Moorlandschaft im Nebel

„Moore sind die Kathedralen des Naturschutzes“

Titelbild: Moorfachtagung Wilhelmsdorf 2024: Blick auf die wiedervernässten Flächen im Pfrunger-Burgweiler Ried (Foto Vjerena Wagner)

Von Herbert Guth

Die Folgen des Klimawandels, verursacht durch die von Menschen verursachte Erderwärmung, sind weltweit zu beobachten. Ob Brandkatastrophen, wie zuletzt in Los Angeles zu sehen, oder Hochwasserereignisse, wie im Ahrtal oder auch in Oberschwaben, sind sichtbare Zeichen der teilweise katastrophalen Entwicklung im Umweltbereich. Um diesem Prozess entgegenzutreten, gibt es zahlreiche Initiativen, sowohl von staatlicher als auch privater Seite. Auf Baden-Württemberg bezogen spielt dabei der Schwäbische Heimatbund mit Sitz in Stuttgart eine wesentliche Rolle. Gemeint sind damit die Anstrengungen rund um den Schutz und die Wiedervernässung von Mooren, die in diesen Zeiten einen hohen Stellenwert einnehmen. Moore gelten anerkannt als Klimaretter. Als positives Beispiel kann hier das Pfrunger-Burgweiler Ried dienen. Gelegen in den Landkreisen Ravensburg und Sigmaringen ist diese Naturlandschaft mit rund 2.600 Hektar das zweitgrößte zusammenhängende Moorgebiet Südwestdeutschlands. Es gilt als ein einzigartiges Naturschutzgebiet von europäischer Bedeutung im Süden unseres Landes. Nur das Moorgebiet um den Federsee übertrifft es in der Fläche.

Hier engagiert sich der Schwäbische Heimatbund, damals noch als Württembergischer Bund für Heimatschutz, weit vorausschauend schon seit 1939 als Käufer wichtiger Flächen, die einen wesentlichen Grundstock für frühere, heutige und zukünftige Naturschutzmaßnahmen bilden. Ein Element aller Anstrengungen für Klimaschutz und die damit verbundene Wiederherstellung der Natur ist zwischenzeitlich unbestritten: Nur intakte Moore, Wälder, Wiesen und andere Ökosysteme können im Kampf gegen die Klimakrise Wirkung zeigen. Die Renaturierung, das heißt die Rückführung von Wirtschaftsgrünland in ökologisch wertvollere Moor-Biotope, wird bereits seit Jahren betrieben.

viele Personen bei einer Tagung
Moorfachtagung Wilhelmsdorf 2024: Eröffnung der Tagung im Bürgersaal Wilhelmsdorf. In der ersten Reihe Sandra Flucht, Bürgermeisterin Wilhelmsdorf, und (mit Unterlagen) Christoph Schulz, Geschäftsführer Riedstiftung; rechts außen (mit Brille) SHB-Geschäftsführer Dr. Bernd Langner; hinter C. Schulz: Wilhelmsdorf ehem. Bürgermeister Dr. Hans Gerstlauer (Foto Vjerena Wagner)

Passend zu den globalen Anstrengungen fand jetzt im Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf am Rande des Pfrunger-Burgweiler Rieds eine bundesweit beachtete Fachtagung zum Thema Wiedervernässung von Mooren – Planung und Umsetzung statt. An drei Tagen erhielten die rund 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen umfassenden Überblick zum Stand der Forschung, der politischen Initiativen und zu praktischen Hinweisen, wie Moore ihre Funktion als Speichermedium für Kohlendioxid erfüllen können. Gesprochen wurde auch über Chancen, die sich aus den Neuorientierungen für die wirtschaftliche Zukunft landwirtschaftlicher Betriebe ergeben können.

Besucht wurde die Tagung von Experten und ehrenamtlichen Moorschützern nicht nur aus der Region Bodensee-Oberschwaben, sondern auch aus einigen anderen Bundesländern, etwa Thüringen, Niedersachsen oder Schleswig-Holstein. Auch einige Schweizer und Vorarlberger Gäste fanden den Weg nach Wilhelmsdorf.

Bagger in einer Landschaft
Moorfachtagung Wilhelmsdorf 2024: Maßnahmen im Gelände im Zuge der Wiedervernässung des Pfrunger-Burgweiler Rieds (Foto Archiv Riedstiftung / ck)

Wie komplex es ist, die Jahrtausende alte Kulturlandschaft rund um die Moore im Zusammenhang mit ihrer wertvollen Funktion im Bereich Klimaschutz darzustellen, zeigten die über 20 Fachreferate sowie die Gesprächs- und Diskussionsrunden über die vielfältigsten Themen, die ausgiebig, aber nicht immer bis in die gewünschte Tiefe hinein, beleuchtet werden konnten. Unter dem Dach von Klima Chance Moore, angesiedelt am Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf mit dem Geschäftsführer Christoph Schulz, wurde die Moor-Tagung mit Leben erfüllt. Sie wurde gemeinsam veranstaltet von der Stiftung Naturschutz Pfrunger-Burgweiler Ried, dem Schwäbischen Heimatbund sowie der Deutschen Gesellschaft für Moor- und Torfkunde. Angeregt wurde die Zusammenkunft von Alois Kapfer vom gleichnamigen Ingenieurbüro in Tuttlingen. Er war auch wesentlich an der Planung des Naturschutzgroßprojekts im Pfrunger-Burgweiler Ried beteiligt. Von ihm stammt die richtungweisende Aussage: Moore sind die Kathedralen des Naturschutzes.

Klima Chance Moore ist ein Projekt, welches die Erhaltung und Renaturierung von Mooren in Baden-Württemberg vorsieht. Dabei sollen trockengelegte Moorgebiete wieder vernässt werden, um so den Austritt von CO2 auf diesen Flächen zu stoppen. Mercedes-Benz hat dieses Projekt in Abstimmung mit dem Umweltministerium des Landes Baden-Württemberg ausgearbeitet und bis 2028 mit fünf Millionen Euro unterstützt. Durch die Wilhelmsdorfer Riedstiftung sollen die Projektziele erfolgreich umgesetzt werden. Die Aktivitäten werden von dort aus koordiniert und organisiert.

In den verschiedenen Fachvorträgen wurden zahlreiche Aspekte erörtert, die jenseits der reinen wissenschaftlichen Fragen eine breite Allgemeinheit interessieren dürften. Dass die Wiedervernässung von Moorgebieten und damit verbundene Aufkäufe von Wiesen, Waldstücken und Äckern Geld kostet, ist klar. Immerhin geht es bei den politischen Zielen in Baden-Württemberg darum, bis zum Jahr 2040 von den derzeit 50.000 Hektar bestehenden Moorflächen stolze 43.000 Hektar wieder zu vernässen. Umgerechnet sind das 2.000 Hektar pro Jahr. Die Wiederherstellung dieser Flächen in ihren ursprünglichen Zustand ist eine große Herausforderung, sagte Karl-Heinz Lieber vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Und er ergänzte: Wir wissen, wie es geht. Wir müssen es aber auch umsetzen. Dabei liegt der Schwerpunkt in Oberschwaben mit dem Federseemoor, dem Wurzacher Ried und dem Pfrunger-Burgweiler Ried. Entsprechend hoch sind die finanziellen Aufwendungen, um diese Moorlandschaften in einen möglichst ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen.

Menschen auf einer Wieser vor einem Turm im Winter
Moorfachtagung Wilhelmsdorf 2024: Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer bei einer Exkursion ins Gelände (Foto Vjerena Wagner)

Jenseits der Fragen rund um finanzielle Mittel stellte Lieber die große Bedeutung der Landwirtschaft als Partner in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Der Naturschutz beginnt mit der Landwirtschaft, gehörte zu seinen Kernaussagen. Und weiter: Es muss für die Landwirte Spaß machen, in neue Nutzungen ihrer Flächen im Bereich von Mooren einzusteigen. Gemeinsames Agieren bei angestrebten Veränderungen im Moorbereich sei wichtig und entscheidend, zeigte sich als Leitlinie in vielen Beiträgen. Als ein Ziel gemeinsamen Handelns wurden neue Ziele der Bewirtschaftung von vernässten Flächen angeführt. Das Zauberwort dazu heißt Paludikultur. Was ist damit gemeint? Mit diesem Begriff wird umschrieben, dass eine Wiedervernässung von Niedermoorflächen nur dann erfolgreich umgesetzt werden kann, wenn die landwirtschaftlichen Betriebe, die hier einen Teil ihrer Lebensgrundlage sehen, mit eingebunden werden. Gefördert werden sollen veränderte Nutzungen der vernässten Böden, um weiterhin Erträge für die Landwirte möglich zu machen. In den betroffenen Bereichen können vor allem nachwachsende Rohstoffe angepflanzt werden. Dabei wird der Blick auf Schilf, Röhricht, Großseggenried, Torfmoose oder Schwarzerlen gerichtet. Diese Pflanzen könnten etwa als Rohstoffe für den Gartenbau, die Bau- und Möbelindustrie oder auch als Energieträger verwendet werden. Als Beispiele dienen Faserstoffe für die Papierherstellung, Dämmmaterialien für Gebäude, Weidenruten als Baumatetrial für Gebäude oder eine ausgedehntere Beweidung mit geeigneten Rinderrassen.

Für eine schadlose Ernte dieser Biomassen sind spezielle Maschinen erforderlich, die in einer solchen nassen Landwirtschaft eingesetzt werden müssten. Landwirte könnten hier zusammenarbeiten, um geeignete Landtechnik für die Bewirtschaftung anzuschaffen. Angestrebt wird eine standortangepasste und nachhaltige Bodenbewirtschaftung als Garant für den Erhalt der natürlichen Bodenfunktionen. Damit kann ein wichtiger Beitrag für den natürlichen Klimaschutz geleistet werden. Dazu ein Hinweis: Die Landwirtschaftliche Rentenbank bietet in Kooperation mit dem zuständigen Bundesministerium seit Mitte 2024 Zuschüsse zu Investitionen in besonders umwelt- und klimaschonende Bewirtschaftungsweisen an.

Einen Alarmruf hatte zum Thema Finanzen Matthias Drösler vom Peatland Science Centre parat, das an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf angesiedelt ist. Ausgelöst durch den Bruch der bisherigen Ampel-Koalition gibt es derzeit keinen belastbaren Bundeshaushalt für das Jahr 2025. Deshalb ist nicht abzusehen, wie sich dies auf das zukunftsweisende Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz auswirken wird. Wie geht es nach der Bundestagswahl mit diesem Programm weiter? stand die Frage im Tagungsraum. Dazu eine Zahl: Im aktuellen Haushaltsentwurf für 2025 waren im mittelfristigen Planungszeitraum bis 2028 3,5 Milliarden Euro für Klimaschutz, Naturschutz und Klimafolgenanpassung für die Umsetzung der ehrgeizigen Ziele enthalten. Matthias Drösler hofft, dass das hart umkämpfte Geld auch künftig für die angegebenen Ziele zur Verfügung steht: Dieses Programm eröffnet uns ganz neue Dimensionen für unsere Arbeit, falls es wie bisher geplant so beschlossen wird, mahnt der auch als Moor-Papst gefeierte Drösler an.

Die Bedeutung des Themas rund um das Wasser stellte Michael Trepel vom Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein in den Mittelpunkt seines Vortrags, ob Moore in Zeiten des Klimawandels eine Zukunft haben. Ja, sie haben eine Zukunft, wenn wir sie klug vernässen und ihnen Zeit und Raum zum Wachsen geben. Das Klima selbst sei nicht der entscheidende Faktor für einen Erfolg aller Bemühungen. Wichtiger sei es, wie die Wasserwirtschaft insgesamt mit dem so wichtigen Wasser umgeht. Die verstärkte Entnahme von Trinkwasser habe entsprechende negative Effekte zu Lasten der Wiedervernässung von Mooren. Um alle Aspekte unter einen Hut zu bringen, ist laut Trepel wichtig, dass viel Fachwissen angesammelt und bei der Bewältigung der Aufgaben eingesetzt wird. Dieser Gesichtspunkt war durchgängig auch in weiteren Beiträgen der Tagung zu hören. Fachwissen und die Vernetzung sei ein Schlüssel zum Erfolg. Dabei sei auch das Lernen und das Erkennen von Fehlern aus bestehenden Projekten enorm wichtig, war die allgemeine Ansicht.

Um wissenschaftliche Erkenntnisse mit Theorie und praktischen Ansätzen nicht alleine im Raum stehen zu lassen, wurden zum Abschluss der Fachtagung drei Moor-Exkursionen angeboten. Zwei davon führten ins Pfrunger-Burgweiler Ried. Erläutert wurde unter anderem von Sabine Behr, was in den vergangenen Jahren beim Großprojekt zur Wiedervernässung in diesem Moorgebiet im Süden des Landes umgesetzt wurde. 10,5 Millionen Euro von Bund, Land und Riedstiftung mit den beteiligten Gemeinden wurden in dieses richtungsweisende Projekt investiert. Aber: Wir könnten noch viele weitere Millionen brauchen, um die vielen weiteren Aufgaben zum Erreichen unserer Ziele erfüllen zu können, so Sabine Behr.

Eine weitere Exkursion führte zu den Mooren Blindelsee und Winnismoos im württembergischen Allgäu. Vorgestellt wurde vom Landesverband Baden-Württemberg des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) das dort angesiedelte Projekt Naturvielfalt Westallgäu. Laut Sprecherin Heike Helfenstein ist es Anspruch dieser Vereinigung in der Region und im Land über die Notwendigkeit und Chancen des Moorschutzes zu informieren. Gehofft wird auf Engagements vielfältiger Art, zu denen die Menschen motiviert werden sollen.

Welches Fazit zur Tagung zieht der Chef des Naturschutzzentrums Wilhelmsdorf nach für ihn und alle Mitarbeitenden drei herausfordernden Tagen? Christoph Schulz sagt dazu: Unsere Moorfachtagung hat uns wieder klargemacht, wie wichtig und auch dringend die Wiedervernässung von Mooren ist. Die Zahl der Anmeldungen lag über unseren Erwartungen und unterstreicht die Bedeutung des Themas. Der fachliche Austausch untereinander, natürlich auch in den Pausen und beim Mittagessen, war für alle erkenntnisreich und motivierend. Wichtig ist jetzt, diese Erkenntnisse auch nach außen zu tragen und die Bevölkerung, allen voran natürlich die Grundstückseigentümer und -Bewirtschafter von Moorflächen, auf dem Weg zu wiedervernässten Mooren mitzunehmen.

Hintergrundinformation

Das Pfrunger-Burgweiler Ried

In früheren Jahrhunderten wurden Moorflächen als unproduktives Land betrachtet. Erst im 19. Jahrhundert begann man, diese Flächen systematisch zu entwässern, um sie landwirtschaftlich nutzbar zu machen und Torf als Brennmaterial zu gewinnen. Im Jahr 1824 gründete sich die Gemeinde Wilhelmsdorf als Folge dieser Entwicklungen. König Wilhelm versprach Siedlern Landbesitz (Öland), wenn sie das Ried im damaligen Lengenweiler Moos urbar machten. Die umfangreichen Eingriffe in den Wasserhaushalt, wie die Anlage von Entwässerungsgräben, prägten das Gebiet nachhaltig.

Trotz der Eingriffe hat das Pfrunger-Burgweiler Ried heute eine herausragende Bedeutung für den Naturschutz. Das Gebiet zeichnet sich durch eine Vielzahl von Moortypen aus, darunter Hoch- und Zwischenmoore, Niedermoore und das seltene Hangquellmoor bei Laubbach. Diese Vielfalt ist in Europa selten.

Die Artenvielfalt ist beeindruckend:

  • Pflanzen und Moose: 670 dokumentierte Arten.
  • Schmetterlinge: Über 600 Arten.
  • Fledermäuse: Zwölf Arten nachgewiesen.
  • Vögel: Über 200 Arten, davon brüten etwa 100 regelmäßig im Ried.

Schutz und Engagement

Das Gebiet wurde in das europäische Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 aufgenommen, um seine einzigartige Biodiversität zu bewahren. Der Schwäbische Heimatbund spielt eine zentrale Rolle bei den Schutzbemühungen und engagiert sich seit Jahrzehnten für den Erhalt dieses wertvollen Lebensraumes.

Das Pfrunger-Burgweiler Ried ist ein beeindruckendes Beispiel für die Balance zwischen Naturschutz und der Geschichte menschlicher Eingriffe in die Natur. Es lädt Besucher ein, die Schönheit und Vielfalt eines der wichtigsten Moorgebiete Südwestdeutschlands zu entdecken.

Besondere Beweidung

Ein Ziel der Stiftung Naturschutz ist es, die freien landwirtschaftlich genutzten Flächen einer besonderen Form der Beweidung zuzuführen. Landwirte wurden dafür gewonnen, mit verschiedensten ursprünglichen Robust-Rinderrassen die Wiesen als Weidefläche zu nutzen. Auf diesen Feuchtstandorten sind das ganz Jahr über Scottish Highlands, Galloways, Belted Galloways sowie Heckrinder zu finden. Auf festeren Böden sieht der Besucher die schwereren Rinderrassen Limousin und Pinzgauer Rind. Mit diesen Tieren wird eine ganzjährige Beweidung sichergestellt.

Im Zuge des Naturschutzgroßprojekts konnte der bereits 1991 ausgewiesene Bannwald im Jahr 2012 von ursprünglich 189 auf 441 Hektar erweitert werden. Dieser Bannwald ist der größte in Baden-Württemberg. Bannwälder sind Schutzgebiete, die als Urwälder von morgen bezeichnet werden. Hier wird die Natur vollständig sich selbst überlassen. Damit, so die Charakterisierung durch Fachleute, sind sie die Keimzellen für den Schutz von seltenen Lebensräumen, gefährdeten Arten und wertvollen Gen-Ressourcen. Außerdem dienen Bannwälder der Forschung.

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