Hrsg. durch die Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und die Stiftung Domnick durch Klaus Gereon Beuckers und Charlott Hannig. Michael Imhof Verlag Petersberg 2023. 304 Seiten, 434 Abb., Hardcover 29,95 €. ISBN 978-3-7319-1370-2
Anfang der 1990er-Jahre vererbte das Sammlerehepaar Greta und Ottomar Domnick dem Land Baden-Württemberg seinen Kunstbesitz zusammen mit der denkmalgeschützten Villa auf der Oberensinger Höhe bei Nürtingen, verbunden mit der Verpflichtung, die abstrakte Kunst zu vermitteln und mit vielfältigen Kulturveranstaltungen lebendig zu halten. Ein Stiftungskuratorium übertrug anfangs der Staatsgalerie Stuttgart die Verantwortung für diese Aufgabe, seit 2017 befindet sich dieses Gesamtkunstwerk nun in der Regie der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg. Ab diesem Zeitpunkt konnte unter der Leitung von Vera Romeu nicht nur die breitenwirksame Teilhabe an diesem kulturellen Erbe intensiviert und deren Erhalt gesichert, sondern aktuell auch mit einer umfangreichen Gesamtdarstellung der Sammlung eine schmerzliche Lücke geschlossen werden. Bisher standen lediglich die Autobiografie und zwei Kataloge von Ottomar Domnick, zwei Einführungen in die Sammlung von Werner Esser sowie aktuell ein Kunstführer (siehe Schwäbische Heimat 2023|4, S. 83) zur Verfügung. Ähnlich aufwändig wie in den zuletzt erschienenen Prachtbänden zu Schlössern wie Weikersheim oder Heidelberg stellen die Staatlichen Schlösser und Gärten nun erstmals die Sammlung des Ehepaars Domnick vollständig vor. Mit der Herausgabe des Buches, das neben dem Werkverzeichnis 16 Beiträge namhafter AutorInnen enthält, wurden Klaus Gereon Beuckers und Charlott Hannig vom Kunsthistorischen Institut der Universität Kiel betraut.
Zweifellos besteht das größte Verdienst dieser Publikation in der Katalogisierung der Sammlung Domnick. Mit der Unterstützung weiterer Mitarbeiter des Kunsthistorischen Instituts Kiel hat Charlott Hannig alle Gemälde und Plastiken der Sammlung sowie ausgewählte Arbeiten auf Papier aufgelistet, die vorhandenen Inventarangaben aktualisiert, durch Literaturangaben erweitert und durchweg farbig abgebildet. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis zur Sammlung und den darin vertretenen KünstlerInnen vervollständigt den Katalog sinnvoll. Damit ist ein Kompendium entstanden, das sowohl für den interessierten Laien als auch für die wissenschaftliche Arbeit eine wertvolle Quelle darstellt.
Klaus Gereon Beuckers fasst in seiner Einleitung alle bekannten Fakten zur Entstehung der Sammlung Domnick zusammen. Viel Neues zur Biografie des Sammlerehepaars hat Vera Romeu durch ihre Arbeit im Haus-Archiv sowie im Gespräch mit Zeitzeugen recherchiert. Sie beleuchtet deren Tätigkeit als Ärzte in der Psychiatrie und Neurologie, als Kunstsammler und Filmemacher; aber auch den Bau der Villa, ihre Begeisterung für Automobile, die Gründung des Cello-Preises und die Hintergründe der Stiftung an das Land. Dabei nicht nur Ottomar Domnick als Akteur zu würdigen, sondern den zumeist verkannten Anteil von Greta Domnick zu beschreiben, zeichnet diesen Beitrag aus.
Martin Schieder, Beat Wyss und Martina Ide beschäftigen sich in ihren Beiträgen mit unterschiedlichen Aspekten des Siegeszuges der abstrakten Kunst nach 1945 und der Rolle des Sammlerehepaars in den geistigen Auseinandersetzungen der Zeit. Der jeweils individuelle Blickwinkel auf das Thema macht die Lektüre zu einem intellektuellen Genuss, zumal sie in einigen Facetten unterschiedliche Positionen vertreten.
Der Publizist und Filmkenner Günter Minas analysiert in seinem kenntnisreichen Beitrag die Filmproduktion von Ottomar Domnick. Ein Kurzfilm und zwei Dokumentarfilme zu Kunstthemen und die fünf abendfüllenden Kinofilme werden vor allem durch die zahlreich abgebildeten und gut ausgewählten Filmstills nacherlebbar. Mit aussagekräftigen Plänen und Fotoaufnahmen illustriert Raphaela Wegers ihren Text über die Architektur des Sammlungshauses Domnick mit seiner außergewöhnlichen Verbindung von privat genutzten Bereichen und Ausstellungsräumen.
Fünf Aufsätze sind prägenden Künstlern der Sammlung gewidmet: Willi Baumeister, Hans Hartung, Pierre Soulages, Arnulf Rainer, Peter Brüning und Ferdinand Kriwet. Vorzüglich gehen dabei die AutorInnen über das Biografische hinaus auf die einzelnen Werke in der Sammlung ein. Es ist jedoch unverständlich, dass der Maler Fritz Winter fehlt. Er und seine Lebensgefährtin Margarete Schreiber-Rüffer waren bis 1955 nicht nur eng befreundet mit Domnicks, sondern hatten einen wesentlichen Anteil an Inhalt und Charakter der Gemäldesammlung.
Bei der Darstellung der Plastiksammlung stehen für den Autor Klaus Gereon Beuckers weniger die Objekte als vielmehr die Frage im Vordergrund, wer das Sammlerehepaar beim Ankauf der Stahlplastiken zwischen 1976 und 1982 beraten hat. Dabei bedauert er, dass die seiner Ansicht nach aktuellste Strömung der Zeit, die minimalistische Plastik amerikanischer Prägung, keine Berücksichtigung fand. Bedenkt man jedoch, dass die Stahlplastik noch bis in die 1980er-Jahre in Deutschland eine führende Rolle spielte, beim breiten Publikum jedoch um Anerkennung kämpfen musste, blieb sich Ottomar Domnick auch hier treu. Ihm war seine spontane Begeisterung und der intensive Austausch mit den Künstlern im Atelier das wichtigste Entscheidungskriterium. Zudem hatte er, wie in seiner Anfangszeit mit Willi Baumeister, in dem Stahlbildhauer Max Schmitz einen Berater und Gesprächspartner. Die abgedruckten Erinnerungen dieses noch lebenden Zeitzeugen sind ein eindrucksvoller Beleg dafür.
Christina Ossowski
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