Begleitbuch und Katalog zur Ausstellung des Landesarchivs Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart ( L’Alsace et le Wurtemberg). Bearb. von Erwin Frauenknecht und Peter Rückert unter Mitarbeit von Johanna Welz. Übersetzungen von Miriam Régerat-Kobitzsch. Thorbecke Verlag, Ostfildern 2024. 233 Seiten mit zahlr. Abb. Paperback 20 €. ISBN 978-3-7995-2069-0

Warum kam es zu der Ausstellung, die von März bis Juli im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und danach bis Oktober 2024 im Château des Ducs du Wurtemberg in Riquewihr gezeigt wurde? 1324 konnte das Haus Württemberg seine Herrschaft um die Grafschaft Horburg mit der Herrschaft Reichenweier (Riquewihr) erweitern, wenig später gelang ihm die Übernahme der reichen Grafschaft Mömpelgard (Montbéliard). Damit war der Grundstein gelegt für die linksrheinischen Territorien Württembergs, die fortan eigene Seitenlinien des Hauses Württemberg ausbildeten. Nach der Französischen Revolution, im Sonderfrieden von Paris 1796, mussten die Württemberger in Person von Herzog Friedrich Eugen die linksrheinischen Besitzungen an die Republik Frankreich abtreten – aus Sicht der Ausstellungsmacher keineswegs das Ende der gemeinsamen Geschichte, da diese nach dem Zweiten Weltkrieg in Gestalt von Städtepartnerschaften eine gewisse Fortsetzung erfuhr.
Das Begleitbuch zur Ausstellung besteht, wie bei Publikationen dieser Art üblich, aus zwei Teilen: einem Aufsatz- und einem Katalogteil. Da es sich um eine diesseits und jenseits des Rheins gezeigte Ausstellung handelt, ist das Begleitbuch zweisprachig deutsch und französisch. Der erste Teil des Buches enthält neben der Einführung der beiden Herausgeber sieben Aufsätze, allesamt aus der Feder Stuttgarter Autoren.
Erwin Frauenknecht schildert die Anfänge Württembergs im Elsass, indem er den Erwerb von Horburg und Reichenweier im Jahre 1324 und das durch Erbfall an die Grafschaft Württemberg gelangte Mömpelgard aufgreift. Eine Landbrücke zwischen den drei Exklaven gelang nicht. Auf die weitere Entwicklung der hinzugewonnenen Gebiete und die kirchliche Ausrichtung im Kontext der Reformation geht Peter Rückert ein. Mit der von Wolfgang Mährle beschriebenen Entwicklung von Horburg und Reichenweier unter Herzog Friedrich I. von Württemberg sind wir im 16. Jahrhundert angelangt, das für das Elsass ein »Goldenes Zeitalter« war. Den Residenzen und der Verwaltung bzw. den Verwaltungsknoten des württembergischen Elsass im 17. und 18. Jahrhundert spürt Louis-David Finkeldei nach. Drei musikalische Grenzgänger zwischen Württemberg und dem Elsass stellt Joachim Kremer vor, bevor sich Peter Rückert einem beide Herrschaftsgebiete verbindenden Thema widmet, nämlich dem Export von elsässischem Wein per Schiff über den Rhein und weiter auf dem Landweg nach Württemberg. In die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg führt der Aufsatz von Harald Schukraft, der auf die deutsch-französischen Städtepartnerschaften eingeht, nämlich die zwischen Ludwigsburg und Montbéliard (1950), Weil der Stadt und Riquewihr (1961) sowie Stuttgart und Strasbourg (1962).
Der Katalogteil gliedert sich wie die Ausstellung in sechs Abteilungen, überschrieben mit »Herrschaft und Territorium«, »Dynastie und Religion«, »Architektur und Kunst«, » Bildung und Musik«, »Weinbau und Weinkonsum« sowie »Partnerschaft in Europa«. Die Grundlage der Ausstellung bildet die schriftliche Überlieferung im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Die vorgestellten Exponate stammen aber auch aus anderen deutschen und französischen Institutionen und sind, ihrer Herkunft gemäß, in der Regel zweidimensionale Zeugnisse. Im Anhang findet der Leser eine Zeittafel, eine Stammtafel des Hauses Württemberg, eine Zusammenstellung von Quellen und Literatur, das Abkürzungsverzeichnis, den Abbildungsnachweis, das Verzeichnis der Förderer und Leihgeber und ein solches der Autorinnen und Autoren.
Rund 470 Jahre währte die Herrschaft Württembergs im Elsass, rund vier Jahrzehnte bestand die Grafschaft Württemberg-Mömpelgard. Nur wenigen Bewohnern Württembergs oder gar Baden-Württembergs wird diese Vergangenheit präsent sein. Der Ausstellung und dem Begleitbuch kommt das Verdienst zu, diese Episode in das historische Gedächtnis zurückzuholen.
Ludger Syré
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