Ein Stück aktiver Denkmalpflege
Im Herzen Stuttgarts, unweit von Leonhardskirche und Hauptstätter Straße, wurde im Januar 1996 eine aufwändige Sanierung abgeschlossen, an deren Anfang zwei abbruchreife Gebäude mit Substanz aus dem Spätmittelalter und der frühen Barockzeit standen. Diese Gegend war die erste Stadterweiterung Stuttgarts. Seit 1400 entstand hier die Leonhardsvorstadt mit der gleichnamigen Kirche, der Hauptstätter Straße als weiträumigem Handelsplatz und mit einem Netz von Gassen, Wohnhäusern und Handwerk. Weber- und Richtstraße lagen zwar am südlichen Rand des historischen Quartiers, besitzen seit dem Zweiten Weltkrieg jedoch als zwei der wenigen Straßen der Altstadt überhaupt noch nennenswerte Bebauung aus jener Zeit.
Auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten übernahm der Schwäbische Heimatbund 1993 zwei aneinandergebaute, leerstehende Gebäude – Weberstraße 2 und Richtstraße 3 –, um in ihnen nach erfolgter Sanierung seine neue Geschäftsstelle einzurichten. Unter der Prämisse, die technischen und finanziellen Risiken anzunehmen, wenn auf diese Weise zwei der letzten verbliebenen Zeugen der Vergangenheit erhalten werden konnten, wurde ein bedeutendes Ambiente des 18. Jahrhunderts gerettet. Am Kauf und der Sanierung zur Hälfte beteiligt war zur Hälfte der Verschönerungsverein Stuttgart e.V. Er ist dem SHB in Fragen des Stuttgarter Denkmal- und Naturschutzes ein wichtiger Partner.
Nur wenige Straßen der Stuttgarter Altstadt vermitteln noch einen Eindruck, wie die Stadt vor den letzten Kriegszerstörungen zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert ausgesehen hat. Ein historisches Quartier mit den typischen Gassen ist nur noch in der Gegend um die Weber- und die benachbarte Richtstraße zu finden. Einen Steinwurf von unserem Haus entfernt verlief bis ins 19. Jahrhundert die Stadtmauer. Jenseits der Mauer befand sich seit 1581 der Stuttgarter Richtplatz – die Haupt-Statt – nach dem die Hauptstätter Straße benannt ist. Wegen der Nähe zur Richtstätte waren Weber- und Richtstraße keine besonders bevorzugte Gegend.
Über die frühesten Bewohner der Häuser ist nichts bekannt. Lange Jahre aber wohnten Weingärtner in der Weberstraße 2. Zeitweilig wurde im Erdgeschoss eine Gastwirtschaft betrieben. In der Nachbarschaft waren neben einigen Wengertern zahlreiche Handwerker zu finden. Aus alten Quellen ist ersichtlich, dass das Gebäude Weberstraße 2 im Jahr 1790 um ein Geschoss aufgestockt wurde. 1843 bestand das Anwesen aus einem zweistockigen Haus auf steinernem Sockel mit Weinkeller, in dessen einer Hälfte neun in Eisen gebundene Eichenfässer lagerten. Im Erdgeschoss befand sich im 19. Jahrhundert unter anderem ein Stall.
Denkmalgerechte Sanierung: kein leichtes Unterfangen
Allein die Kosten wären ohne die Beteiligung des Verschönerungsvereins und ohne Zuschüsse aus Sanierungsmitteln, Gelder der Denkmalstiftung sowie private Spenden nicht tragbar gewesen. Die 300 Jahre alten Häuser zu modernen Büro-, Veranstaltungs- und Bibliotheksräumen umzubauen, verhieß Überraschungen. Dabei galt es auch, zwei Gebäude mit unterschiedlichen Raumhöhen zusammenzuführen. Nur durch besondere Einfälle der Architekten und Nutzer konnte die Instandsetzung letztlich ein Erfolg werden.
Es wurde ein Raumprogramm entworfen, das die Nutzungsanforderungen des Heimatbundes berücksichtigte. Dies waren mehrere Büroräume, ein größerer Sitzungs- und Vortragsraum, eine Bibliothek, Küche und sanitäre Räumlichkeiten, Lager- und Abstellräume sowie ausreichend Platz für den Besucherverkehr. Von Beginn an wurden ökologische Gesichtspunkte mit in die Planung einbezogen, wie etwa die Nutzung des Regenwassers oder eine Wärmerückgewinnung. Die Wärmedämmung geschieht teilweise durch Schilfrohrmatten.
Das vorrangige Ziel war die denkmalgerechte Sanierung, d.h. es sollte soweit wie möglich die historische Substanz erhalten bleiben. Diese Maxime zog sich vom Mauerwerk im Keller über die offene Balkenkonstruktion in den Geschossen, die schrägen Decken bis zum teilweise freigelegten Fachwerk. Zu Besonderheiten wurden historischen Tapetenschichten, die erhalten blieben, oder die Sicherung einer Fachwerkwand mit unterschiedlichen Füllungen.
Denkmalgerechtigkeit schließt modernste Technik jedoch nicht aus: etwa bei Beleuchtung und Küche, Treppen und Raumteilern. Dabei bleiben die Qualitäten der historischen Substanz stets im Vordergrund. Sie prägen das Gebäude innen wie außen.
Ausführliche Berichte über die Geschichte und Sanierung unserer Geschäftsstelle finden Sie in der Schwäbischen Heimat 1996/1 (Eröffnung) sowie 1992/4 (Geschichte und Planung) sowie in einigen weiteren Heften zwischen 1993 und 1996.
Alle Kulturdenkmale des Schwäbischen Heimatbundes
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