Das Heft 2000/4 der ‘Schwäbischen Heimat’ eröffnete der damalige Geschäftsführer des Heimatbundes, Dieter Dziellak, mit einer bemerkenswerten Formulierung: Der Schwäbische Heimatbund spielt nun in der Bundesliga. Gemeint waren die jahrzehntelangen Bemühungen des Schwäbischen Heimatbundes um den Naturschutz seit den 1930er Jahren: gewissermaßen von der Verbands-, über die Landes- in die Bundesliga.
Was den SHB in die höchste Spielklasse geführt hat, war in erster Linie seine Arbeit im heutigen Naturschutzgebiet Pfrunger-Burgweiler Ried, wo er seit nahezu 90 Jahren in großem Umfang eigene Liegenschaften unterhält und 1994 in Wilhelmsdorf ein Naturschutzzentrum eröffnete. Gemeinsam mit der Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege (BNL) in Tübingen und dem Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum in Stuttgart brachte der SHB einen Antrag auf den Weg zum Bundesamt für Naturschutz in Bonn, um ein gesamtstaatliches, d.h. bundesweit repräsentatives, bedeutendes Gebiet zu retten. Damit wurde erreicht, dass die Sünden der Vergangenheit gelindert und vielleicht ausgeräumt werden können. Für dieses Ziel warben SHB und BNL auch bei den Gemeinden Königseggwald, Ostrach, Riedhausen und Wilhelmsdorf sowie bei den Landkreisen Sigmaringen und Ravensburg, aber auch bei vielen Landnutzern und Landwirten.
Stiftung Naturschutz Pfrunger-Burgweiler Ried
Nach sorgfältiger Planung und Abstimmung (4 Jahre) wurde am 20. September 2002 in Freiburg – um im Bild zu bleiben – zum Anstoß gepfiffen: Der Präsident des Bundesamtes für Naturschutz, Prof. Dr. Hartmut Vogtmann, überreichte den Beteiligten das Bewilligungsschreiben. Zumindest für die nächsten 10 bis 12 Jahre würde die zu diesem Zweck 2002 neu gegründete Stiftung Träger eines Projektes mit 6,7 Millionen Euro sein, auf das alle deutschen Naturschützer schauen sollten. Die Bedeutung des Schwäbischen Heimatbundes zeigt sich bei der Sitzverteilung im Stiftungsrat: der Geschäftsführer des SHB wurde Erster Vorstand, der Vorsitzende des SHB stellvertretender Stiftungsratsvorsitzender. Der Schwäbische Heimatbund stattete die Stiftung mit einem Kapital von 26.000 Euro aus und beteiligte sich noch mit einem Beitrag von 67.000 Euro, der in den Jahren bis 2014 aufgebracht werden musste.
Das zweitgrößte Moor Südwestdeutschlands sollte wieder wachsen
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Pfrunger-Burgweiler Ried in Oberschwaben entwässert, abgebaggert und intensiv genutzt. Damit sollte nun weitgehend Schluss sein. Mit der Vorlage eines Pflege- und Entwicklungsplans (PEPL) 2005 ging eine zweijährige Planungsphase zu Ende, in der das Tuttlinger Ingenieurbüro Dr. Kapfer intensiv Daten zur Tier- und Pflanzenwelt sowie zum Zustand des Moores sammelte und bewertete sowie Vorschläge zur Verbesserung der ökologischen Situation erarbeitete. Parallel dazu konnten in mehreren Arbeitskreisen Fachleute, Vereine und betroffene Privatpersonen mit Begleitung eines professionellen Moderators ihre Interessen einbringen.
Der wichtigste Schritt zurück zu einem funktionierenden Ökosystem war die Wiedervernässung von sechs der vierzehn Teilmoore, aus denen das 1.445 Hektar große Kerngebiet des Naturschutzgroßprojektes besteht. Zahlreiche Dämme und Wehre hoben nach und nach den Wasserstand im Moor wieder an, zusätzlich wurden mehrere Bäche und das Hochwasser der Ostrach im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten in die ausgetrockneten Torfflächen geleitet. Um genau planen zu können, welche Bereiche wie hoch unter Wasser stehen werden, wurde das Ried im Dezember 2003 sogar mit einer speziellen Laserkamera vom Flugzeug aus vermessen. Der kostenintensivste Maßnahmenteil betraf die Wiedervernässung mit geplanten 1,6 Mio. Euro für die folgenden acht Jahre.
Um den Lebensraum für die zahlreichen Tier- und Pflanzenarten – viele von Ihnen stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten – weiter zu verbessern, wurden auf den Feuchtwiesen Büsche gerodet und in den vom Torfabbau verbliebenen Seen Flachwasserzonen angelegt. Statt intensiver Grünlandwirtschaft bweiden heute robuste Rinderrassen die Außenzonen des Rieds. Die verbleibenden Wiesen werden nur noch extensiv mit wenig Dünger bewirtschaftet. Für diese an das Moor angepasste Grünlandwirtschaft erhalten die Landwirte einen finanziellen Ausgleich.
Um die Naturschutzmaßnahmen umsetzen zu können, kaufte die Stiftung zahlreiche Privatgrundstücke im Kerngebiet des Rieds auf. Das bis 2019 andauernde Flurbereinigungsverfahren Wilhelmsdorf-Pfrungen ermöglichte zudem einigen Flächentausch, um jeglichen Streubesitz im Projektgebiet auszuschließen.
Die Kommunen und alle beteiligten Akteure waren sich darin einig, dass ein Schutz des Rieds und seines wertvollen Moorkörpers nur dann wirksam erfolgen kann, wenn Nutzungen durch die Menschen nur noch in ökologisch verträglicher Form erfolgen. Das Naturschutzprojekt bedeutete zwar eine Veränderung für die Raumschaft, bot aber auch die Chance, den Strukturwandel in der Landwirtschaft ökologisch und sozial verträglich zu gestalten.
Das Besucherkonzept
Heute hat sich dieses herausragende Naturschutzgebiet Pfrunger-Burgweiler Ried zum Anziehungspunkt für die Naherholung und Urlauber entwickelt. Dazu trägt auch eine Besucherlenkung bei, die Besucher von den sensiblen Bereichen im Zentrum des Rieds fernhält und gleichzeitig mit neuen Wanderwegen, neuen Beobachtungsverstecken und Infotafeln attraktive Begegnungsmöglichkeiten mit der Natur geschaffen hat. Menschen sollen nicht aus dem Naturschutzgebiet ausgeschlossen werden, sondern diese ganz besonders reizvolle Moorlandschaft und die Projektmaßnahmen ohne Risiko für Mensch und Natur direkt erleben können.
Das Wanderwegenetz umfasst Rundwege unterschiedlicher Beschaffenheit im gesamten Ried. Vom Bohlenpfad durchs wieder vernässte Moor über mit Hackschnitzeln belegtem weichen Pfaden bis hin zum asphaltierten Weg im landwirtschaftlich genutzten Ried bietet das Wegenetz etwas für verschiedene Ansprüche. In manchen Bereichen mussten Wege neu hergestellt werden, damit die Besucher das Moor und seine Tier- und Pflanzenwelt erleben können.
Beobachtungsplattformen schaffen neue Perspektiven
Zum vielfältigen Wanderwegenetz werden auch Informationstafeln an den Parkplätzen und im Projektgebiet aufgestellt, auf denen ein Wanderplan und Informationen zum Naturschutzgroßprojekt, zum Moor und zu verschiedenen Themen zu sehen sind.
An besonders reizvollen Punkten wurden bereits drei Beobachtungsplattformen gebaut, von denen aus man Tiere und Landschaft von erhöhtem Standpunkt beobachten kann. Am Fünfeckweiher (Gemarkung Burgweiler bei Ostrach) lädt eine etwas niedrigere Plattform zum genussvollen Verweilen ein. Sie ist eingebunden in einen Bohlenpfad, der durch den Wiedervernässungsbereich der Oberen Schnöden verläuft. Hier können Besucher zukünftig die spannende Entwicklung des wieder vernässten Moores erleben.
An den so genannten Hund’schen Weihern – ehemaligen Torfstichen im Bereich der Unteren Schnöden (Gemarkung Pfrungen), die der Schwäbische Heimatbund 1998 erworben hat – und am Vogelsee (Gemarkung Pfrungen, ebenfalls im Eigentum des Schwäbischen Heimatbunds) im ehemaligen industriellen Torfabbaugebiet hat die Stiftung Naturschutz zwei circa 3,50 Meter hohe Beobachtungsplattformen gebaut, um hier Naturfreunden einen Einblick auf die Wasserflächen zu gewähren. Viele Tiere, die hier am und im Wasser ihren Lebensraum haben, können so störungsfrei beobachtet werden. Auch wer sich nicht so sehr für einzelne Tierarten interessiert und sich nur am Weitblick in die Riedlandschaft erfreuen will, kommt hier auf seine Kosten.
Aufwand und Ertrag
Ziel der Baumaßnahmen war die möglichst großflächige und dauerhafte Anhebung des mittleren Moorwasserspiegels nahe an die Geländeoberkante in den beeinträchtigten Bereichen. Ein Hochmoor ist ein Kind des Regens, das ohne das Niederschlagswasser zum Sterben verurteilt ist. So wurde durch den Einbau von 74 Querdämmen in den Entwässerungsgräben das Wasser zurückgehalten. Die Grabensperren wurden in ingenieurbiologischer Bauweise eingebaut, das heißt, es wurde Torf aus dem Umfeld der Bausstellen als Dichtungsmaterial verwendet. 46 der Torfwehre in größeren Gräben wurden aus statischen Gründen zusätzlich mit Fichtenstämmen armiert, die zum Schutz der empfindlichen Vegetation mit einem Lasten-Hubschrauber aus dem Forstrevier Burgweiler an die Baustellen eingeflogen wurden. Der 16 Tonnen schwere Spezial-Moorbagger, der dann mehr als 7.000 cbm Torf und 6.000 cbm Vegetationssoden zum Abdecken der Wehre verbaute, hatte einen geringeren Flächendruck als ein menschlicher Fuß. Die Stauwirkung war unmittelbar nach Fertigstellung zu beobachten.
Wie beabsichtigt, floss überschüssiges Wasser nun langsam und breitflächig über das seitlich an die Stauwehre angrenzende Gelände ab. Die Rückvernässung führte in der Folge zum Absterben des zum Teil standort-untypischen Waldes und zum Anwachsen der Hochmoor-typischen Vegetation mit ihren Spezialisten. Die absterbenden Bäume bieten übrigens einer Vielzahl von Tieren Nahrung. Wenn wir in hundert Jahren wieder herkommen, so Projektentwickler Dr. Kapfer, stehen wir wieder in einem richtigen Hochmoor.
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