Titel eines Buches

Die Geburt des modernen Journalismus. Schubart und Wekhrlin

Nicole Bickhoff, Wolfgang Mährle und Barbara Potthast (Hrsg.): Die Geburt des modernen Journalismus. Christian Friedrich Daniel Schubart und Wilhelm Ludwig Wekhrlin. (Schriften der Schubart-Gesellschaft Bd. 2). Hiersemann Verlag, Stuttgart 2024. 214 Seiten. Hardcover 59 €. ISBN 978-3-7772- 2419-0

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Die 2019 gegründete Schubart-Gesellschaft legt nun bereits den zweiten Band ihrer Schriftenreihe vor. Nachdem 2022 das Verhältnis Schubarts zur Französischen Revolution im Mittelpunkt stand, liegt der Fokus nun auf dem Zeitschriftenherausgeber. Zudem wird mit Wilhelm Ludwig Wekhrlin (1739–1792) ein weiterer Publizist in die Betrachtung einbezogen. Auch erweitert sich das Themenspektrum diachron, denn es wird gefragt, welche Stellung ihnen in der Geschichte des Journalismus zukommt.

Die Herausgeber des Bandes, Barbara Potthast, Stuttgarter Literaturwissenschaftlerin und 2. Vorsitzende der Gesellschaft, sowie Nicole Bickhoff, die ehemalige Leiterin des Hauptstaatsarchivs, und Wolfgang Mährle, dessen stellvertretender Leiter, stellen sich in der Einleitung dieser Problematik. Eine Geschichte des Journalismus, die unter Fachkreisen allgemeine Akzeptanz gefunden hätte, existiere nicht. Unter den Historikern bestehe Einigkeit insoweit, dass man »die Entstehung der bürgerlichen Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert als entscheidenden Impuls für den modernen Journalismus« ansehen müsse.

In diesem Zusammenhang kommen Schubart und Wekhrlin ins Spiel, denn eine Befreiung von der politisch-autokratischen Vormundschaft war nur möglich, wenn »zur Konfrontation bereite, streitbare Persönlichkeiten« vorhanden waren, »Autoren, die für ihre Überzeugungen […] ein hohes Maß an persönlichem Risiko auf sich nahmen und große Resilienz besaßen« (S. 4). Und da Schubart und Wekhrlin »weder in der Geschichte des Journalismus noch in der Aufklärungsforschung eine nennenswerte Rolle« (S. 6) spielten, sei es eine lohnende Aufgabe, beide Autoren mit ihren Zeitschriftenprojekten in den Blick zu nehmen.

Die zehn Beiträge des Bandes gehen auf eine Konferenz zurück, die im April 2022 in Stuttgart stattfand. Eröffnet wird der Band mit einem Vergleich der Biografien von Schubart und Wekhrlin, den Wolfgang Mährle vornimmt. Beide Autoren gehören derselben Generation an und setzten sich mit ihren Zeitschriftenprojekten für eine kritische Öffentlichkeit ein. Trotz Verfolgung und Inhaftierung glaubten sie an den aufgeklärten Absolutismus. Über »Schubart und Wekhrlin« in Haft handelt Milan Kuhli, damit zugleich einen Beitrag »Zur Rechtsgeschichte landesherrlicher Verhaftungen im späten 18. Jahrhundert« liefernd. Der im Mai 2024 verstorbene Holger Böning gibt in seiner Studie einen Überblick über »Die Geburt des Journalismus« und mithin über dessen Vorgeschichte seit dem 16. Jahrhundert, um dann das Wirken von Schubart und Wekhrlin als besondere journalistische Meisterleistungen zu würdigen. Ein außergewöhnliches Thema wählte Andreas Bässler, denn er stellt das Wirtshaus als besonderen Bezugspunkt für die Beschaffung und Verbreitung von Informationen heraus. Mit Jürgen Wilke nahm ein langjähriger Experte für Presseforschung das Wort auf der Konferenz; er sprach ausführlich über den »Journalismus bei Wilhelm Ludwig Wekhrlin«, konkret über: »Gattungen, Ziele, Quellen, Inhalte, Formen, Konflikte«. Für ihn ist der Aufklärer »ein Verfechter, zumindest ein Vorläufer, der Idee von der Presse als ›vierter Gewalt‹ im Staat« (S. 135). Barbara Potthast sucht nach Anhaltspunkten und Belegen für eine politisch radikale Position bei dem Autor und findet bei ihm Merkmale eines »Untergrundliteraten« (S. 145). Das »Porträt einer Zeitschrift Wekhrlins«, die zwischen 1784 und 1787 erschien und den einschüchternden Titel Das Graue Ungeheuer trug, zeichnet Stefan Knödler. Das Verhältnis Wekhrlins zur Französischen Revolution untersucht Georg Seiderer in seinem Beitrag, wobei er sich auf die Ansbachischen Blätter stützt, die zwischen August und Oktober 1792 erschienen sind. Ziel des Unternehmens sei es gewesen, vor allem die Informationsbedürfnisse in einer in Bewegung geratenen Zeit zu befriedigen. Um das Verhältnis von Nationalismus und transnationaler Öffnung bei Schubart geht es in der Studie von Michael Hofmann. Der Patriotismus des Aufklärers sei bedingt gewesen durch die französische Kultur-Überfremdung; angesichts der Französischen Revolution gab er seine frankophobe Haltung auf. Die letzte Studie des Bandes beschäftigt sich wieder mit beiden Journalverfassern: Dirk Niefanger schaut auf »Schubart und Wekhrlin als Theaterjournalisten«.

Die Frage, ob »Die Geburt des modernen Journalismus« (allein) mit dem Wirken Christian Friedrich Daniel Schubarts und Wilhelm Ludwig Wekhrlins zusammenfällt – der Titel könnte es nahelegen –, wird man nach der Lektüre des Sammelbandes nicht uneingeschränkt bejahen wollen. Doch es sind Quellen zahlreich beigebracht und kluge Gedanken zum Thema geäußert worden, die in die zukünftige Beschäftigung mit der Geschichte des Journalismus und der Publizistik der Aufklärung einfließen werden, ja müssen.

Uwe Hentschel

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