Titelbild eines Buches

Patrick Peters: Ludwig Uhland. Ein Leben zwischen Poesie und Politik

Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2024. 206 Seiten. Paperback 25 €. ISBN 978-3-17-044522-2

Titelbild eines Buches

Es gibt Persönlichkeiten, die zu Lebzeiten durchaus berühmt waren, sich mit den Ersten ihrer Zeit vergleichen konnten, aber nach ihrem Tod schon bald aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwanden und zu Außenseitern der Literaturgeschichte wurden. Patrick Peters beschäftigt sich in seinem Buch mit einem solchen, wie er in der Einleitung nicht umhinkommt, festzustellen: Der schwäbische Dichter gehöre »zu diesen vergessenen Berühmtheiten«, die es wert seien, dass man sich um sie bemühe. Peters will mit seinem Buch Uhlands »Relevanz für die deutsche Geistesgeschichte herausstellen und zeigen, welche Wirkung Ludwig Uhland auch heute noch hat – ohne dass sie in der Breite wirklich bekannt wäre.«

Man hätte gern gelesen, wie es konkret dazu kam, dass der Dichter seine Bedeutsamkeit einbüßte. Lag es vielleicht an der Vielfalt seiner Gaben, denn er war nicht allein Dichter, sondern auch Universitätsprofessor, Wissenschaftler, Jurist und ein herausragender (Landes-)Politiker, der es 1848 als Parlamentarier bis in die Frankfurter Paulskirche schaffte – oder schlicht daran, dass er vor allem als Lyriker hervortrat und damit eine Gattung bediente, die im 19. Jahrhundert eine Hochzeit feierte, später jedoch in der Lesergunst von anderen Formen verdrängt wurde. Doch Peters beabsichtigt nicht, eine Rezeptionsgeschichte zu schreiben, sondern er möchte das Schaffen und vielfältige Wirken Uhlands den Lesern des 21. Jahrhunderts bekannt machen. Und dies gelingt ihm durchaus. Er möchte keine chronologisch aufgebaute Monographie schreiben, sondern »sich an bestimmten Themenkreisen orientieren, um der Multidimensionalität der Persönlichkeit Ludwig Uhland gerecht zu werden.« Diese Felder sind Dichtung (Uhland als Dichter und Romantiker), Forschung (Uhland als Wissenschaftler: Beiträge zu Germanistik und Dichtungstheorie) und Politik (Uhlands politische Laufbahn); sie bilden die drei Hauptkapitel des Buches, wobei dem Dichter Uhland die größte Aufmerksamkeit zuteilwird: »Insbesondere die berühmten Balladen, die viele Menschen noch kennen, die aber nur wenige Uhland zuordnen können, werden eingehend analysiert und interpretiert«.

Peters wird dieses Programm auf den nächsten Seiten stringent umsetzen – wohl wissend, dass es darauf ankommt, auch die potentiell Interessierten zu erreichen. Denn er schreibt nicht für die Germanisten, sondern für »literarisch, historisch und kulturwissenschaftlich Interessierte«; um diese anzusprechen, gilt es die angemessene Sprache zu finden, er will verständlich und anschaulich formulieren, ohne die komplexen Zusammenhänge zu vereinfachen. Insbesondere die Gedichtzugänge, die Peters den Lesern eröffnet, sind gekennzeichnet durch ein lebhaftes Einfühlungsvermögen: Balladeske Erzählteile werden paraphrasiert und nachvollziehbar erläutert, nicht selten unter Zuhilfenahme einschlägiger Sekundärschriften. So gelingt es ihm, vielleicht auch unbedarften Rezipienten die literarischen Zeugnisse zu erschließen. Die Annäherung an das Werk des Dichters wird stets eingebettet in die Sozial- und Literaturgeschichte um und nach 1800.

Peters hat sich entschieden, eine Einführung über die deutsche Romantik voranzustellen; denkbar wäre auch gewesen, aus Uhlands Lyrik heraus, induktiv, Aspekte romantischen Dichtens zu entwickeln. Was jedoch auffällt: Der Verfasser bedient sich in seiner kurzen Darstellung zur Romantik nicht der einschlägigen neuen Forschungsliteratur.

Gerade weil die Beschreibung von Uhlands Leben zwischen Poesie und Politik, gemessen an der Zielvorgabe, als durchaus gelungen bezeichnet werden kann, sei es erlaubt, kleinere Schwachstellen formaler Art zu benennen. Dass man Schillers Todesjahr auf 1806 verlegt, kann passieren, doch Primärquellen von Heine, Schiller oder Tieck aus der Sekundärliteratur heraus zu zitieren, sollte auch in einer populärwissenschaftlichen Studie nicht sein. Zudem fragt man sich, warum der Verfasser für die Beschreibung längst vergangenen Geschehens das (historische) Präsens bemüht; vermutlich soll auf diese Weise versucht werden, das Vergangene stärker an die Gegenwart heranzurücken. Man wünschte sich für dergleichen Arbeiten einen »raunenden Beschwörer des Imperfekts« (Thomas Mann).

Diese grundsätzlichen Bedenken sollen und können der Gesamtleistung keinen Abbruch tun. Peters zeichnet mit seinem Buch sachkundig und anschaulich das Werk einer schwäbischen Persönlichkeit nach, die es verdient, dass man ihr auch heute noch Aufmerksamkeit schenkt. Ein bemerkenswerter Dichter und mutiger Demokrat wartet darauf, wieder ins Licht gerückt zu werden. Für die höchstnotwendige Beleuchtung als Voraussetzung für weitere erhellende Entdeckungen hat Patrick Peters mit seinem Buch gesorgt.

Uwe Hentschel

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