8 Grad Verlag, Freiburg 2024. 208 Seiten mit Abb. Hardcover 35 €. ISBN 978-3-910228-45-0

Als »erzählendes Sachbuch« bezeichnet der Verlag das Buch. Man könnte es auch Geschichtsbuch der Erzeugung und erfolgreichen Vermarktung von Jörg Geigers Schaumwein aus der Champagner- Bratbirne und anderen köstlichen Obst- Getränken nennen. Der Schwäbische Heimatbund hat an diesem Erfolg auch ein bisschen Anteil, war Jörg Geiger doch in seinen Anfängen 2001 Preisträger des Kulturlandschaftspreises, was seinem Vorhaben gewaltigen Auftrieb gab. Was zwischenzeitlich aus diesen Anfängen geworden ist, wird in dem Buch ausführlich beschrieben. Nebenbei: Die beiden Geiger sind nicht verwandt, jedoch beide gebürtig inmitten des Streuobstparadieses im Albvorland.
»Die Landschaft verändert sich, weil die Welt sich verändert hat.« Diesen Satz (S. 28) muss man sich einprägen, wenn man das Auf und Ab der Streuobstwiesen verstehen will: Um 1900 als Nachfolgekultur des klimatisch problematischen und dazuhin unwirtschaftlich gewordenen Weinbaus gegründet, verlor der Obstbau schon fünf Jahrzehnte später in veränderter Marktsituation seine Bedeutung und ging drastisch zurück. Eigenen Most erzeugen und trinken ist unmodern geworden, und so sehen die verbliebenen landschaftsprägenden Streuobstwiesen landauf, landab ziemlich lückig, überaltert, oft mangelhaft gepflegt und irgendwie aus der Zeit gefallen aus. Dazuhin ist das Wissen um Sorten, Anbauverhältnisse und Verwendung des Obstes im großen Stil verloren gegangen, so dass weite Teile der Obstwiesenlandschaft, wo sie nicht der Freizeitnutzung dienen, als »Ausschussland« bezeichnet werden und als Bauland herhalten müssen.
Jörg Geiger aus Schlat ist es hoch anzurechnen, dass er versucht hat, konsequent gegenzusteuern und den alten Obstsorten die Bedeutung zurückzugeben, die sie verdienen. Sein Kampf um den Sortennamen Champagner-Bratbirne hat ihn und die von ihm hergestellten Produkte bekannt und berühmt gemacht. Der Weg zum Erfolg war steinig, und wenn heute die Geigerschen Spezialitäten in den Regalen großer Einkaufsmärkte und Feinkostgeschäften neben edlen ausländischen Produkten stehen, so kann man daraus ersehen, dass die Nachfrage nach feinen alkoholischen und antialkoholischen Regionalprodukten bei qualitativ gutem Angebot durchaus floriert.
Der Weg, den Jörg Geiger in den vergangenen drei Jahrzehnten gegangen ist, wird in dem »erzählenden Sachbuch« eingehend beschrieben. Der anfängliche Kampf um die letzten alten Apfel- und Birnbäume spezieller Mostobstsorten, die Pflege der Bäume und Obstwiesen, die Nachzucht bewährter Sorten, das Anpflanzen von Jungbäumen, deren Pflege, die Ernte, die Keltertechnik und schließlich die Vermarktung werden gut und anschaulich dargestellt. Dabei wird nicht nur die Produkterzeugung beschrieben, auch die Auswirkung des Streuobstbaus auf die Landschaft des Albvorlandes ist wichtig. Schöne, meist großformatige Landschafts- und Detailfotos zeigen, dass der traditionelle Obstanbau eine reizvolle, geradezu idyllische Kulturlandschaft schafft.
Jörg Geiger ist Perfektionist. Er setzt auf den Reichtum der alten Apfel- und Birnensorten und verfeinert seine Produkte laufend – wie es übrigens die Alten ursprünglich auch gemacht haben. Gewürzbeimischungen und allerlei Experimente mit Aromen sorgen für sehr individuelle Geschmacksrichtungen, doch nach wie vor ist eine gute Sortenwahl, Baum- und Bodenpflege das A und O für gute Erzeugnisse.
Das »erzählende Sachbuch» liest sich leicht und ist rundum informativ; der Untertitel »Vom Geschmack einer Landschaft« macht deutlich, dass der Streuobstbau – richtig betrieben – ein unverwechselbares Charakteristikum der Obstwiesengegend ist und von Einheimischen wie auch Ausflüglern und Touristen geschätzt wird. Das Buch beweist: Streuobstanbau ist ein Markenzeichen und gerade noch rechtzeitig vor dem Untergang bewahrt und zu neuer Blüte gebracht worden.
Das Buch ist schön und gut, hätte aber ein besseres Lektorat verdient: Ein auf dem Kopf stehendes Foto (S. 34), geschichtliche Unzulänglichkeiten (z. B. S. 114, Bäume aus königlicher Baumschule seien über das ganze Herzogtum verbreitet worden), naturkundliche Fehler (z. B. S. 91, die Wilde Möhre ist kein Neophyt) und Tippfehler sollten bei einer Zweitauflage korrigiert werden.
Reinhard Wolf
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