Bauforschung an einer Klosteranlage des Spätmittelalters.
(Forschungen und Berichte der Bau- und Kunstdenkmalpflege in Baden-Württemberg, Band 17) Jan Thorbecke Verlag Ostfildern 2020. 432 Seiten mit 786 Abbildungen und zahlreichen Tafeln. Fest gebunden € 80,–. ISBN 978-3-7995-1454-5
Das am Ende des 11. Jahrhunderts gegründete Benediktinerkloster Blaubeuren wurde, wie alle unter württembergischem Schutz befindlichen Klöster – eine Ausnahme bildete lediglich Zwiefalten –, in der Reformationszeit aufgelöst. Der großen Kirchenordnung von 1559 entsprechend wurde auch in ihm eine zum Studium der evangelischen Theologie hinführende Internatsschule etabliert, die als Evangelisches Seminar bis heute fortbesteht und Schülerinnen und Schüler ab Klasse neun zum Abitur führt. Angestoßen von der Absicht, das Seminar auf 100 Schulplätze zu erweitern, fanden in den letzten Jahren umfangreiche, vom Landesamt für Denkmalpflege begleitete Bauarbeiten statt, die das gesamte Klosterareal betrafen. Hand in Hand mit der Instandsetzung gingen detaillierte Bauaufnahmen und Konstruktionsuntersuchungen sowie eine gründliche Bauforschung.
Mit diesen 2009 begonnenen und sich bis 2016 hinziehenden Arbeiten war Dr. ing. Christian Kayser, Geschäftsführer des Büros Barthel & Maus in München, beauftragt, der sich über die eigentliche Aufgabe hinaus auch intensiv mit der Baugeschichte beschäftigte und dabei manches bislang Unbekannte aufdecken konnte. Seine Ergebnisse finden sich nun in diesem stattlichen Buch zusammengefasst.
Kayser gliedert sein Werk übersichtlich. Jedem eigenständigen Baukörper ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Er beginnt mit dem alle vier Flügel des Klosters verbindenden Kreuzgang. Es folgen die Klosterkirche im Norden und dann im Uhrzeigersinn der Dormentbau und die Kapitelkapelle im Osten, das Refektorium mit der Brunnenkapelle im Süden und der Abteibau im Westen. Zum Abschluss wendet er sich in einem weiteren Kapitel den außerhalb der Klausur liegenden Gebäuden zu wie der Klostermauer, dem Badhaus oder dem Torgebäude. Jedes Kapitel eröffnet mit einer Beschreibung des jeweiligen Bestandes. Dem schließen sich Eckdaten zur Baugeschichte – datierende Inschriften, dendrochronologische Datierungen, Wappen, Meisterzeichen etc. – sowie eine Übersicht zur Baugeschichte an. Den Hauptteil bildet eine sehr anschauliche, ausführliche und kenntnisreiche Beschreibung der Befunde. Bei der Fülle der Baudetails aus Tafelfriesen, Holzbalkendecken, Formziegelelementen, Dachwerken werden Kultur und Handwerkskunst des Spätmittelalters gewissermaßen lebendig. Deutlich wird auch, welche Rolle monastischen Reformideen bei der Baugestaltung oder der Baukonstruktion zukam. Der Autor hebt tatsächlich einen »Schatz spätgotischer Baukunst«, wie es im Klappentext heißt.
Allein schon beim Durchblättern dieses Buches mit seinen vielen Abbildungen bekommt man Lust auf einen Besuch von Blaubeuren und nach dem Lesen weiß man, dass sich dieser nicht nur, wie die meisten denken, wegen des berühmten Hochaltars lohnt. Erstmals findet in diesem Buch die Gesamtanlage eine angemessene Würdigung. Überzeugend legt der Autor dar, dass die im Wesentlichen »zwischen 1478 und 1498, mit letzten Zufügungen in den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts« entstandene Anlage »in Größe, Anspruch und Erhaltungszustand im süddeutschen Sprachraum nicht seinesgleichen« findet. Deutlich wird, dass sich Blaubeuren in seiner kunsthistorischen Bedeutung mit Maulbronn oder Bebenhausen messen kann, ja gar durch seine stilistische Homogenität ein »Monument nationaler Bedeutung« darstellt.
Wilfried Setzler
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