Mit 2.600 Hektar ist das Pfrunger-Burgweiler Ried das zweitgrößte Moor Südwestdeutschlands. Es liegt an der Nahtstelle der Landkreise Sigmaringen und Ravensburg. Etwa neun Kilometer lang erstreckt sich die vermoorte Talaue zwischen Ostrach und Wilhelmsdorf. Seinen Namen erhielt das Feuchtgebiet von den Pfarrdörfern Pfrungen und Burgweiler, deren Gemarkungsgrenzen tief in die Riedlandschaft vorstoßen.
Etwa 180 Hektar dieses Naturschutzgebiets sind im Besitz des Schwäbischen Heimatbundes. Die Flächen umfassen damit weit mehr als die Hälfte aller SHB-eigenen Schutzgebiete.
Was das Pfrunger-Burgweiler Ried so bedeutsam macht, ist seine Tier- und Pflanzenwelt in einer von Menschenhand nicht nur über Jahrhunderte sondern über Jahrtausende geformten Kulturlandschaft. Zahlreiche archäologische Funde zeugen von steinzeitlicher Besiedlung, von der Jagd in vorgeschichtlicher Zeit, vom Leben der Bauern im Mittelalter und vom Torfabbau bis weit in die Gegenwart. Darüber hinaus führt uns die Geologie des Gebiets bis weit zurück in die Eiszeit.
Das Naturschutzgebiet
Etwa 2600 ha groß ist die vermoorte Talaue zwischen Ostrach und Burgweiler im Nordwesten sowie Wilhelmsdorf und Fleischwangen im Südosten. Früher auf Württemberg, Baden und Preußen verteilt, gehört heute die nördliche Hälfte zum Landkreis Sigmaringen, die südliche zum Landkreis Ravensburg. Das ca. 9 km lange und 3 km breite Pfrunger-Burgweiler Ried – nach umliegenden Dörfern benannt – gilt als das zweitgrößte Moor in Südwestdeutschland. Es wird flächenmäßig nur noch vom mehr als 3000 ha großen Federseeried übertroffen. Im Gegensatz zu diesem Moor, welches im Bereich der Altmoräne angesiedelt ist, hat sich das Pfrunger Ried auf Jungmoränengrund der Würmvereisung entwickelt.
Die mittlere Höhenlage beträgt 610m, die umgebenden Randhöhen steigen bis 718 m (Rinkenburg) bzw. 833 m über NN (Höchsten) an. Es sind tertiäre Molasse-Riedel, die ihre exponierte Stellung in der Jungmoränenlandschaft den fest verbackenen alteiszeitlichen Nagelfluh-Decken verdanken. Während solche Höhenzüge die Flanken bilden, wurde das Tal bei Ostrach und Wilhelmsdorf von Moränenwällen der Würmeiszeit verriegelt.
Das durch Gletscherschub und Schmelzwasser- arbeit tief ausgeräumte Becken trägt heute über den tertiären Pfohsanden im Untergrund etwa 70 m eiszeitliche Sedimente. Die oberste Schicht aus See- oder Beckenton entstammt den Trübstoffen der Gletschermilch, die in diesem Moränenstausee zur Klärung kam. Sie dichtete das Becken zum kiesigen Grund hin ab. Der See war gesichert.
Der See wird zum Moor
Vor etwa 12.000 Jahren schmolz, infolge Klimaveränderung, auch der Rheingletscher dahin. Seine Ausläufer zogen sich in Richtung Bodensee zurück und verloren ihren Einfluss auf das weitere Geschehen zwischen der Äußeren und Inneren Jungendmoräne (Würm I und Würm II). Das Postglazial (Nacheiszeit) hatte begonnen. Den Pfrunger See speisten nun die Zuflüsse von den Randhöhen. Sie führten u.a. chemisch gelösten Kalk in das Becken, der in den eiszeitlichen Geschiebemergeln des Einzugsgebietes reichlich vorhanden war. Er wurde ausgefällt und lagerte sich als amorphe Seekreide oder Kalkmudde ab.
Leben erfüllte schließlich den verflachenden See. Es waren vornehmlich einzellige Algen, also niedere Pflanzen, die den Kreislauf eröffneten. Den Wasserschwebern aus dem Pflanzenreich folgte das Zooplankton, das den Nährstoffkreislauf in Schwung brachte. Armleuchter-Algen überzogen als „grüne Wiesen“ den Seegrund. Das Gewässer wurde zusehends flacher und nährsalzreicher – der See alterte. Höhere Tiere wie Schnecken, Muscheln, Amphibien und Fische wanderten ein. Während Schwimm- und Tauchblattgewächse das offene Wasser eroberten, besetzte das Röhricht den Uferbereich und bildete dort einen Verlandungsgürtel. Sie alle, ob Seerosen, Laichkräuter, Wasserschlauch, Seggen, Simsen, Schilf oder Rohr, produzierten die Biomasse, die man – im nunmehr fossilen See – als Torf vorfindet.
Der Mensch verändert die Natur
Dieses äußerst vitale Ökosystem Hochmoor hatte schließlich mehr als die Hälfte, möglicherweise sogar zwei Drittel der Gesamt-Riedfläche erobert. Dass wir bis vor einigen Jahren nur mehr Fragmente dieser einstigen Herrlichkeit vorfanden, ist das Produkt menschlichen Bemühens, die Natur zu zähmen und zu nützen. Von der ehemals 2.600 ha großen Moorwildnis wurden rund 2.000 ha in Grünland überführt, 360 ha waren mit Birkenbruchwald oder Forst bestockt, 100 ha verwandelten die Torfstecher in Wasserflächen. Nur 130 ha waren bis vor wenigen Jahren – bis zur Wiedervernässung des Rieds – noch weitgehend ungestörte Hochmoor-Biotope.
Die Natur verschafft sich wieder Raum – wir helfen ihr dabei! Der SHB fördert die Renaturierung der Wiesen in wertvollere Moor-Biotope
Und noch eine Erkenntnis dieser langjährigen Untersuchungen sei hier angefügt: Die Natur ist stark, vitaler als wir ahnen. Zieht sich der Mensch irgendwo aus dem Moor wieder zurück, vernarben die Wunden rasch, besetzen Pflanzen und Tiere neuerlich die entstandenen Nischen. Das berechtigt zur Hoffnung für die Renaturierung der in den vergangenen Jahren vom Naturschutz erworbenen Flächen.
Die schon im Jahr 1938 eingeleiteten Schutzbemühungen haben zwischenzeitlich zu einer befriedigenden Lösung geführt. Gegenwärtig sind im Bereich des Pfrunger-Burgweiler Riedes mehrere Naturschutzgebiete ausgewiesen. Der größte Teil der restlichen Riedfläche wird von drei Landschaftsschutzgebieten abgedeckt. Mit der gesetzlichen Unterschutzstellung sind jedoch die eigentlichen Naturschutzprobleme keineswegs gelöst, haben doch die Meliorationsbemühungen in der Vergangenheit dem Moor große Wunden zugefügt.
Die Renaturierung, das heißt die Rückführung von Wirtschaftsgrünland in ökologisch wertvollere Moor-Biotope, wird bereits seit Jahren betrieben. Den ersten Schritt bildet meist der Grunderwerb. Das Land Baden-Württemberg und private Naturschutz-Organisationen wie Schwäbischer Heimatbund und Naturschutzbund Deutschland (DBV) treten als Käufer auf und übernehmen die von der Landwirtschaft aufgegebenen ‚Grenzertragsflächen‘. So hat der Schwäbische Heimatbund annähernd 100 Hektar Grundbesitz im Herzen des Pfrunger Riedes. Dort erfolgt gezielt die Renaturierung, zum Beispiel die Wiedervernässung durch Verschluss von Gräben und Dränagen.
Durch einmalige Herbstmahd auf jährlich etwa zwei bis vier Hektar Nasswiesen wird der Verbuschung vorgebeugt. Das Ziel sind hier nährstoffarme, von Niedermoor-Vegetation geprägte Streuwiesen. Wo die Wiederansiedlung von Birkenbruchwald angestrebt wird, genügt es, mit einem Grubber die Grasnarbe aufzureißen, um den alljährlich millionenfach reifenden Moorbirkensamen ein günstiges Keimbett zu schaffen. Die Pflegeflächen sollten eigentlich vergrößert werden, doch sind hier wie auch in anderen Gegenden des Landes die Abfuhr und Verwendung des Mähgutes ein Problem. Eine Pflegekonzeption ist bei der Bezirksstelle für Naturschutz Tübingen in Arbeit, und es ist zu hoffen, dass dabei Lösungen gefunden werden.
Dem „Großgrundbesitzer“ Schwäbischer Heimatbund gelang im Pfrunger-Burgweiler Ried die Schaffung eines Eigenjagdbezirkes nach dem Landesjagdrecht und damit die jagdliche Befriedung, d.h. eine Oase der Ruhe für alle Tiere – auch für die jagdbaren. Was mit der Unterschutzstellung nicht erreicht wurde, konnte der Besitzer realisieren: Die Verwirklichung eines „Voll-Naturschutzgebietes“ ohne Jäger und Angler! Andere „Fremdnutzungen“, zum Beispiel das Baden oder Surfen und andere Sportausübung, konnten bereits mit der Verordnung ausgeschaltet werden.
Verlandende Torfstiche als Kinderstube für Wasservögel
Etwa 60 Hektar des Heimatbund-Besitzes liegen im „Kleinen Trauben“. Es handelt sich hierbei um ehemaliges Torfstichgelände, das nunmehr seit über 50 Jahren brachliegt. Die einstige Hochmoor-Vegetation wurde von den Torfstechern abgeräumt, das Gelände entwässert und in weiten Teilen ausgebeutet. In unregelmäßiger Folge wechseln Torfstiche und sogenannte Belegfelder zum Trocknen der Wasenstücke. Mittlerweile hat die Sukzession dort wahre Wunder vollbracht: Auf den Trockenfeldern hat sich ein Sekundär-UrwaId aus Birken, Kiefern, Espen und Fichten eingestellt. Die Torfstiche dazwischen zeigen alle Phasen der Verlandung: Röhrichte, Schwimm- und Tauchblattgewächse, Seggenrasen und Schneidgrasbestände. Hier sind heute die Kinderstuben von Stock-, Krick- und Reiherente, von Zwergtaucher, Bläß- und Teichhuhn, von Rohrammer und Wasserralle. In jüngster Zeit hat sich zu ihnen die Rohrweihe gesellt, die in den ausgedehnten Schilfwäldern ihr Nest baut. Wenn sie im Herbst gen Süden zieht, erscheinen als nordische Wintergäste die Kornweihen. In ihrem Gefolge sind oft Hunderte von Zugenten, gelegentlich auch Gänsesäger und Kormorane. Sowohl als Brutvogel wie auch als Zuggast können wir den buntschillernden Eisvogel hier erleben.
Fische, Reptilien, Frösche, Molche, Libellen und der Mittlere Weinschwärmer
In den Torfstichen wurden elf verschiedene Fischarten registriert, darunter das Moderlieschen, eine bei uns nahezu verschwundene Kleinfischart. Der Bitterling wiederum verdankt seine Existenz in den Riedgewässern der Teichmuschel. Nur wenn das Fischweibchen seine Eier der Mantelhöhle des Schalentieres anvertrauen kann, klappt die Fortpflanzung. Seit Anfang der siebziger Jahre hat auch der Bisam diese amphibische Landschaft erobert. Allenthalben trifft man auf die Spuren seiner Anwesenheit: Mahlzeitreste von Wasserpflanzen und Teichmuscheln, unterhöhlte Dämme und zuweilen auch die den Biberburgen nicht unähnlichen Winterbaue. Während Biber jedoch durch Dammbauten Wasser stauen, führt die Wühlarbeit des Bisams nicht selten zum Auslaufen der Teiche. So auch in unserem Ried, wo ausgesparte Torfriegel zwischen den Stichen durchbohrt werden.
An Reptilien begegnen dem Wanderer in dieser von Bruchwald durchsetzten Wasserwildnis die Wald- und Zauneidechse, die Blindschleiche, die Kreuzotter und die Europäische Sumpfschildkröte. Letztere ist wohl nicht Teil der ursprünglichen Tierwelt, sondern von Menschenhand hierher verpflanzt worden. In Gräben und Tümpeln laichen Wasser-, Gras- und Moorfrosch, Erdkröte und Bergmolch, in den Randbereichen auch der Teichmolch. Das Rehwild findet im unterholzreichen Moorwald Deckung und Knospenäsung im Winter. Spuren im Schnee verraten dem Fachmann das Vorkommen von Fuchs, Marder, Iltis und Hermelin.
Was diese Landschaft während der Sommermonate ganz besonders belebt, ist die Vielfalt an Libellen. Mehr als 40 verschiedene Arten wurden bei einer Bestandsaufnahme vor etlichen Jahren registriert. Was hier an warmen Sommertagen gaukelt, schwirrt und jagt, sich paart oder eierlegend über dem Wasser tanzt, sind Mosaik-, Azur- und Binsenjungfern, Granataugen, Feder-, Adonis-, Pech-, Königs-, Smaragd- und Heidelibellen, Vierfleck, Blaupfeil, Plattbauch und andere.
Bemerkenswert sind weitere Insektenfunde wie der Mittlere Weinschwärmer, Mondvogel, Hornissenschwärmer und der Moschusbock. Vom Specht entrindete Birkenstämme zeigen deutlich die Fraßspuren des Birken-Splintkäfers und seiner Brut. Der Birken-Porling, ein Holzpilz, vollendet die Zerstörung. Wo seine harten Konsolen an den Stämmen wachsen, ist das kurzlebige Birkenholz schon stark von Fäulnis durchsetzt.
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