Titelbild eines Buches

Jörg Krauss, Patricia Peschel: „Bis wieder die Sonne kam“

Das Wirken von Catharina Pavlovna (1788–1819) als Königin von Württemberg (reg. 1816–1819)

Schnell & Steiner Verlag, Regensburg 2021. 144 Seiten mit 79, meist farbigen Illustrationen. Klappenbroschur 25 €. ISBN 978-3-7954-3628-5

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Dass Königin Catharina Pavlovna in ihrer kurzen Regierungszeit viele und nachhaltige Maßnahmen in die Wege leitete, um dem krisengeschüttelten Württemberg nach den napoleonischen Kriegen und der Hungersnot von 1816/17 wieder aufzuhelfen, ist Kenner*innen der Landesgeschichte nicht neu. Das Verdienst der vorliegenden Veröffentlichung besteht in der detaillierten Beschreibung, wie sie dabei vorging. Intensiv greift die (Kunst-)Historikerin Patricia Peschel, Oberkonservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, auf Archivalien zurück, die, ausgiebig zitiert, hier zum Teil erstmals veröffentlicht werden. Mit Akten und Akteuren, historischen Ansichten und Accessoires führt der großzügig illustrierte Band uns Catharina und ihr Wirken lebendig vor Augen.

Zügig nahmen König und Königin gleich nach dem Regierungsantritt Wilhelms I. 1816 ein ehrgeiziges Reformprogramm in Angriff. Catharina entwickelte vor allem im sozialen Bereich ein durchdachtes System nachhaltiger Hilfen. Damit ging ihr Engagement weit über die von einer Fürstin traditionell erwartete Wohltätigkeit hinaus. Sie verpflichtete erfahrene Armenfürsorger, aber Briefe, Notizzettel, Aufstellungen und Sitzungsprotokolle belegen, dass sie nicht nur Vorgaben machte, sondern sich selbst mit ganzer Kraft in die Arbeit kniete. Auch die dicht aufeinanderfolgenden Eröffnungsdaten ihrer Gründungen beweisen ein Respekt einflößendes Arbeitspensum. Nach einem biografischen Kapitel werden Catharinas Gründungen dargestellt, die bzw. deren Nachfolgeorganisationen heute noch bestehen, so das Wohlfahrtswerk Baden-Württemberg und die spätere Württembergische Landessparkasse, die heutige LBBW-Bank.

Der Wohltätigkeitsverein sollte als zentrale Stelle die Maßnahmen im ganzen Königreich bündeln. Neben engagierten Damen der Gesellschaft bestand die Zentralleitung aus kirchlichen Würdenträgern und hohen Beamten des Finanz-, Justiz- und Polizeiwesens. Diese gewährleisteten als Amtsträger den direkten, persönlichen Kontakt zu den einschlägigen Behörden. Finanziert wurde der private Verein aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden, an denen sich das Königshaus mit größeren Summen beteiligte. Der Wohltätigkeitsverein machte sich die Verwaltungsstruktur des Königreichs zunutze, indem er sich in die Oberämter und lokalen Behörden verzweigte und die Amtsinhaber in die Vereinsarbeit einband. Um Bedarfe zu ermitteln, Fortschritte zu erfassen und Informationen weiterzugeben, wurden vorgedruckte Formulare benutzt, die detailliert auszufüllen und direkt an die Königin zu schicken waren. Wöchentliche Sitzungen unter Catharinas Vorsitz ermöglichten schnelles Eingreifen.

Das Hilfsprogramm beschränkte sich nicht auf unmittelbare Notlinderung wie Armenspeisung und Brennholzspenden, vielmehr sollten Bedürftige befähigt werden, sich selbst zu helfen – auch um Betteln, Vagabundieren und Kriminalität zu verhindern. Im ganzen Land wurden Armen-Beschäftigungsanstalten und Armen-Industrieanstalten gegründet, um die sich die von Catharina angeregte Königliche Armencommission kümmerte. Diese wurde dem Innenministerium unterstellt. Damit war die Armenpflege, die bis dahin jeder einzelnen Gemeinde oblag, als staatliche Aufgabe verankert. In der Leitung der Kommission waren Mitglieder der Zentralleitung des Wohltätigkeitsvereins vertreten, was einen engen Austausch der Gremien ermöglichte. Ebenso im Vorstand der neu gegründeten Spar-Casse für Kleinsparer. Dort sollten die ärmeren Bevölkerungsclassen im ganzen Land ihre Nothpfennige sicher und günstig anlegen, statt sie auszugeben.

Ein umfassendes Bildungssystem sollte jedem Kind die für seinen Stand angemessene Bildung vermitteln. In Kinder- Beschäftigungsanstalten, Arbeits- und Industrieschulen lernten Mädchen Stricken, Nähen und andere Textilarbeiten, die Jungen handwerkliche Fertigkeiten. Für Blinde und Taubstumme entstanden Einrichtungen, in denen sich Kinder, trotz ihrer Einschränkungen, auf ein eigenständiges Leben vorbereiten konnten. Für Töchter aus den gebildeten Ständen rief die Königin das heute noch existierende Königin-Katharina-Stift in Stuttgart ins Leben, eine nach modernen, dem Schweizer Pädagogen Pestalozzi folgenden Erziehungsprinzipien ausgerichtete Mädchenschule. Für die Kinder aus dem Volk initiierte sie neben einer Nachhilfeschule und einer Industrieschule einen neuen Schultyp, die eher praktisch ausgerichtete Mittelschule, aus der sich die Realschule entwickelte.

Nach Catharinas frühem Tod sah Wilhelm es als seine heilige Pflicht an, das begonnene Werk in ihrem Sinn fortzusetzen. Das war umso eher möglich, als Catharina durch die Einbindung von Verwaltungsbehörden und staatlichen Stellen die Voraussetzung geschaffen hatte, dass die Arbeit unabhängig von ihrer Person weitergehen konnte. Mit Geschick und Menschenkenntnis hatte sie tüchtige, engagierte Sachverständige für ihre Gründungen gewonnen und ein haltbares personelles und institutionelles Netzwerk geschaffen.

Das bis heute tradierte Gerücht, Catharina habe sich auf einer stürmischen Kutschfahrt bei der Verfolgung ihres angeblich fremdgehenden Gemahls eine tödliche Erkältung zugezogen, entkräftet Peschel, gestützt auf ärztliche Befunde. Nach diesen fiel die junge Königin einem Schlaganfall zum Opfer, den womöglich eine Gesichtsrose ausgelöst hatte. Im Schlusskapitel von Co-Autor Jörg Krauss, Ministerialdirektor im Finanzministerium, verwandelt sich Catharina unter dessen Blick auf die verwaltungstechnischen Aspekte ihres Wirkens vollends: von der tragisch früh verstorbenen, wohltätigen Landesmutter in eine effiziente, innovative Sozialpolitikerin. Unromantisch, aber interessant.

Dorothea Keuler

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