Titelbild eines Buches

Rote Liste und Gesamtartenliste der Säugetiere (Mammalia) Deutschlands.

Hrsg. vom Bundesamt für Naturschutz. (Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 170). Bundesamt für Naturschutz Bonn-Bad Godesberg 2020. 73 Seiten. Broschur € 16,–. ISBN 978-3-7843-3772-2

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»Rote Listen« sind eine Art Inventur der Natur. Es gibt sie seit vier Jahrzehnten und man ist fast schon gewohnt, dass die jeweils neueste Fassung Alarmierenderes enthält als die Vorgängerliste. Dieses Heft behandelt den aktuellen Zustand der 117 in Deutschland wild lebenden Säugetierarten, enthält zudem Bestandstrends und eine Beschreibung der Rückgangsursachen. Zudem benennt die Liste die Verantwortlichkeit Deutschlands für die weltweite Erhaltung der Arten und gibt Hinweise, wie sich die Situation verbessern ließe.

In nüchterner Statistik gibt diese Rote Liste zunächst Auskunft darüber, dass 40 Arten als selten bis extrem selten eingestuft werden, 46 gelten als mäßig häufig bis sehr häufig. 51 Arten zeigen in den letzten 150 Jahren einen negativen Bestandstrend, 6 nahmen langfristig zu; in den letzten 15 Jahren nahmen 16 Arten ab, 17 deutlich zu, darunter sind »Problemarten« wie Waschbär und Nutria, Neozoen, also Zuwanderer, die mancherorts den Bestand heimischer Tierarten gefährden. Für die Erhaltung von 16 Arten hat Deutschland aufgrund internationaler Vereinbarungen eine erhöhte Verantwortlichkeit.

Soweit die Zahlen. Zu jeder Art enthält das Heft Kommentare, in denen nach dem Stand der Forschung nähere Informationen, zum Teil gegliedert nach Bundesländern, gegeben werden. Dabei fällt auf, dass sich Baden-Württemberg offensichtlich mit der näheren Beschäftigung mit Gefährdungsursachen schwer tut, denn die Liste enthält keinerlei landestypische Informationen, wiewohl es zu einzelnen Arten sicher etwas zu sagen gäbe, wie beispielsweise auf der Homepage der Landesanstalt für Umweltschutz zum Vorkommen des Feldhamsters im Land nachzulesen ist. Diese Tierart ist europaweit trotz Schutzmaßnahmen und Wiederansiedlungsprojekten extrem gefährdet und da ist auch der Verursacher schnell ausgemacht: Es ist in erster Linie die heutige Art der Landbewirtschaftung. Diese und auch die heutige forstwirtschaftliche Wirtschaftspraxis sind neben fortgesetzter Flächenversiegelung und Zerschneidung von Lebensräumen durch neue Wohn- und Gewerbegebiete sowie Verkehrsflächen die Hauptursachen für den Rückgang zahlreicher Tierarten. Die Barriere- und Isolationswirkungen durch Eingriffe in Lebensräume und unsensible Wirtschaftsweise lassen sich durch entsprechende Rücksichtnahmen bei der Planung minimieren, doch werden, so wird in dem Heft beklagt (S. 49), die Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge in viel zu geringem Umfang umgesetzt. Dies gilt auch für das Erhalten und Wiederherstellen von Verbindungen und Korridoren zwischen isolierten Lebensräumen: Das Wissen ist vorhanden, aber im Ernstfall siegen dann eben doch die Wünsche nach neuen Baugebieten und Straßen.

Egal, ob man das Heft nur als Statistik oder auch mit emotionalen Interessen liest, ist die Bilanz erschütternd: Selbst mit vielen vermeintlich häufigen Arten, zum Beispiel Igel und Feldhase, geht es immer weiter rückwärts. Auch hier wird wieder an erster Stelle der Gefährdung die Intensivierung der Landwirtschaft genannt. In unserer Gesellschaft wird das aber meist nur achselzuckend zur Kenntnis genommen. Forschungslücken werden gerne zum Anlass genommen, die Belange der Tierwelt zu verdrängen. Wer aber meint, warten zu müssen, bis alles und jedes erforscht ist, wird den Exodus noch mancher Tierart erleben und verantworten müssen.

Als Fazit dieser neuen Roten Liste kann man nur ziehen: Ein grundlegender Wandel im Umgang mit der Tierwelt, ja der gesamten Natur, ist dringend erforderlich!

Reinhard Wolf

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