Titelbild eines Buches

Wolfgang Schorlau: BLACK FOREST. Denglers elfter Fall

Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024. 443 Seiten, Paperback 18 €. ISBN 9-783-46205-139-1

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Denglers elfter Fall hat es in sich, denn er ist den Windkraft-Auseinandersetzungen gewidmet – und die eskalieren hier bis hin zum Mordfall. Der Autor hat dazu am Ort der Handlung, im Hochschwarzwald rund um den Feldberg, fleißig recherchiert, wie dem Anhang zu entnehmen ist: mit Gesprächspartnern und Gewährsleuten vom der Windenergiegewinnung zugeneigten Bürgermeister bis zum eher skeptischen Feldberg-Ranger, von den Schönauer »Stromrebellen« bis zur »Ökostromgruppe Freiburg«.

Hauptperson ist die alte Mutter von Privatermittler Georg Dengler, Bäuerin in Altglashütten. Sie darf im Text ungeniert in Schwarzwälder Mundart reden, wozu der Autor, wie er gesteht, eigens eine Übersetzerin angeheuert hatte. Zum Denglerhof gehört – Zielpunkt aller Begehrlichkeit – ein Grundstück zuoberst auf dem Feldberg, das die Mutter zunächst partout nicht hergeben will für den Bau einer Windkraftanlage. Die wollen hier freilich auch andere nicht haben, allen voran der Aufsichtsratsvorsitzende des Energiekonzerns VED, der trotz Klimakrise noch immer mehr auf Kohle, Gas und Öl setzt als auf Windstrom. Dabei bedient er sich, im Naturschutzgebiet Feldberg wie schon anderswo im Schwarzwald, eines speziellen Tricks: Der Genehmigungsbehörde wird, selbst am geplanten Standort auf dem baumfreien Feldberg, Auerhuhnkot nachgewiesen, der allerdings aus dem Gehege eines ehemaligen russischen Honorarkonsuls stammt, eines Jägers, der sich speziell für derlei Zwecke eine Auerhenne hält. Klar, dass der Auerhuhnschutz im Schwarzwald Vorrang hat vor der Windkraftnutzung.

Weil aber der Kot diesmal genetisch untersucht wird, fliegt der Schwindel auf, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf, vor allem für die Freiburger Heilpraktikerin Karola, Denglers unerwiderte Jugendliebe, die man für die Ausbringung des Hennenkots angeworben hatte. Nachdem sie sich davon losgesagt hat, wird sie oberhalb des Feldsees unweit des Felsenwegs von dem Jäger und seinen Komplizen ermordet – exakt da, wo sie einst mit dem jungen Dengler noch die Hahnenbalz verfolgte.

Nachdem die Großmutter unter dem Eindruck der von ihrem Enkel und dessen Freundin eindringlich vorgebrachten Klimaschutzargumente ihre Ablehnung des Windrads endlich aufgegeben hat, hält sie anlässlich einer Demo von Widerständlern und Befürwortern oben auf dem Feldberg eine vielbeklatschte Rede; in der Folge wird sie freilich von einer neben ihr applaudierenden EU-Abgeordneten der Grünen unabsichtlich so angerempelt, dass sie stürzt, ein Schädel-Hirn-Trauma erleidet und ins Koma fällt. Doch sie wacht im Neustädter Krankenhaus wieder auf, und nun ist auch das Happy-End nicht mehr auszuschließen, denn der Projektentwickler zieht einen für den Denglerhof äußerst lukrativen Vertrag aus der Tasche, von dem sogar die Grundstücksnachbarn profitieren werden. Jetzt gilt es natürlich, ein Familienfest zu feiern. In Kenntnis der Essgewohnheiten der mit ihren Argumenten letztlich so erfolgreichen Jugendlichen werden diesmal nicht Omas »Brägele«, sondern »veganer Nudelsalat und Gemüse« aufgetragen.

Wolfgang Schorlau hat seinen Kriminalroman im Juli 2024 abgeschlossen. Er umfasst inklusive Nachwort mit Quellenangabe, Tatsachen- und Schauplatzrecherchen 443 Seiten und hinterlässt, bei allen Verästelungen und Verschachtelungen der Handlung, den Eindruck, als ob sein Plot mit den finsteren Machenschaften des großen Energie- und Finanzkonzerns, der damit den Widerstand gegen die »Verspargelung« der Schwarzwaldlandschaft anheizt, durchaus nicht fiktiv, sondern der Realität entnommen sein könnte. Im Anhang dankt Wolfgang Scharlau u. a. Andreas Markowsky von der »Ökostromgruppe Freiburg«, dem Autor des auf Krawall gebürsteten Buchs Klimaschänder – Gewinner von gestern, Loser von heute (2021) für ein ausführliches Gespräch. Sein Fazit: »Wer denkt, das Auslegen von Auerhahnkot sei die Idee eines überdrehten Krimiautors, dem empfehle ich die Lektüre von Markowskys Buch.« Spätestens hier drängt sich dem Leser die Frage auf, hat Schorlaus Gewährsmann etwa Beweise für seine Behauptungen, oder handelt es sich um bloße Unterstellungen? Wurden Arten- und Landschaftsschutz, wurde der Schutz des »Schwarzwälder Charaktervogels« womöglich von kriminellen Akteuren unterwandert? Oder ist alles doch nur Krimi?

Wolf Hockenjos

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