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Prof. Dr. Christhard Schrenk, Direktor des Stadtarchivs Heilbronn

Prof. Dr. Christhard Schrenk als Moderator im Juli 2022 bei seiner zehntägigen »Heilbronner Wissenspause« unter dem Veranstaltungs-Dach »Heilbronn ist Kult« im Heilbronner Deutschhof | Foto: Barbara Kimmerle, Stadtarchiv Heilbronn

Prof. Dr. Christhard Schrenk ist seit 1992 Direktor des Stadtarchivs / Haus der Stadtgeschichte Heilbronn (https://stadtarchiv.heilbronn.de). Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der Württembergischen Landesgeschichte. Er verantwortet zahlreiche Publikationen zur Heilbronner Stadtgeschichte, zuletzt 2022 den Sammelband »Jüdisches Leben in Heilbronn. Skizzen einer tausendjährigen Geschichte«.

Seit 1992 sind Sie Leiter des Stadtarchivs Heilbronn. Man mag da an viel Routinearbeit denken, an gleichförmige Arbeitsabläufe in der Verzeichnung von Akten. Worin bestand für Sie der Reiz an der Führungsstelle, hatten Sie bestimmte Ideen oder Ziele im Kopf?

Mir war immer klar, und das gilt bis heute: Ich will etwas bewirken mit dem, was ich tue. Mein Credo ist, wir als Stadtarchiv müssen uns öffnen, nach außen wirken und in der Stadt präsent sein. Ich baue auf die Kraft der Begeisterung. Seit mehr als 30 Jahren versuche ich auf immer neue Weise, Begeisterung für Geschichte zu wecken.

Dieser aktive Ansatz klingt erstmal überraschend, wenn man glaubt, ein Archiv dokumentiere »nur« die Vergangenheit.

Jedes Archiv muss seine Linie finden. Es gibt Kernaufgaben wie die Bewertung, rechtssichere Verwahrung und Erschließung von Akten der Verwaltung. Fachlich gute Arbeit zu leisten und auch Verwaltungsabläufe perfekt zu beherrschen ist Grundvoraussetzung für alles andere – und verschafft einem Respekt sowohl bei der Stadtverwaltung als auch in der Stadtgesellschaft. Das ist wichtig, weil dadurch Gestaltungsfreiräume entstehen. Was wir heute sammeln, bestimmt ganz wesentlich das Überlieferungsbild, also das Bild, das man gewinnen wird, wenn man sich in 50 oder 100 Jahren für die heutige Stadtgesellschaft interessiert. Aber was in den städtischen Akten steht, spiegelt bei weitem nicht die Vielfalt des Lebens in der Kommune.

Wie gelingt es Ihnen, dieses Überlieferungsbild aktiv mitzugestalten?

Dafür ist die Vernetzung in der Stadtgesellschaft so wichtig. Man muss als Archivchef präsent sein, man muss erfahren und begreifen, wie eine Stadt tickt. Das Archiv muss in der Stadt ein persönliches Gesicht haben, sonst kommt man nur schwer an Informationen. Wir haben im Stadtarchiv einen Berg von Informationen. Was macht man daraus? Seit den 90er-Jahren war meine Devise: Wir wollen Informations-Dienstleister sein. Wir haben als eines der ersten Archive ein komplexes elektronisches Recherchesystem entwickelt, was viele Kollegen in der Archivwelt damals mit großer Skepsis gesehen haben. Wir waren 2020 das erste öffentliche Archiv in Deutschland, das Künstliche Intelligenz in der Praxis real einsetzt. Die KI hilft uns seither bei der Beschriftung von Fotos. Aktuell arbeiten wir mit einer in Heilbronn ansässigen Eliteschule für Programmierer zusammen.

Ein Berg von Informationen – was hat die Stadtgesellschaft davon?

Wie sichern Informationen und Recht. Alle Interessierten können bei uns recherchieren. Darüber hinaus machen wir historische Bildungsarbeit und vermitteln Geschichte zielgruppenspezifisch, in Ausstellungen, in Veranstaltungen und durch andere Aktivitäten. Seit einigen Jahren gibt es die »Wissenspausen«. Das ist eine niederschwellige Veranstaltungsreihe im Juli mit je zehn Terminen zur Mittagszeit, die unter freiem Himmel im Heilbronner Deutschhof stattfindet. Jedes Jahr gibt es einen bestimmten historisch und aktuell relevanten Themenkreis, über den ich mit Zeitzeugen und Experten spreche. Die Wissenspausen stoßen auf sehr großes Interesse, sind fast schon Kult. Sie haben lokale Medienpartner, werden aufgezeichnet und können später auch im Landesfernsehen L-TV und im Netz noch in voller Länge angesehen werden. Außerdem werden die Gespräche zu einem umfangreichen Zeitzeugen-Quellencorpus verschriftlicht. Eine Heilbronner Besonderheit ist auch, dass wir Stadtarchiv und Stadtgeschichtsmuseum in einem sind. Beides zusammen ist ein Ort der Kommunikation. Das Stadtarchiv hat außen große Glasscheiben vor den Fenstern, dort erzählen wir u. a. die Stadtgeschichte in komprimierter Form. Das bedeutet, dass Stadtgeschichte auch außerhalb unserer Öffnungszeiten erfahrbar ist und z.B. bei Stadtführungen schon von außen mit einbezogen werden kann.

Haben Sie eine besondere Empfehlung für die Mitglieder und Freunde des Schwäbischen Heimatbundes?

Kommen Sie nach Heilbronn! Wir meinen es ernst mit dem Haus der Stadtgeschichte als Ort der Bewahrung, Präsentation, Information und Kommunikation. Unsere Idee war, aus unterschiedlichsten Berufsfeldern einige ehrenamtliche MitarbeiterInnen zu gewinnen, die für interessierte Ausstellungsbesucher als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Manche bezweifelten, ob das gelingen könnte. Aber das Konzept ist voll aufgegangen, wir haben aktuell etwa 25 ehrenamtliche Ausstellungslotsen. Meistens ist einer oder eine von ihnen in der Dauerausstellung anzutreffen. In den persönlichen Gesprächen ergeben sich oft die überraschendsten Überschneidungen wie z.B. gemeinsame Interessen, manche haben auch schon Berührungspunkte in den Biographien der Vorfahren entdeckt. Auch hier: Geschichte begeistert.

Interview: Hanne Knickmann im Mai 2023

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