sie es, die darauf dringen, den Betrieb weiter auszubauen und dazu baldmöglichst einen größeren, leistungsfähigeren Winterstall zu bauen. So scheint die Zukunft des Landschaftspflegebetriebes auch in der nächsten Generation gesichert. Was Familie Dörner bei ihrer Arbeit besonders auszeichnet, ist ihr Anliegen, die Landschaft auf nachhaltige und traditionsbewusste Weise zu nutzen, unter Berücksichtigung der naturgegebenen Voraussetzungen und zum Schutz von Flora, Fauna und Artenvielfalt. Dieses ökologische Signal, die gewachsene Kulturlandschaft im Tal der Jagst und seinen Einhängen zu bewahren und auch weiterzuentwickeln, waren der Grund, sie mit dem Kulturlandschaftspreis 2018 auszuzeichnen.
Gernot und Karen Fröschle aus Bad Wildbad beugen mit Schafen und Hinterwäldlern der Verwaldung vor
Die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung auf den besseren Böden, verbunden mit dem Rückzug aus den Grenzertragsstandorten ist ein Problem in ganz Deutschland und weit darüber hinaus. Ob in der Rhön, in Brandenburg oder im Jura auf der Schwäbischen und Fränkischen Alb – überall läuft der schleichende Prozess der Sukzession. Unwirtschaftlich gewordene Flächen fallen brach und verwandeln sich passiv oder aktiv durch Aufforstung in Wald. Besonders eindrücklich ist diese Entwicklung im Schwarzwald zu sehen, dessen einst offene und landwirtschaftlich genutzte Täler vielerorts längst dunkel geworden sind, die Hänge zugewachsen und vom Wald erobert. „Schwarzwaldisierung“ ist zu einem negativen Schlagwort für diese Entwicklung geworden. Das Offenhalten der Täler ist eines der wichtigen Themen für die Kur- und Erholungsorte geworden, wenn es um die Bewahrung ihrer Attraktivität und damit der Grundlage des Tourismus geht. Doch die ehemalige landwirtschaftliche Struktur mit vielen Kleinbetrieben, wenig Vieh in nicht tiergerechter, ganzjähriger Stallhaltung in dunklen und schlecht durchlüfteten Ställen kann heute als Lösung nicht mehr in Frage kommen. Im Nordschwarzwald, im Tal der Enz bei Bad Wildbad, gibt es ein Beispiel, wie sich die einzigartige Kulturlandschaft des Nördlichen Schwarz-waldes mit ihren oft schwer zugänglichen, aber besonders artenreichen Grünlandflächen erfolgreich erhalten lässt.
Familie Fröschle, das sind die Eltern und ihre fünf im Betrieb engagierten Kinder, ist mit ihrem Engagement heute verantwortlich für 155 ha Wiesen und Weiden, die sie – absolut kleinteilig in insgesamt 289 Einzelflächen – pflegen und bewirtschaften, verstreut auf 170 km² der Gemarkungen von Wildbad und Enzklösterle. Sie tun dies mit 450 Mutterschafen, einer 30-köpfigen Hinterwälder- Herde und 20 Ziegen, die in Kleinherden aufgeteilt die weit verstreuten Hangweiden bestoßen. Die Flächen erstrecken sich auf Höhen zwischen 360 und 960 m über NN und haben Hangneigungen bis über 50%. Auf den maschinell bewirtschaftbaren Wiesen der Tallagen gewinnen die Fröschles das notwendige Winterfutter für den Biobetrieb. Mindestens die steilen Hanglagen aber wären ohne ihre Arbeit heute wohl überwiegend längst zu Wald geworden.
Angefangen haben sie 1992, mit vier Schafen und etwas Grünland. Doch das Interesse an Leuten, die zur Grünlandbewirtschaftung bereit sind, war groß. Zahlreiche Privatleute, staatliche und kommunale Grundeigentümer boten ihnen Flächen zur Pflege an. So wurden sie zu einem „Landauffangbetrieb“ und stockten gleichzeitig mit den Flächen auch ihren Tierbestand bis zur heutigen Betriebsgröße auf. Ein erheblicher Anteil der Flächen ist für den Naturschutz bedeutsam und liegt in Naturschutz- oder Natura2000-Gebieten. So ist der Aufbau des Bio-Pflegehofes Fröschle sicher eine Erfolgsgeschichte für den Kulturlandschaftsschutz, den Naturschutz und auch für Tourismus und Erholung im Oberen Enztal. Aber kann so ein Betrieb auch wirtschaftlich sein? Dass steile, artenreiche, aber magere Naturschutzwiesen als Weideflächen nicht geeignet sind, um vermarktungsreife Produkte zu erzeugen, das haben Fröschles in dieser Zeit lernen müssen. Aber Gernot und Karen Fröschle haben mit guten Ideen darauf reagiert. Sie haben die fachgerechte Pflege der Grünlandstandorte – quasi als Dienstleistung – zum Betriebsziel gemacht und veräußern ihre nach EU-Biorichtlinie aufgewachsenen Lämmer und Kälber mit dem herbstlichen Ende des Weide-betriebs an landwirtschaftliche Kollegen zur Endmast und schlachtreifen Vermarktung. Damit reduziert sich auch der Zeitbedarf so, dass Gernot Fröschle als zweites Einkommensstandbein einen gewerblichen Pflegebetrieb für kommunale und private Rasen- und Grünflächen sowie für Heckenpflege und forstliche Arbeiten betreiben kann. Erst diese beiden Betriebe zusammen lassen die Erhaltung der Kulturlandschaft im Nordschwarzwald wirtschaftlich werden. Mit diesen kreativen Ideen, ihrem Engagement und ihren Erfolgen bei der Sicherung der Kulturlandschaft trifft Familie Fröschle ganz genau die Zielvorstellungen, die der Schwäbische Heimatbund und der Sparkassenverband mit dem Kulturlandschaftspreis verbinden – ein überzeugender Preisträger für 2018.
Maximilian Brühls Merino-Mutterschafe aus Schnittlingen erhalten wertvolle Wacholderheiden im Kreis Göppingen
Wer durch die Göppinger Gegend fährt, sieht sie immer wieder an den Hängen der Alb: Wacholderheiden oder Magerrasen, die dort das Landschaftsbild prägen. Nicht ohne Grund kann der Landkreis stolz darauf verweisen, mit annähernd fünf Prozent seines Territoriums fast doppelt so viel Naturschutzgebietsfläche wie der Landesdurchschnitt vorweisen zu können. Doch damit hat er auch eine besondere Aufgabe: Ohne fachgerechte Pflege – am besten in der traditionellen Form der Schafbeweidung – lassen sich diese kulturlandschaftlichen Kleinode nicht dauerhaft erhalten. Darum sind Naturschutz- und Landwirtschaftsverwaltung sehr darauf bedacht, ein intaktes und möglichst flächendeckendes Netz von Schäfereien und Schäfern zu sichern, die gewillt sind, die notwendige Beweidung und Pflege zu übernehmen. Maximilian Brühl aus Böhmenkirch-Schnittlingen ist einer von ihnen. Aufgewachsen ist er im elterlichen Milchviehbetrieb, den der Vater aber im Jahr 2000 zur Schäferei umwandelte – eine mutige Entscheidung in einer Zeit, in der die wirtschaftlichen Aussichten für Schäfer nicht sehr günstig erschienen. Von 2010 an führte Maximilian Brühl dann selbst den elterlichen Betrieb, den er nach seiner Prüfung zum Landwirtschaftsmeister 2016 übernommen hat. Von den 72 ha Grünland, die der Betrieb teils in Hüte-, teils in Koppelhaltung im Umtriebsverfahren bewirtschaftet, gehören etwa 40 ha zu den Naturschutzjuwelen im Landkreis wie etwa das NSG „Kaltes Feld“ in Lauterstein-Nenningen, das NSG „Vögelestal und oberes Lonetal“ in Geislingen-Türkheim, das NSG „Eybtal“ in Steinenkirch und die Magerrasen rund um Böhmenkirch. Mit seiner in den vertraglichen Vereinbarungen mit der Naturschutzverwaltung definierten Beweidung – ob im zeitlich begrenzten Schaftrieb oder mit Ziegen und Schafen zur Weideöffnung – gewährleisten er und seine Tiere die Artenvielfalt der Flächen für die Zukunft.
Darum ist Maximilian Brühl auch ein geschätzter Partner der Naturschutzverwaltung. Mit der Verwaltung zusammen hat er Pläne für die Zukunft. Der Neubau eines größeren Schafstalls am Ortsrand von Schnittlingen würde ihm die Vergrößerung seiner derzeit 350 Merino-Mutterschafe großen Herde erlauben und ist in Vorbereitung. Das würde Herrn Brühl auch die Möglichkeit geben, zusätzlich Weideflächen anderer Schäfer zu übernehmen, bei denen ansteht, dass sie ihren Betrieb altershalber aufgeben. Für seine Verdienste um die von Heiden geprägte Kulturlandschaft im östlichen Kreis Göppingen wird Maximilian Brühl mit dem Kulturlandschaftspreis 2018 ausgezeichnet.
Initiative von Streuobst-Pädagogen mit Beate Holderied aus Weil im Schönbuch – Klassenzimmer im Grünen
Immer wieder sind unter den Bewerbungen Initiativen, die sich mit der Sicherung unserer Streuobstlandschaften befassen. In aller Regel sind es Apfelsaftprojekte, bei denen sich Ehrenamtliche mit großem Einsatz darum kümmern, Pflege durch Nutzung – also Herstellung und Vertrieb von Streuobstprodukten – zu verwirklichen. So war es überraschend, dass sich dieses Jahr eine Initiative bewarb, die in ganz anderer Weise darauf abzielt, die schwierige Situation dieses wichtigen Biotops und die traditionelle Wirtschaftsform nachhaltig zu verbessern. Es ist ein recht vielschichtiges Projekt – doch fangen wir von ganz vorne an.
Im Jahr 2003 hat die Grundschullehrerin Beate Holderied aus Weil im Schönbuch an der örtlichen heutigen Gemeinschaftsschule ein Projekt initiiert, das sie „Die Streuobstwiese – Unser Klassenzimmer im Grünen“ nannte. Seitdem führt sie es ganzjährig mit allen Eingangsklassen durch und geht an zehn bis elf Terminen zu insgesamt 22 Unterrichtseinheiten auf den außerschulischen Lernort Streuobstwiese. Dort verrichten die Kinder alle Arbeiten, die im Jahreslauf anfallen. Das reicht vom Reisigbüschele binden und Heu machen bis zur Obsternte und Verwertung. Gleichzeitig entdecken die Kinder spielerisch alles, was dort kreucht und fleucht, lernen im Sommer Pflanzen, Insekten und das Obst kennen und im Winter die Spuren von Tieren, die in der Streuobstwiese ihren Lebensraum haben. Oder wie Beate Holderied es ausdrückt: Sie geht mit den Kindern spielerisch auf eine Sinnesreise, an der sie begeistert teilnehmen. Ziel ist es, bei den Kindern ein Bewusstsein für die sie umgebende Kulturlandschaft zu schaffen, ihnen deren Schönheit und Vielfalt zu zeigen und sie auch für Probleme zu sensibilisieren. Diese positiven Erlebnisse sollen den Schülern den Weg dafür öffnen, dass sie als Erwachsene selbstverständlich und gerne Streuobstwiesen pflegen, neue Bäume pflanzen und deren Obst wertschätzen.
Doch das war erst der Anfang. 2011 entstand in Kooperation mit dem Landkreis Böblingen die „Böblinger Streuobstschule“. Fußend auf Beate Holderieds Erfahrungen wurde ein Konzept zur Ausbildung von Streuobstpädagogen entwickelt und umgesetzt. Erste Multiplikatoren wurden ausgebildet, die dann ab 2012 und seither jedes Jahr das Projekt Streuobstwiese mit 60 Schulklassen im Kreis umsetzen. Aber auch das war nur ein Zwischenschritt. Seither hat Beate Holderied mit unterschiedlichen Kooperationspartnern bundesweit etwa 500 Streuobstpädagogen ausgebildet – momentan sind 86 in Ausbildung. Seit 2012 ist Frau Holderied schließlich 1. Vorsitzende des Vereins Streuobst-Pädagogen e.V. mit Sitz in Weil im Schönbuch, der für seine etwa 160 Mitglieder im gesamten Bundesgebiet Vernetzung und Weiterbildung organisiert. Um die Wirkungsbreite dieses Projektes einmal anzudeuten: Allein in Baden-Württemberg sind in diesem Schuljahr über 300 Schulklassen (also rund 6000 Kinder) mit ihren Streuobst-Pädagogen ganzjährig in den Wiesen auf Entdeckungsreise. Was dies für die Zukunft der Streuobstwiesen als flächenmäßig so ausgedehntem Teil unserer Kulturlandschaften bedeutet, kann kaum überschätzt werden. Von dem zukunftsweisenden Ansatz des Projektes und seiner erfolgreichen Umsetzung war die Jury begeistert. Sie hat mit großer Überzeugung dem Verein Streuobst-pädagogen e.V. und zuvörderst seiner 1. Vorsitzenden Beate Holderied den Kulturlandschaftspreis 2018 zugesprochen.
Landschaftspflege, Kräuterwanderungen, Apfelsaftfeste: Schwäbischer Albverein Geislingen kümmert sich um Sommerhalde
Immer wieder gibt es eindrucksvolle Projekte, die sich um den Kulturlandschaftspreis bewerben und leider nicht bedacht werden können, weil es sich um überzeugende Naturschutz- oder Artenschutzprojekte handelt, aber eben keine Unternehmungen, die der Sicherung und Entwicklung der Kulturlandschaft dienen. Eigens dafür aber ist der Kulturlandschaftspreis ausgewiesen und das ist die Richtschnur, an der sich die Entscheidungen der Jury orientieren müssen. Da war es schön, mit der Bewerbung der Albvereinsgruppe Geislingen ein Projekt präsentiert zu bekommen, in dem sich Natur- und Kulturlandschaftsschutz wunderbar ergänzen. Geleitet auch von Artenschutzzielen haben sich die Aktiven des Albvereins an die Wiederherstellung eines verloren gehenden Kulturlandschaftselementes auf ihrer Heimatgemarkung gemacht und können seither beobachten, wie ihre anvisierte Zielart davon profitiert, aber darüber hinaus auch die Artenvielfalt in der Fläche insgesamt rasch wieder zunimmt.
Irgendwann in den 1970er-Jahren ist die einst als Mähwiese und wohl auch als Weide extensiv genutzte Geislinger Sommerhalde brachgefallen. Im Zuge der landwirtschaftlichen Umstrukturierung lohnte die Bewirtschaftung solcher Grenzertragsflächen nicht mehr. Zuerst kamen Büsche, dann erste Waldbäume, die Sukzession schritt voran. Als sich der Naturschutzwart der Ortsgruppe, Reiner Klaiber, die Fläche 2011 anschaute, waren vom einst offenen Halbtrockenrasen nur noch wenige kleine Inseln übriggeblieben. Weil die auch noch zu verschwinden drohten, nahm sich die Ortsgruppe der Sommerhalde an. Mit ersten Mäharbeiten ging sie daran, die Restflächen zu vergrößern und miteinander zu verbinden. Es war ein Artenhilfsprogramm, mit dem sie einen dort noch vorkommenden, aber bedrohten kleinen Tagfalter fördern wollten, den „Kleinen Schlehenzipfelfalter“. Wie groß war die Überraschung, als sie bereits im Folgejahr feststellen konnten, dass zahlreiche verloren geglaubte Pflanzenarten sich in den geöffneten Flächen wieder zeigten. Von Wilder Möhre und Wiesensalbei über den Hornklee bis hin zu verschiedenen Knabenkräutern.
Das war dann die Motivation, bis heute immer weiter zu machen und die Fläche jedes Jahr zu vergrößern. Der Erfolg kann sich sehen lassen und macht die Gruppe stolz. Mit über einem Hektar Größe fügt sich die Sommerhalde wieder in die tradierte Kulturlandschaft über Geislingen ein: umgeben von artenreichen Hecken und Sträuchern, die Teil des Gesamtlebensraumes sind, den eine große Vielfalt von Insekten, Spinnentieren und Vögeln nun wieder besiedelt hat. Auch die Vielfalt der für Halbtrockenrasen charakteristischen Pflanzenarten ist wieder da. Und so hat sich die Sommerhalde für die mit Stolz auf die eigene Leistung erfüllten Albvereinsaktiven zu einem Identifikationspunkt der Ortsgruppe entwickelt, auf der sie verschiedenste und gut besuchte Aktionen durchführen. Das reicht von regelmäßigen Kräuterwanderungen und einem Apfelsaftfest bis hin zu einer jährlichen „Weihnacht der Tiere“. Und: Auch der „Kleine Schlehenzipfelfalter“ hat seinen Bestand deutlich vergrößert. Für die Wiederherstellung der schon fast verloren gegangenen Sommerhalde als artenreicher Bestandteil der Geislinger Kulturlandschaft wird der Ortsgruppe des Schwäbischen Albvereins der diesjährige Kulturlandschaftspreis zuerkannt.
Sonderpreis Kleindenkmale 2018
Grenzsteine in Bitz sowie private Feldkreuze in Herdwangen-Schönach und Owingen-Billafingen
Willy Schick ist vor über 83 Jahren in BITZ IM ZOLLERNALBKREIS geboren und lebt noch heute dort. Seit langen Jahren engagiert er sich ehrenamtlich für seine Gemeinde. In den letzten Jahren nun hat er sich ein Betätigungsfeld gesucht, mit dem sich seine Familie – er selbst wusste zunächst nichts davon – um den Sonderpreis Kleindenkmale beworben hat. Und dies erfolgreich! Denn das hat die Jury doch mit Hochachtung als preiswürdig empfunden, wenn jemand mit 79 Jahren – so alt war Herr Schick, als er begonnen hat – es sich zur Aufgabe macht, die historischen Grenzsteine seiner Heimatgemeinde zu betreuen. Seit 2014 hat er sich der Aufgabe gestellt, die Steine aufzusuchen und teilweise erst wieder neu aufzuspüren, sie – wenn nötig – zu reinigen, zu pflegen und zu dokumentieren. Bei einigen der Steine, die von Erde bedeckt waren, hat er die Überdeckung entfernt, so dass sie nun wieder sichtbar sind. Insgesamt um 68 Steine hat sich Willy Schick gekümmert. Damit hat er aber nicht nur diese, sondern das gesamte Thema Grenzsteine wieder ins Bewusstsein seiner Mitbürger und der Gemeinde gerückt. Für sein großes Engagement um die Bitzer Grenzsteine erhält Herr Schick den Sonderpreis 2018 zum Kulturlandschaftspreis.
Die Gemeinde HERDWANGEN-SCHÖNACH IM LANDKREIS SIGMARINGEN verfügt bis heute über ein besonders reiches Erbe an privaten Feldkreuzen, von denen jedes einzelne als Zeugnis der Volksfrömmigkeit eine eigene Geschichte hat und erzählen kann. Manche haben die Zeiten gut überstanden, andere wurden von ihren Eigentümern gepflegt und restauriert, manchen aber hatte der Zahn der Zeit doch sehr zugesetzt, ohne dass jemand sich ihrer annahm. Das war 2015 der Anlass für Vera und Helmut Bussmann aus Herdwangen-Schönach, ihre Mitbürger auf diese Situation aufmerksam zu machen und eine Feldkreuzinitiative ins Leben zu rufen. Die sollte sich der Aufgabe annehmen, dieses kleine Kulturerbe der Gemeinde auch für die Zukunft zu sichern. Im ersten Kontakt mit Gemeinde und Bürgerstiftung kümmerten sie sich darum, eine finanzielle Hilfsmöglichkeit für das Projekt zu erschließen und luden dann alle Besitzerfamilien zu einem ersten Infoabend ein. Sie stießen auf offene Ohren. Von Sommer 2015 bis zum Beginn dieses Jahres hat die Initiative es geschafft, Spenden- und Stiftungsgelder zu generieren, mit denen zehn Feldkreuze von einem beauftragten Fachmann restauriert und elf Pflege- und Sanierungsmaßnahmen privater Eigentümer unterstützt werden konnten. Es wurden die Geschichten zu den einzelnen Feldkreuzen in Erfahrung gebracht und festgehalten. Insgesamt 45 Feldkreuze wurden fotografisch und schriftlich dokumentiert und in einer neu geschaffenen Feldkreuzbroschüre dargestellt. Diese Broschüre wurde im Rahmen einer Vortragsveranstaltung und einer Ausstellung örtlicher Künstler im vergangenen Herbst öffentlich präsentiert. Und für die Zukunft ist geplant, alle Kreuze vor Ort mit einem QR-Code zu versehen. Dann kann künftig jeder Spaziergänger, der sich dafür interessiert, mit seinem Smartphone alle Informationen direkt am Standort des Kreuzes abrufen. Für diese beispielhafte Aktion wird die Initiative um Vera und Helmut Bussmann mit dem Sonderpreis Kleindenkmale 2018 ausgezeichnet.
So sehr sich Landschaft und die Landschaftsgeschichte in BILLAFINGEN IM BODENSEEKREIS von der in Herdwangen unterscheiden, die Achtung und das Bekenntnis zu den örtlichen Feldkreuzen als Zeugen der Geschichte verbindet beide Orte. Auch in Billafingen haben sich die Eigentümer der noch vorhandenen Feldkreuze rund um den kleinen Ort zusammengetan, um in einer gemeinsamen Aktion den Bestand zu dokumentieren und vor allem zu restaurieren. Es sind Kreuze, die einst aus ganz unterschiedlichen Motiven gestiftet wurden. Aus Dankbarkeit für die Abwendung eines Unheils, in der Hoffnung auf Abwendung von Tierseuchen, als Mahnmale zum Gedenken an einen lieben Menschen oder in Erfüllung eines Gelübdes entstanden, sind sie Ausdruck tiefer Religiosität allemal. Bei der ersten Zusammenkunft 2013 waren sich die Eigentümer rasch im Klaren, dass sie die notwendigen Restaurierungsarbeiten finanziell allein nicht würden stemmen können. Der damalige Ortsvorsteher Barth war es, der aus diesem Grund zu einer erfolgreichen Spendenaktion aufgerufen hat. Mit deren Ergebnis als Unterstützung konnten die Eigentümer einen Steinmetz aus Überlingen-Andelshofen mit der Sanierung beauftragen. Drei Jahre hat er daran gearbeitet. Seitdem sind die restaurierten Kreuze wieder gutaussehende Zeugnisse der ihnen zugrunde liegenden Frömmigkeit. Parallel dazu wurde von Billafinger Bürgerinnen und Bürgern eine Broschüre entwickelt und unter der Schirmherrschaft der Gemeinde gedruckt. Sie verbindet die Dokumentation der Feldkreuze mit deren jeweiliger Geschichte und den noch zu erkennenden Texten und Inschriften. Es ist ein gelungenes Beispiel des Engagements von Bürgerinnen und Bürgern für die Zeugnisse ihrer Geschichte in der Kulturlandschaft ihrer Heimat. Dafür wird die Gruppe der Eigentümer mit dem Sonderpreis Kleindenkmale 2018 ausgezeichnet.
(Volker Kracht)
Views: 694