Kulturlandschaftspreis 2024: Kerner Schafwanderweg (Foto: Ulrike Ratzel)
Bürgerengagement zwischen Weinberg, Heide und Streuobstwiese
Mit einem beispielhaften Pilotprojekt hat sich der Obst- und Gartenbauverein in Dürrn die Eindämmung des Mistelbefalls zum Ziel gesetzt. Unter dem Titel „Steillagenkollektiv“ bietet die Lembergerland Kellerei ein Solidaritätsmodell für die Steillagen im Enztal. Hierfür werden nun beide, ebenso wie vier weitere Preisträger mit dem Kulturlandschaftspreis 2024 des Schwäbischen Heimatbundes ausgezeichnet. Drei Sonderpreise werden für ehrenamtliches Engagement zum Erhalt von Kleindenkmalen verliehen.
Alle sechs Hauptpreisträger – von Hohenlohe über die Täler von Enz und Rems bis nach Rottweil – machen mit ihrem Engagement deutlich, dass die Auseinandersetzung mit den Ressourcen unserer Landschaften und deren Pflege, das Weitergeben von Wissen sowie Einblicke in ökologische Zusammenhänge überall im Land als generationsübergreifende Aufgaben erkannt werden. Drei zusätzliche Sonderpreise wurden an Kleindenkmal-Initiativen zwischen Tauber, Schönbuch und Oberem Neckar vergeben. Viele dieser historisch wie ökologisch besonders bedeutsamen Strukturen und Schönheiten unserer durch Bewirtschaftung entstandenen Landschaft würden ohne solch beispielhaften Einsatz verschwinden oder in Vergessenheit geraten, betonte der Geschäftsführer des Schwäbischen Heimatbundes, Dr. Bernd Langner, bei der Bekanntgabe der Preisträger.
Jeder Hauptpreisträger erhält ein Preisgeld von 1.500 €, der Kleindenkmalpreis wird mit je 500 € belohnt. Die Preissumme wird von der Sparkassen-Finanzgruppe Baden-Württemberg sowie der Sparkassenstiftung Umweltschutz zur Verfügung gestellt. Überreicht werden die Auszeichnungen am 22. Oktober 2024 um 17:30 Uhr in der Stadthalle von Vaihingen/Enz im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung und unter Beteiligung des Ministeriums für Ländlichen Raum Baden-Württemberg. Zur Verleihung sind alle Interessierten eingeladen. Eine Anmeldung ist zwingend erforderlich bei der SHB-Geschäftsstelle oder unter post@kulturlandschaftspreis.de
Kulturlandschaftspreis 2024
(von Nord nach Süd)
Barbara und Wilfried Tertel, 74389 Satteldorf (Kreis Schwäbisch Hall)
Dass Streuobstwiesen und magere Heckenlandschaften als Weideland für Milchvieh geeignet und sogar wirtschaftlich sein können, belegt das Projekt von Barbara und Wilfried Tertel auf ihrem Hof am Sächlesberg. Mit einem fein ausdifferenzierten Weidemanagement, dem Vertrauen von etwa 30 beteiligten Bauern und Grundstückseignern und in Abstimmung mit Naturschutz und Landwirtschaft sichern sie eine traditionelle überaus artenreiche Kulturlandschaft und produzieren mit 80 gesunden Kühen überdies Milch für die örtliche Käserei.
Obst- und Gartenbauverein Dürrn e.V. 75248 Ölbronn-Dürrn (Enzkreis)
Mit der explosionsartigen Vermehrung der Mistel als pflanzlichem Parasit ist dem Streuobstbau im Land eine neue Bedrohung erwachsen. Mit einem beispielhaften Pilotprojekt hat sich der Obst- und Gartenbauverein Dürrn e.V. die flächenhafte Eindämmung des Mistelbefalls auf den benachbarten Gemeindemarkungen Dürrn und Ölbronn zum Ziel gesetzt. Das beispielhafte Vorgehen ist in dieser Größenordnung bisher einmalig im Land und zukunftsweisend.
Lembergerland Kellerei Roßwag eG, 71665 Vaihingen-Roßwag (Kreis Ludwigsburg)
Unter dem Titel „Steillagenkollektiv“ hat die Lembergerland-Kellerei ein neuartiges Solidaritätsmodell für die Steillagen im mittleren Enztal ins Laufen gebracht. Mit einem Namensschild an der „eigenen“ Weinbergterrasse, der Beteiligung bei Begehungen und Traubenlese sowie einer flüssigen Dividende wurden gegen einen jährlichen Solidaritätsbeitrag von 365 Euro schon über 400 begeisterte Botschafter für die Steillagen gewonnen und die nachhaltige und naturnahe Bewirtschaftung des Steillagenweinbaus vorangebracht.
»Kerner Schafwanderweg«, 71394 Kernen im Remstal (Rems-Murr-Kreis)
Mit Wanderschäferei hat er gar nichts zu tun, der „Kerner Schafwanderweg“. Auf ihm wandern nämlich die Menschen zu den Schafen, die auf den Streuobstwiesen des Remstales dafür sorgen, dass keine Rasenmäher zum Ensatz kommen und statt dessen artenreiche bunte Wiesen wachsen. Mit viel Liebe zur Kulturlandschaft leisten etwa 25 Ehrenamtliche die Arbeit mit den Tieren – verbunden mit Führungen, verschiedensten Veranstaltungen und breiter Öffentlichkeitsarbeit zu Streuobstwiesen und Schäferei.
Schäferei Christoph Röhner, 73252 Lenningen-Gutenberg (Kreis Esslingen)
Mit ihrem 300 ha großen Weidegebiet ausschließlich in Natur- und Wasserschutzgebieten bewirtschaftet die Schäferei Röhner im Grenzgebiet der Kreise Esslingen und Reutlingen Flächen von besonders hoher Artenvielfalt und Empfindlichkeit. Vom Jusi in Kohlberg bis nach Schopfloch und Bad Urach sind die beiden Herden mit Merinoschafen des Uracher Stadtschäfers Garant für behutsame Pflege besonders hochwertiger Flächen.
Pia und Rudolf Stöffler, 78736 Epfendorf-Harthausen (Kreis Rottweil)
Eingerahmt von Bannwald an einem Steilhang über der Schlichem gelegen, prägt eine kleine, aber imposante Wacholderheide im Eigentum des Hofguts Ramstein das NSG Unteres Schlichemtal. Obwohl schon einmal fast zugewachsen, wird sie nun seit langen Jahren in beispielhafter Weise vom Jungbauernpaar bewirtschaftet und vorbildlich gepflegt. Seit der Rodung des Strauchwuchses am Steilhang mähen sie jährlich im Frühjahr, entfernen Alt- und Bruchholz – alles in Handarbeit – und beweiden den Rest des Jahres mit ihrer kleinen Heidschnuckenherde.
Sonderpreis »Kleindenkmale« 2024
Jakobs Stubenmusik Markelsheim, 97980 Bad Mergentheim-Markelsheim (Main-Tauber-Kreis)
Eigentlich haben die vier Schwestern von Jakobs Stubenmusik genug zu tun in ihrer Freizeit mit dem gemeinsamen Schreiben und Singen von Liedern im Markelsheimer Dialekt bei verschiedensten Anlässen. Doch auch für ganz andere kulturelle Kleinodien engagieren sie sich ehrenamtlich seit 10 Jahren auf der Gemarkung ihres Heimatortes. Mit eigener Arbeit, aber auch mit Beauftragung und Finanzierung von Fachleuten haben sie Bildstöcke und Figuren saniert und gesichert, aber auch an geeigneter Stelle selbst neu erstellt und in bestehende örtliche Traditionen eingebunden.
Bürgerinitiative um Konrad Heydenreich und Karl Schittenhelm, 71093 Weil im Schönbuch (Kreis Böblingen)
Mit Organisationstalent, Fachkunde und der Fähigkeit, kundige Mitstreiter zu gewinnen und zu begeistern, haben es die Herren Heydenreich und Schittenhelm verstanden, die etwa 200 Jahre alte und stark geschädigte Sandsteinbrücke „Klingenstäffelebrücke“ im Schönbuch in Handarbeit grundlegend zu erneuern bzw. zu restaurieren. Durch Materialtransport per Schubkarre und Handarbeit konnten baubedingte Schäden an Wald oder Wegen vermieden werden.
Bürgerstiftung Rottenburg, Katholische Kirchengemeinde St. Moriz sowie Marinekameradschaft Rottenburg e.V., 72108 Rottenburg a.N. (Kreis Tübingen)
Mit bemerkenswerter Umsicht, Fachkunde und Begeisterungsfähigkeit hat Frau Drews es seit 2015 verstanden, die konservierende und teils erneuernde Restaurierung eines neugotischen Kreuzweges mit 14 Stationen in schwierigem Gelände zu bewerkstelligen. In einem weiteren Projekt wurde die Neugestaltung der Bildnischen über ein Wettbewerbsverfahren ermöglicht. Auf der Grundlage einer fachkundigen Schadensdokumentation mit Maßnahmenvorschlägen konnten wichtige Partner, Zuschussgeber und Helfer gewonnen werden.
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