Brautfahrt und Hochzeit der Marie Antoinette im Frühjahr 1770
Verlag Aschendorf, Münster 2024. 532 Seiten. Hardcover 79 €. ISBN 978-3-402- 25031-0

Marie Antoinette, die Gemahlin König Ludwigs XVI. gehört zu den bekanntesten Personen der französischen Geschichte. Was bislang fehlte, war eine eingehende Behandlung ihrer im Frühjahr 1770 erfolgten Brautfahrt und Hochzeit mit dem französischen Dauphin, obwohl das Heiratsvorhaben ein organisatorisches Großprojekt war, das eine Fülle an Quellen in den Archiven entlang der von Wien über Bayern, Schwaben, Vorderösterreich und die Champagne bis nach Versailles verlaufenden Reiseroute hinterlassen hat. Selbiger Forschungslücke hat sich nunmehr Joachim Brüser in einer gründlich erarbeiteten Studie angenommen.
Auf der Grundlage eines intensiven Quellenstudiums widmet er sich allen 21 Reisestationen in einem Dreischritt: Er stellt zuerst den jeweiligen Gastgeber und -ort vor, legt darauf die Reiseplanungen dar und gibt schließlich eine Beschreibung von Marie Antoinettes Aufenthalt wieder. Der Betrachtung der Brautfahrt sind zwei Kapitel vorgeschaltet, worin die Heiratsverhandlungen und Reisevorbereitungen und die Hochzeitsfeierlichkeiten in Wien thematisiert werden. Entsprechend folgt nach den sieben Kapiteln, die der Brautfahrt als solcher gelten, ein Abschnitt, in dem es um die Hochzeitsfeierlichkeiten in Versailles und Paris geht. Eröffnet wird die Studie durch eine knappe Einleitung, die die Forschungslage, Quellensituation und Fragestellung skizziert.
Vor allem drei Fragen treiben Brüser um: Erstens interessiert ihn die Ausgestaltung der Streckenführung. Zweitens möchte er auf die Unterschiede in der Organisation der Reise und die Behandlung bzw. Einbindung der Partner und Gastgeber vor Ort schauen. Und drittens soll der Blick auf die Zeit nach der Reise gerichtet und festgehalten werden, ob und wie sich das jeweilige Engagement der Gastgeber in den Jahren danach auszahlte. Wie ein Hintergrundrauschen durchziehen die eben skizzierten Fragen Brüsers gesamte Darstellung.
Im Fazit werden die diesbezüglichen Befunde dann nochmal einzeln aufgeführt. So hält Brüser fest, dass die Streckenführung auf deutscher Seite eindeutig den Charakter einer politischen Aussage hatte; nebenbei stand hinter mancher Station aber einfach nur logistische Notwendigkeit. Im heutigen Baden-Württemberg waren es fünf Stationen: Kloster Marchtal, Stockach, Donaueschingen, Freiburg und Kloster Schuttern. Zudem macht Brüser auf die Unterschiede in der Kommunikation der Wiener bzw. Versailler Zentrale mit der jeweiligen Peripherie aufmerksam und berührt ebenso die unterschiedliche Gestaltung des Begleitprogramms. Auch die ikonographische Gestaltung der Reise kommt zu Wort. Und schließlich resümiert Brüser nochmals den Erfolg der außenpolitischen Ambitionen, die mit dem Eheprojekt verbunden waren, beleuchtet finanzielle und bauliche Nachwirkungen und spricht Unglücksfälle, Missgeschicke und überhaupt die Erinnerung im Zusammenhang mit der Brautfahrt und Hochzeit an.
In diesem Zusammenhang hätte der Charakter des Ehebündnisses als Verbindung zwischen den Häusern Habsburg und Bourbon vielleicht sogar noch dezidierter akzentuiert werden können, denn unter diesem Gesichtspunkt war das Projekt trotz Marie Antoinettes tragischen Schicksals erfolgreich: Habsburgs erklärtes Ziel in der Revolutions- und napoleonischen Zeit blieb die Restauration der Bourbonenherrschaft, wie Brüser richtig unterstreicht.
Eine erwartbar umfängliche Bibliografie und ein hilfreiches Personen- sowie Ortsregister beschließen den vom Layout her ansprechend und übersichtlich gestalteten Band. Die wenigen Flüchtigkeits- oder Tippfehler fallen nicht ins Gewicht. Mit seiner lesenswerten Untersuchung ist es Brüser nicht nur erfolgreich gelungen, eine bisherige Lücke in der biografischen Literatur zur Dauphine und nachmaligen französischen Königin aus dem Haus Habsburg zu schließen, sondern einen überzeugenden Beitrag zur allgemeinen Erforschung dynastischer Heiratspolitik in der frühen Neuzeit zu leisten.
Oliver Auge
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