Carla Heussler: Zwischen Avantgarde und Tradition. Die Malerin Käte Schaller-Härlin

Titelblatt

Belser Verlag Stuttgart 2017. 192 Seiten mit 142 farbigen Abbildungen. Fest gebunden € 34,90. ISBN 978-3-76302-760-6

Ob sie auch gelächelt hat? Aus dem Bild auf dem Buchdeckel von Carla Heusslers Biografie der Malerin Käte Schaller-Härlin blickt eine streng blickende junge Frau. Ein seltsam hintergründiger, fragender, suchender Blick mit einem Zug ins Melancholische scheint Käte Schaller-Härlin zeitlebens ausgezeichnet zu haben. Dies wird besonders in ihren Selbstporträts deutlich, von denen man ja annehmen muss, dass sie selbst empfundene Charakterzüge wiedergeben. Auffallenderweise spiegeln auch Fotografien eben diese Wesenszüge wider, nicht nur auf Porträtfotos, sondern auch in – wenn vielleicht auch gestellten – Alltagsfotografien, wie halb rückwärtsgewandt am Klavier stehend.

Vor allen zwei Arbeitsbereiche kennzeichnen das Werk Käte Schaller-Härlins: sakrale Motive, «Kirchenmalerei », sei es Wandmalerei oder Glasfenster, und das Porträtieren. Mit ihren Arbeiten für evangelische Kirchen brach die Künstlerin um 1900 in eine fast vollständige Männerdomäne ein. Die Zeitumstände kamen der jungen Malerin aber zugute. Der evangelische Kirchenbau wandte sich vom Historismus ab und suchte nach neuen Ausdrucksformen. Und Schaller-Härlins Malerei suchte bewusst in Technik, Form, Farbe und Farblichkeit die Moderne. Doch diese stieß nicht selten bei den konservativen Elementen in der Kirche auf lebhafte Abneigung. Die Künstlerin musste sich daher auch arrangieren.

Ihr zweites bevorzugtes Feld war die Porträtmalerei. Wohl mehr als 2000 Porträts hat Käte Schaller-Härlin geschaffen – und dies noch bis ins hohe Alter. Schon in den 1920/30er-Jahren und erneut nach 1945 begegnet uns Käte Schaller-Härlin als Vorzugsporträtistin der im Lande verwurzelten bürgerlichen Schicht. Dutzende von Arbeiten hat Carla Heussler für ihre Biografie der Künstlerin ausgesucht. Und es ist höchst auffallend, dass die von ihr Porträtierten in aller Regel, fast möchte man sagen ohne Ausnahme, einen seltsam freudlosen, melancholischen Gesichtsausdruck tragen. Ob dies an der Auswahl liegt? Wohl kaum. Vielleicht ist es typisch, dass sogar Kinder nie lachen oder auch nur lächeln. Der etwa zehnjährige Ernst Ludwig, der Sohn von Theodor Heuss, blickt mit traurigen Augen und frustriert verzogenem Mund wie ein Erwachsener in die Welt, das Selbstporträt mit Tochter Sybille zeigt nachgerade verhärmte Gestalten, und die vielleicht dreijährige Barbara aus dem Jahr 1948 scheint tiefsttraurig über die Welt zu sinnieren. Dem Publikum freilich scheint dies gefallen zu haben, denn Käte Schaller-Härlin war, wie Carla Heussler hervorhebt, bis zu ihrem Lebensende eine gesuchte und erfolgreiche Porträtistin.

Carla Heussler folgt dem Lebensweg der Künstlerin in chronologisch geordneten Stationen von der frühen Kindheit in Mangalore als Tochter eines Missionars der Basler Mission und später an den Pfarrorten des Vaters, der Ausbildung an der Stuttgarter Gewerbeschule und im Württembergischen Malerinnen-Verein, später folgen Studienaufenthalte in München und Zürich, Florenz und Rom. Erster Auftrag eines Kirchenwandbilds 1907 (Engstlatt), 1910 in Paris, 1911 Heirat mit dem Stuttgarter Kunsthistoriker und Kunsthändler Hans Otto Schaller, der 1917 bei Ypern fällt. In den 1920er- bis 1940er-Jahren lebt und arbeitet sie als alleinerziehende Mutter und angesehene freie Künstlerin in Stuttgart. Nach der Zerstörung ihres Hauses 1944 erfolgt der Umzug nach Eschach bei Schwäbisch Gmünd, 1950 Rückzug nach Stuttgart (Rotenberg), wo sie als weiter gesuchte Porträtistin lebt. Ihre letzten Porträts entstehen 1964/66; 1973 verstirbt sie im hohen Alter.

Nach ihrem Tod war es still geworden um ihr Werk. Erst in den 1990er-Jahren fand es wieder nennenswerten Eingang in Ausstellungen. Es ist der Verdienst der Autorin, nun eine wissenschaftliche Biografie Käte Schaller-Härlins vorgelegt zu haben. Gleichzeitig fanden mehrere von Carla Heussler kuratierte große Ausstellungen zu Leben und Werk statt. Käte Schaller-Härlin darf eine bedeutende Künstlerin des 20. Jahrhunderts in Württemberg genannt werden. Die im Buch wiedergegebenen Werke lassen darüber keinen Zweifel. Manches öffentliche Werk, nämlich in Kirchen, wird man anhand der Informationen nun in situ aufsuchen und bewundern können. Vor den Objekten, auch in Galerien und Museen, wird man sich ein noch besseres Bild ihrer Kunst machen können. Der Eindruck einer seltsamen Strenge und Kühle, mitunter auch Kälte, bleibt freilich.

Raimund Waibel

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2 Kommentare

  1. Der ernste Blick soll sicherlich u. a. ausdrücken, dass Schaller-Härlin als ernstzunehmende Malerin anerkannt werden will. Denn bis heute gibt es Leute, die Frauen gerne verniedlichen und verdummen wollen, um ihre Leistung nicht honorieren zu müssen, nach dem Motto “Was sie tut interessiert mich gar nicht, Hauptsache sie sieht gut aus und lässt mit einem Lächeln erkennen, dass ich mit ihr machen könnte, was ich will.”
    Zudem ist es weder in der Fotografie noch in der Porträtmalerei aller Jahrhunderte üblich, dass die Porträtierten “sympathisch” lächeln, wie für ein Familienalbum. Solche Art von “Charakteranalysen” sind bei Otto Dix, Max Beckmann oder van Gogh eher unüblich, obwohl auch deren Porträts und Selbstporträts Kühle und Strenge aufweisen.
    Freundliche Grüße, W. Pilch

  2. Sehr geehrte Frau Carla Heussler,
    meine Frau und ich waren bei Ihrem Vortrag im Hospitalhof zugegen. Meine gesamte Familie wurde von Käte Schaller-Härlin porträtiert.
    Von meiner Grossmutter, Dr. Gertrud Pfeilsticker-Stockmayer, besitze ich zwei Porträts. Eines als Jugendbild und ein Altersbild. Bei Ihrem
    Vortrag und in Ihrem Buch zwischen Avantgarde und Tradition ist auf Seite 137 ein weiteres Bild meiner Grossmutter abgebildet, das ich
    bisher noch nicht kenne. Im Abbildungsnachweis auf Seite 192 ist das Gemälde unter Privatbesitz aufgeführt. Mich würde interessieren
    wer dieses Bild besitzt, falls einen Nennung möglich ist.
    Herzlichen Dank

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