Titelbild: Kulturlandschaftspreis 1991: Mitglieder der Ortsgruppe Marbach des Schwäbischen Albvereins im März 1987 bei der Bepflanzungsaktion am Sulzbach (Foto: Reinhard Wolf)
Das Sulzbachtal bei Rielingshausen
(aus der „Schwäbischen Heimat“ 1992, Heft 1)
Bis 1986 teilte der Sulzbach – ein etwa zweieinhalb Kilometer langer Seitenbach der Murr – das Schicksal unzähliger Wiesenbliche: in Sohlschalen gelegt, teilweise sogar verdolt, hatte die Rinne die Aufgabe, das Wasser möglichst schnell der Murr, dem „Vorfluter“, zuzuführen. Als die Stadt Marbach auf Initiative und Rechnung der Bezirks stelle für Naturschutz Stuttgart im Dezember 1986 den Bagger Vorfahren ließ, um Gerades wieder krumm machen zu lassen, da waren Spötter schnell zur Stelle: Hatte da der Bauleiter seine Pläne oder der Baggerfahrer das Augenmaß verloren? Was sollte die Zerstörung und Entfernung der gerade zwei Jahrzehnte alten Betonschalen und Betonrohre für einen Nutzen bringen? Als sich der Bagger innerhalb weniger Tage über 200 Meter dem Bach entlang gearbeitet hatte, wußten über die Zeitungen alle, was da im Gange war. Die Diskussionen verstärkten sich aber eher. Die Vorbeikommenden – Amtspersonen wie Spaziergänger – wußten auf einmal alle wesentlich besser als der Bauleiter, wie ein naturnaher Bach auszusehen hat: Die einen meinten, mehr Steine müßten ins Bachbett eingebracht werden, den anderen waren schon diejenigen Muschelkalkbrocken zuviel, die zum Ausgleich des nicht unerheblichen Gefälles eingebaut worden waren. Zu hoch waren den einen die kleinen Wasserfälle, zu niedrig den anderen. Einig im Kopfschütteln schließlich waren sich nahezu alle Besucher über die eingerammten Weidenstämme: Daraus kann ja nie etwas Gescheites werden!
Der Schnee kam und ging, das Frühjahr 1987 grünte. An einem Samstagmorgen um die Osterzeit lud ein Baumschulbesitzer Erlen, Eschen und Pfaffenhütchen vom Lieferwagen. Zwei Dutzend Mitglieder der Ortsgruppe Marbach des Schwäbischen Albvereins griffen zu den Spaten. In wenigen Stunden waren entlang der Ufer in lockerer Reihe Bäume und Sträucher gepflanzt. Von einem direkt benachbarten kleinen Sumpf wurden mit Körben etliche kräftige Wurzelstöcke von Seggen geholt und zur Befestigung der in den Bachlauf eingesetzten Steinschwellen ans Ufer gepflanzt. Ein kräftiges Vesper, gestiftet von der Stadt Marbach als Eigentümerin von Grund und Boden und überbracht von Ortsvorsteher Hans Wahl, bildete den (vorläufigen) Abschluß der Aktion.
Als es Juni wurde, Büsche und Bäume austrieben, aus der Rinde der Kopfweidenstamme die Knospen hervorbrachen und innerhalb weniger Wochen meterlange Ruten trieben, Seggen, Mädedesüß und Gelbe Schwertlilien die Ufer säumten, schlug die Stimmung um: Man könne das Bächle jetzt schon so lassen, war von einheimischen Spaziergängern zu hören. Einige fragten sogar: Warum nur 300 Meter, warum nicht der ganze Bach? Manches war noch zu tun: Bäume mußten besser angebunden und die jungen Sträucher ausgemäht werden. Die Marbacher Albvereinler, die eine Patenschaft für das Bächlein übernommen hatten, nahmen sich der Aufgaben mit viel Freude an. lm darauffolgenden Winter konnte nach erfolgtem Grunderwerb durch die Stadt Marbach ein weiterer 150 Meter langer Abschnitt umgestaltet werden. Gleichzeitig wurden an den Talflanken entlang von Wegen breite Heckenstreifen angelegt, die – in ein paar Jahren groß geworden – vorhandene Hecken verbinden werden. Stadtverwaltung und Vereinsmitglieder arbeiteten auch hier Hand in Hand. In der «Schwäbischen Heimat» Nr. 1990/1 ist ein ausführlicher Bericht über die Bauarbeiten und die Entwicklung der ersten beiden Jahre nachzulesen.
Einige Jahre sind seitdem vergangen. Niemand spottet mehr; wer es nicht weiß, ahnt schon gar nicht mehr, daß der Bach jemals anders ausgesehen haben könnte. Das Ergebnis läßt sich sehen und wurde in den letzten Jahren oft begutachtet. Das bis vor einigen Jahren völlig kahle Tal ist auf einmal zu einem beliebten Gebiet für Spaziergänger geworden – jetzt gibt es dort immer etwas zu sehen. Kinder können – und dürfen – Dämme bauen, Schmetterlinge und Libellen beobachten oder Schiffchen schwimmen lassen. Eine Sitzbank lädt zum Verweilen ein, Eltern und Großeltern können Kinder bzw. Enkel beaufsichtigen. Auch in der Fachwelt hat der Sulzbach – nach anfänglicher Skepsis – Anerkennung geerntet: Auf großformatigen Tafeln wurde der Bach in seinem alten Zustand und in seinem jetzigen Erscheinungsbild in Ausstellungen auf den Landesgartenschauen in Sindelfingen und Hockenheim vorgestellt. Sogar in einer Broschüre der Wasserwirtschaftsverwaltung ist er als Musterbeispiel erwähnt.
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