Der Spitzberg ist ein zwischen dem Neckar- und dem Ammertal freistehender Bergrücken. Er erstreckt sich über eine Länge von etwa acht Kilometern westlich von Tübingen bis zum Wurmlinger Kapellenberg. Oberhalb des Tübinger Ortsteils Hirschau trägt der Hand auch den Namen Hirschauer Berg. Der durch einen Sattel abgesetzte Kapellenberg bildet mit 475 Meter ü.NN die höchste Erhebung. Droben stehet die Kapelle, schauet still ins Tal hinab… – durch dieses Gedicht von Ludwig Uhland (1787-1862) wurde die Kapelle weithin bekannt, ja berühmt.
Der Südhang des Spitzbergs mit seiner historischen Weinberglandschaft ist Naturschutzgebiet seit 1980/1990. Der Schwäbische Heimatbund besitzt am Spitzberg über 4 Hektar Grundstücke. Etwa 13% des Naturschutzgebiets Hirschauer Berg sind in seinem Eigentum. Um die Verbuschung dieser über lange Zeit hinweg nicht mehr genutzten Obstwiesen aufzuhalten, sind ständig Pflegeeinsätze erforderlich.
Ein Höhenzug mit langer Geschichte
Der Spitzberg liegt in der Stufe des Mittleren Keupers. Entstanden ist diese Landschaft seit Ende der Jurazeit vor etwa 140 Millionen Jahren. Abgetragen wurden besonders die weichen Gesteinsschichten, die widerstandsfähigen sind gewissermaßen freipräpariert worden. So konnte sich diese Schichtstufenlandschaft bilden. Es gibt in ganz Schwaben keinen originelleren Keuperzug als diesen. Eine leuchtend blutrote Farbe zeigen die Bunten Mergel, in die oftmals Kieselsandstein-Bänke eingeschoben sind. Die Bunten Mergel tragen auch die Rebstöcke. Deutlich kann man die scharfe Grenze zwischen den Oberen Bunten Mergeln und der ersten Bank des Stubensandsteins unterhalb der Friedhofsmauer der Wurmlinger Kapelle studieren.
Weite Teile der Abhänge des Spitzbergs bestehen aus einem Mosaik offener Trockenrasen und – je nach Alter – niedriger oder höherer Gebüsche. Trockenmauern aus Keupersandsteinen entlang der Wege und in den Parzellen sowie stellenweise kunstvoll gebautes Gestäffel weisen auf die früher durchgehende Nutzung als Weinberge hin. An den steilen und klimabegünstigten Südhängen des Spitzbergs wurden im Mittelalter die Wälder gerodet und die ersten Weinberge angelegt. In Wurmlingen wird der Weinbau vor 1213 erwähnt, er geht aber bestimmt bis auf das Jahr 1150 zurück.
Seit 1299 wird in Hirschau Weinbau betrieben. Die Weinberge wurden in kunstvollen Terrassen mit Sandsteinmauern und -staffeln auf dem gesamten Südhang von Wurmlingen bis Tübingen angelegt. Eigentümer waren vorwiegend Klöster, Pfarreien und Kaplaneien sowie die Pfalzgrafen von Tübingen und die Grafen von Hohenberg, später Württemberg und Vorderösterreich. Während der Blütezeit war dieser Landstrich eine bedeutende Weinbauregion.
Pflanzenwelt
In der aufgelassenen Weinbergslandschaft sind 2000 wärmeliebende Pflanzenarten dokumentiert. Die seltenen Pflanzen- und Tiergesellschaften sind bedingt durch den geologischen Aufbau mit dem steilen Abtragungshang, durch die warme Südlage mit bis zu 72 Grad Celsius Bodentemperatur bei relativer Niederschlagsarmut und nicht zuletzt durch die kulturschaffende Hand des Menschen. Der Weinbau hat dafür gesorgt, dass sogar mediterrane Elemente Einzug halten konnten. Die Florenliste der höheren Pflanzen mit 880 Arten weist auch übriggebliebene Formen der nacheiszeitlichen Warmzeit auf und wird charakterisiert durch Steppenpflanzen und südeuropäische Pflanzenarten. Zu erwähnen sind hier die pannonisch-mediterranen Vertreter wie Siebenbürger Perlgras, Zottige Fahnenwicke oder die Ungarische Platterbse. Sie werden begleitet von Orchideen und Enzianen, von verwilderten Gewürz- und Küchenkräutern, Heil- und Zierpflanzen. Zahlreiche Pflanzengesellschaften sind ausgebildet: Trocken- und Halbtrockenrasen, Steppenheide, Gebüsch- und Saumgesellschaften, Waldgesellschaften, Pflanzengemeinschaften ehemaliger Rebhänge, Pioniergesellschaften, Hackunkrautfluren, Weinbergsmauern und Mähwiesen.
Tierwelt
Durch eine noch größere Artenfülle ist die Tierwelt gekennzeichnet; es sind in einer Monographie über das Gebiet (siehe unten) rund 4.000 Tierarten dokumentiert: darunter 88 Arten von Schnecken, die Hälfte davon wärmeliebende Vertreter, einige sogar nur noch an diesem Standort. Die Käfer sind mit rund 1.300 Arten vertreten, fast 200 Arten umfassen die Hautflügler, darunter ebenfalls zahlreiche mediterrane, submediterrane und südlich-thermophile Arten. Reich ist auch die Schmetterlingsfauna mit 410 Arten, 35 Prozent wärmeliebend, zahlreiche Arten mit südlicher und pannonischer Verbreitung. Die meisten der heimischen Amphibien, Reptilien, Säuger und Vögel haben hier ihren Lebensraum.
Regelmäßige Pflege für den Artenreichtum
Schutzzweck der beiden Naturschutzgebiete am Südhang des Spitzbergs ist die Erhaltung der vielseitigen Flora sowie der mit den Pflanzengemeinschaften eng verbundenen äußerst artenreichen Fauna. Die Verordnung verbietet alles, was zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung der Schutzgebiete führen kann. Dennoch ist der Hirschauer Berg durch die ehemaligen Weinbergswege gut erschlossen, so dass fast alle Besonderheiten vom Weg aus während einer Wanderung studiert werden können. Eine große Gefahr für das Gebiet war das ständige Vorrücken des Waldes durch Selbstaussaat von Kiefern und Robinien sowie die Verbuschung durch Schlehen. Ließe man der Natur ihren Lauf, so würde sich der Wald bald sein ehemaliges Terrain wieder erobert haben. Daher wurden Pflegepläne erarbeitet, und in regelmäßigen Pflegeeinsätzen wird der Wiederbewaldung und Verbuschung Einhalt geboten.
Das »Internationale Jugend-Workcamp« am Spitzberg
Regelmäßig kommen jeden Sommer für zwei bis drei Wochen junge Menschen aus aller Herren Länder am Hirschauer Berg zusammen, um ein Stück alte Kulturlandschaft in Ordnung zu bringen. Träger des Workcamps ist der Service Civil International, kurz SCI, ist eine gemeinnützige, internationale Organisation, die sich durch Freiwilligenarbeit für Frieden, gewaltfreie Konfliktlösung, soziale Gerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung und interkulturellen Austausch einsetzt. Die Pflegeeinsätze werden von einem Fachbetrieb, dem Regierungspräsidium Tübingen und der Ortschaftsverwaltung unter Einbeziehung des Schwäbischen Heimatbunbdes organisiert und gesteuert.
Sonderpublikation
Über die Schutzgebiete des Schwäbischen Heimatbundes gibt es ein Sonderheft der Schwäbischen Heimat. (1991). Es ist bei der Geschäftsstelle zum Preis von 4,- Euro erhältlich.
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