Titelbild eines Buches

Jürgen Blümle: Baumschätze.

Zu Besuch bei den 500 ältesten und bedeutendsten Bäumen Baden-Württembergs

Oertel + Spörer Reutlingen, 2. Aufl. 2023. 600 Seiten, zahlreiche Abb. Hardcover 100 €. ISBN 978-3-96555133-6

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Um es vorweg zu sagen: ein Prachtband, eine Augenfreude und ein Wissensschatz. Das Buch wird jeden und jede sofort in Bann ziehen, sofern man nur einen Hauch Begeisterungsfähigkeit und Interesse für Natur und Landschaft, insbesondere für alte Bäume hat. Dabei handelt es sich hier nicht um eine Art Guinness-Buch der superlativen Bäume weltweit – sondern um bedeutende alte Bäume und Baumdenkmale in Baden- Württemberg: Sie sind für uns aufsuchbar, sind verbunden mit der Landesgeschichte und Landeskultur.

Der Autor Jürgen Blümle, Jahrgang 1954, arbeitete bis 2020 in einem großen Medienunternehmen in Leinfelden bei Stuttgart und sammelt, wie über ihn gesagt wird, Baumveteranen in Baden- Württemberg »wie andere Leute Briefmarken«. Die jetzt in aktualisierter Auflage erschienenen Baumschätze sind fraglos ein Lebenswerk. Sie stehen, so der Verlag, in »der Nachfolge der großen Baumsammlungen aus den Jahren 1908 (Bäume in Baden) und 1911 (Schwäbisches Baumbuch) sowie zwei weiteren Aktualisierungen in den Jahren 1978 (Wolf Hockenjos) und 1995 (Hans Joachim Fröhlich).«

Jedem in dem Band dokumentierten Baum ist eine Doppelseite gewidmet, mit einem großformatigen Bild und weiteren kleinerformatigen Bildern, dazu einem beschreibenden Text, der seine Besonderheiten wie Standort, Gesundheit, evtl. vorhandene Sicherungen, Wuchsform, besondere Wurzel- oder Rindenbildungen etc. eingeht. Vor allem aber nennt Blümle die lokalen Eigennamen der Bäume und geht auf die tradierten Geschichten ein, die er bei Bedarf auch korrigiert, wenn z.B. geradezu mythische Altersangaben aufgrund vorhandener dokumentarischer Quellen oder einfach wissenschaftlich nicht haltbar sind. Ein Infokasten nennt zu jedem Baum die Baumart in der lateinischen Bezeichnung, den Landkreis, eine kurze Standortbeschreibung, die genauen Geodaten, das ungefähre Alter und den Stammumfang mit Jahr der Messung.

Der Band gliedert das Bundesland regional in vier große Kapitel vom Nordwesten bis Südosten, jedem ist eine Doppelseite mit Karte und Legende vorangestellt, der zu entnehmen ist, an oder bei welchen Orten welche Bäume dokumentiert und beschrieben sind. Diese Karten sind, zusammen mit den Geodaten zu jedem einzelnen Baum, eine wunderbare Einladung für den Leser oder die Leserin, bestimmte Bäume aufzusuchen: sei es vor der eigenen Haustür, sei es im Rahmen geplanter Touren.

Auf den 600 Seiten der Baumschätze werden 96 Baumarten vorgestellt, einigen begegnet man also relativ häufig, manchen nur selten. Ein Blick in das Baumartenregister am Ende des Buches zeigt die Verteilung: Am stärksten vertreten sind die Sommerlinde, die Stieleiche und die Rotbuche. Relativ oft kommen der Bergmammutbaum, die Gewöhnliche Esche, der Riesen-Lebensbaum, die Silberpappel und die Kastanie vor. Von den vielen mit nur je einem oder wenigen Einträgen genannten Baumarten sei die Mehlbeere als Baum des Jahres 2024 genannt: zwei bedeutende alte Exemplare dokumentiert Blümle im Landkreis Reutlingen, ein weiteres im Landkreis Waldshut.

Was viele am meisten interessiert: Wie alt ist ein Baum wirklich, wie lässt sich das Alter feststellen? In einem leicht verständlichen Vorspann erläutert Blümle ausführlich methodologische Grundlagen und wichtige Kriterien. Aus allem leitet er zur Berechnung eine »verfeinerte Altersformel« ab. Eine Tabelle der Baumarten listet den jährlichen mittleren Zuwachs des Stammumfangs auf (geführt vom Riesenmammutbaum mit 7,5 cm und der Eibe als Schlusslicht mit 0,7 cm pro Jahr). Ein Ortsregister erschließt den Band zusätzlich. Das zwei Seiten lange Literaturverzeichnis nennt auch einschlägige Websites, und die über 40 Namen und Institutionen auflistende Danksagung lässt nur erahnen, wie viele Fachgespräche zum Entstehen dieser umfassenden Dokumentation beigetragen haben.

Blümles Anliegen, die Augen für Bedeutung und die Schutzbedürftigkeit der alten Bäume zu öffnen, wird der Band mehr als gerecht. Die persönliche Note in den Beschreibungen tut dem dokumentarischen und sachlich fundierten Wert des Buches keinen Abbruch, sondern ist ganz im Gegenteil wohltuender Ausdruck von Respekt vor diesen alten Naturdenkmalen. Ein Respekt, der auch in dem Titelzusatz »Zu Besuch bei …« zum Ausdruck kommt – wie auch in den hunderten hervorragenden Fotografien, die nie einer übertriebenen Photoshop-Manie erliegen, sondern unaufgeregt und ausdrucksstark die Individualität jedes alten Baumes zeigen. Und dies erfreulicherweise zu den verschiedensten Jahreszeiten.

Die Baumschätze sind ein Band, für den man nicht auf Ostern oder Weihnachten warten sollte, um ihn sich oder anderen zu schenken. Wer darin liest und sich in die Bilder versenkt, hat bei der nächsten Wanderung offenere Augen und mehr Wissen im Kopf – und einen Schatz in der eigenen Bibliothek.

Hanne Knickmann

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