Politik zwischen Klimakollaps, Heizungshektik und Naturverwüstung
Ludwig-Verlag, München 2024. 336 Seiten, Hardcover € 22. ISBN 978-3-453-28172-1

Der Buchtitel lässt auf Kritik an der Umweltpolitik schließen, und die ist in der Tat umfassend, scharf und gut begründet. Die beiden Umweltexperten legen schonungslos dar, dass uns tagtäglich von Politikern vorgegaukelt wird, mit E-Mobilität, Wärmepumpen, vermeintlich umweltschonender Land- und Forstwirtschaft und verschiedenen teuren Förderprogrammen werde wirksam Klima- und Umweltschutz betrieben. Bei näherem Hinsehen ergibt sich aber, dass die Umweltkrisen und Verluste an Tier- und Pflanzenarten geradezu dramatisch weiter zunehmen und sich viele Maßnahmen nicht nur als nutzlos, sondern sogar als schädlich herausstellen. Da das gesamte Wirkungsfeld der Umweltpolitik für den »normalen Bürger« nicht durchschaubar ist, braucht es solche Leute wie die Autoren, die mit der Materie seit Jahrzehnten vertraut sind und den Problemen auf den Grund gehen. Versäumnisse der Klima- und Umweltpolitik und langfristige sinnvolle Lösungen aufzuzeigen, sind die Kernanliegen des Buches.
Dass es nicht an Geld für Klimaschutzmaßnahmen fehlt, beweisen beispielsweise aktuelle Meldungen, dass die Stadt Stuttgart vor fünf Jahren ein Klimaschutz-Aktionspaket mit 200 Millionen Euro im städtischen Haushalt ausgewiesen, jedoch ein Viertel nicht ausgegeben hat. Das zeigt einerseits die Schwierigkeit, Klimaschutz konkret umzusetzen, andererseits aber auch die Hilflosigkeit, Sinnvolles zu unterstützen.
Die Autoren stellen mit großer Sachkenntnis die landesweiten, europaweiten, ja weltweiten Entwicklungen verschiedener gesellschaftlicher Bereiche dar und belegen ihre Kritik mit zahlreichen Beispielen. Mittels eines Subventionsdschungels, bürokratischer Verfahrensweisen, versteckter Folgekosten und falscher Ökobilanzen werden Fehlentwicklungen von unserer Gesellschaft gar nicht mehr wahrgenommen. Und die Medien hinterfragen Fachausdrücke wie »Green Deal«, »E-Mobilität« oder »nachhaltige Landwirtschaft« nicht. Derartige leere Worthülsen haben geradezu hypnotisierende Wirkung und täuschen vermeintlich wirksame Konzepte zur Lösung der Umweltkrisen vor. Währenddessen erleben wir zunehmend Hitze, Dürre, Waldbrände und Hochwasser.
Angres und Hutter stellen Akteure vor, die schon seit Langem wissen, wie es besser geht, und zeigen anhand von Beispielen, wie wirklich nachhaltige Lösungen aussehen. Das Wichtigste, was sie für all das brauchen, ist gesunder Menschenverstand. Wir wollen uns hier auf zwei Beispiele in unserem Vereinsgebiet beschränken: Da ist zunächst mal die Familie Heim in Benningen zu nennen, die traditionelles kleinbäuerliches Engagement an den Tag legt, die Kulturlandschaft pflegt, aber von der EU-Agrarförderung nahezu nichts abbekommt, im Gegenteil, im Bürokratie- und Zertifizierungsdschungel in der Regel Verlierer ist. Wenn man dieses Beispiel liest, wundert es einen nicht, dass die letzten Kleinlandwirte vollends aufgeben, weil sie keine Perspektive im landwirtschaftlichen Fördersystem sehen. Diese kleinräumig und verbrauchernah wirtschaftenden Kleinlandwirte zu fördern, könnte in vielen Fällen eine Alternative zu den klimaschädlichen »Agrarfabriken« sein. Am Beispiel zweier namhafter Weinbaubetriebe, Aldinger in Fellbach und Keller am Kaiserstuhl, wird aufgezeigt, was auf engagierte und zu Naturschutzmaßnahmen bereite Wengerter an EU-Unsinn zukommen sollte und nur mit Mühe abgewendet werden konnte. Ein generelles Verbot aller Pflanzenschutzmittel in Schutzgebieten drohte, wobei im mittleren Neckarraum und am Kaiserstuhl nahezu alle Weinberge zumindest in Landschaftsschutzgebieten liegen. Derartiges kann nur von Theoretikern stammen, die den Bezug zu Landschaft und Landwirtschaft verloren haben und denen nicht bekannt ist, dass der Weinbau zumindest ohne Bekämpfung von Pilzkrankheiten unmöglich ist. Statt den Weinbauern behilflich zu sein, mit neuen Methoden möglichst pilzresistente (und dennoch schmackhafte) Rebsorten zu züchten und die steilen Mauerweinberge zu bewirtschaften, werden immer neue Auflagen und Kontrollen eingeführt.
Wer sich für das Thema interessiert, kleinere und größere sinnvolle Maßnahmen kennenlernen will, für den ist das Buch genau richtig. Was wir in unserer schwäbischen Heimat erleben, ist Teil weltweiter Vorgänge, die man wenigstens ansatzweise verstehen sollte, wenn man an seinem eigenen Wohnort etwas Sinnvolles bewirken will. Die dem leichteren Verständnis komplexer Zusammenhänge dienenden Familiengeschichten wirken manchmal etwas gestelzt, man kann sie aber überlesen. Sicher entdeckt der eine oder andere Leser, dass auch er etwas zum Klimaschutz beitragen kann.
Reinhard Wolf
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