kleines historisches Gebäude neben großem Hotelhochhaus

Umgebungsschutz von Kulturdenkmalen: SHB fordert verbessertes Denkmalschutzrecht

Erscheinung und Denkmalwert des Torhauses in Ludwigsburg beruhen wesentlich darauf, dass die barocke Struktur der Umgebung möglichst intakt und ablesbar ist. Das Hochhaus und die, die es genehmigt haben, setzen sich darüber hin­weg. Konsequent angewandter Umgebungsschutz hätte dies verhindern können (Foto: Martin Hahn)

(Pressemitteilung vom 25. Juni 2020)

Die derzeitige Rechtslage für den Umgebungsschutz von Kulturdenkmalen ist – wie die jüngsten verwaltungsgerichtlichen Urteile zeigen – nach Auffassung des Schwäbischen Heimatbundes völlig unzureichend und sollte deswegen dringend geändert werden. Bei der derzeitigen Rechtslage und deren gerichtlichen Interpretation steht dem Bau von Windkraftanlagen rund um Schloss Lichtenstein denkmalrechtlich nichts im Wege. (Siehe hierzu die SHB-Positionen zu Schloss Lichtenstein)

Der Schwäbische Heimatbund wendet sich mit Nachdruck gegen den Bau von fünf 200 Meter hohen Windkraftanlagen rund um Schloss Lichtenstein. Die hohe denkmalschutzrechtliche Wertigkeit des Schlosses als eines der bekanntesten Bauwerke Württembergs und eines der anschaulichsten Beispiele des romantischen Historismus in Deutschland darf nicht durch störende Anlagen in seinem Umgebungsbereich beeinträchtigt werden. Deshalb hatte das Landratsamt Reutlingen als Genehmigungsbehörde den Bau der geplanten Anlagen untersagt. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen urteilte jedoch anders, und der Verwaltungsgerichtshof Mannheim bestätigte die vom Verwaltungsgericht nicht zugelassene Berufung gegen das Urteil.

Diese Rechtsprechung zeigt, dass der Umgebungsschutz von Kulturdenkmalen, wie er derzeit in § 15 Abs. 3 Denkmalschutzgesetz formuliert ist, offensichtlich nicht ausreichend ist, um herausragende Kulturdenkmale vor Beeinträchtigungen zu schützen. Nach der geltenden Rechtslage wird über die Erheblichkeit einer Beeinträchtigung eines eingetragenen Kulturdenkmals nicht nach wissenschaftlich fundierten, überprüfbaren denkmalfachlichen Kriterien entschieden, sondern – salopp gesagt – nach Bauchgefühl, nämlich dem Empfinden eines für die Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Bürgers. Der Rückgriff auf die Sichtweise eines Durchschnittbetrachters führte beim Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen sogar dazu, dass mit einem Gewöhnungseffekt des Durchschnittbetrachters an störenden Anlagen argumentiert wird. Eine solche Sichtweise konterkariert jeglichen Umgebungsschutz von Denkmalen.

Der Schwäbische Heimatbund fordert daher die Landesregierung auf, § 15 Abs. 3 Denkmalschutzgesetz zu ändern. Er hat dazu einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, der den Umgebungsschutz von Denkmalen nach denkmalfachlichen Maßstäben sichert. Ferner ist in dem Vorschlag vorgesehen, auch den Umgebungsbereich von einfachen Denkmalen zu schützen, sofern bei deren Inventarisation der Schutz des Erscheinungsbildes besonders vermerkt wird.

Vorschlag des Schwäbischen Heimatbundes

Effektiven Umgebungsschutz für unsere Kulturdenkmale

Was in allen anderen Bundesländern für alle Kulturdenkmale gewährleistet wird, gibt es in Baden‐Württemberg nur im seltenen Ausnahmefall: den Schutz des Erscheinungsbildes eines Denkmals vor erheblichen Beeinträchtigungen durch Neubauten in seiner Umgebung. Für rund 90 Prozent aller Kulturdenkmale fehlt im Südwesten Deutschlands dieser Schutz. Und wo es ihn gibt (bei den in das Denkmalbuch des Landes eingetragenen Kulturdenkmalen von besonderer Bedeutung“), wird über die Erheblichkeit einer Beeinträchtigung nicht nach wissenschaftlich fundierten, überprüfbaren denkmalfachlichen Kriterien entschieden, sondern nach einem reinen Bauchgefühl: dem fiktiven Empfinden eines für die Belange des Denkmalschutzes aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters.

Wir fordern daher,

  1. im ansonsten unveränderten § 15 Abs. 3 DSchG (Umgebungsschutz für in das Denkmalbuch des Landes eingetragene Denkmale) den denkmalfachlichen Prüfmaßstab zu verankern und
  2. anderen Denkmalen durch einen ergänzenden § 15 Abs. 4 DSchG Umgebungsschutz zu geben, soweit bei ihnen das Erscheinungsbild nach den Feststellungen bei der Inventarisation (Erfassung in der Denkmalliste; Aufgabe des LAD nach § 3a DSchG) für den Wert des Denkmals von besonderer Bedeutung ist:

“Bauliche Anlagen in der denkmalfachlich relevanten Umgebung eines Kulturdenkmals dürfen nur mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde errichtet, verändert oder beseitigt werden. Andere Vorhaben bedürfen dieser Genehmigung, wenn sich die bisherige Grundstücksnutzung ändern würde. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn das Vorhaben das Erscheinungsbild des Denkmals nach denkmalfachlichen Maßstäben nur unerheblich oder nur vorübergehend beeinträchtigen würde oder wenn überwiegende Gründe des Gemeinwohls unausweichlich Berücksichtigung verlangen. Vorstehender Absatz gilt für nicht in das Denkmalbuch des Landes eingetragene Denkmale entsprechend, soweit bei ihnen nach den Feststellungen bei der Inventarisation das Erscheinungsbild für den Denkmalwert von besonderer Bedeutung ist.”

Kontakt:

Schwäbischer Heimatbund e.V. Weberstraße 2, 70182 Stuttgart
Prof. Dr. Albrecht Rittmann, stv. Vorsitzender, Tel.: 0711 8385605, Mail: buero.dr.rittmann@t-online.de

Die Pressemitteilung vom 25.6.2020 im pdf-Format.

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