Titelbild eines Buches

Gerd Schwerhoff: Der Bauernkrieg. Geschichte einer wilden Handlung

C.H. Beck Verlag, München 2024. 729 Seiten, Hardcover, 34 €. ISBN 978-3-406-82180-6

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Zu den Darstellungen des Bauernkrieges im Vorfeld des jetzigen Jubiläumsjahres zählt diese umfängliche Publikation des renommierten Neuzeit-Historikers Gerd Schwerhoff. Der Untertitel Eine wilde Handlung geht auf eine Beschreibung der sich anbahnenden Aufstandsbewegung durch die adligen Brüder von Schellenberg aus dem südöstlichen Schwarzwaldsaum zurück.

Schwerhoff sieht die Berechtigung zu seinem Buch darin, dass die bisherigen Darstellungen es nicht vermocht hätten, »dass der Bauernkrieg als ein regional übergreifendes und zeitlich konzentriertes Ereignis plastisch vor den Augen der Leser entfaltet wird.« Er will dagegen weniger dominant über die oft vor Augen geführten Ursachen reden, sondern mehr vom Zusammenspiel der Ereignisse, und so neue Perspektiven öffnen. Methodisch folgt er der »Rehabilitierung des historischen Ereignisses in der Geschichtswissenschaft«.

Seine Studie beginnt mit den zeitgeschichtlichen Voraussetzungen, Betrachtungen zu Gesellschaft, Politik und Religion und vor allem einem Blick auf die Reformation Luthers. Da der Bauernkrieg sich in den Landschaften entfaltete, folgen entsprechend nach Regionen gegliederte Großkapitel. Der Blick wandert in Kapitel 3 »Ausweitung und Bündnis« zur Bewegung in Oberschwaben mit dem wichtigen Kulminationspunkt Memmingen, der Bundesordnung und den berühmten Zwölf Artikeln. In Kapitel 5 schließen sich die Ereignisse in Oberschwaben an. Diese landschaftlichen Facetten des Bauernkrieges werden unterbrochen durch grundsätzliche Überlegungen über Luthers Position und zu verschiedenen Hauptschauplätzen. Hier finden die Entscheidungsschlachten u.a. bei Böblingen durch den Schwäbischen Bund ihren Platz. Die beiden letzten Kapitel fokussieren sich noch einmal zusammenfassend und ausblickend auf die Strafverfolgung und die Strukturen der Geschehnisse, so dass die überregionalen Wirkkräfte deutlich werden. Das Übergreifende wird aber nicht nur hier akzentuiert. Wenn sich der Verfasser zwar als Leitfaden streng an die Ereignisse in den einzelnen Landschaften hält, so spricht er doch immer wieder Querverbindungen an, z. B. durch Hinweise auf parallel stattfindende Ereignisse, die durch mündliche Berichte, aber auch durch das Medium des Buchdrucks (Flugblätter, Flugschriften) die Zeitgenossen und ihre Aktionen beeinflussten. Wohltuend ist der emotionale Abstand des Autors gegen Einseitigkeiten, Verteufelungen oder Glorifizierungen, wobei er durchaus die Exzesse eingehend analysiert. So wird er seiner Selbstverpflichtung zu einem neuen, objektiveren Bild des Bauernkrieges gerecht.

Ein wichtiger Beitrag in Schwerhoffs Buch ist die Auseinandersetzung mit der These Peter Blickles, den Bauernkrieg als »Revolution des gemeinen Mannes« zu verstehen. Darunter begriff er eine »Kollektivbezeichnung für die nicht herrschaftsfähigen Bauern, Bürger und Knappen«. Schwerhoff bestreitet das mit mehreren Argumenten: zum einen, dass die aufgeführten Gruppen nicht auf Dauer Seit’ an Seit‘ kämpften, zum anderen bemängelt er, dass der Begriff »gemeiner Mann« unscharf bleibt (S. 573). Er erörtert auch kritisch den Begriff der »Revolution«, bei der Blickle an marxistische Deutungen anknüpfte und sie pragmatisch anwandte.

Der interessante Epilog bietet einige Facetten der Forschungsgeschichte, vor allem aber der Rezeption durch die Gesellschaft und ihre Indienstnahme durch Kultur, Literatur und Politik, durch den Nationalsozialismus, noch mehr in der DDR. Der kurze Blick auf die Aneignung des Bauernkrieges beim Jubiläum 1975 bringt gleichzeitig die Ausweitung ins Heute und das Fortwirken einer Erinnerungskultur, in der sich zum Beispiel der Rückbezug auf den Bundschuh implizit in den Bauernprotesten wiederfindet.

Wolfgang Schmitz

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