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Prof. Dr. Benigna Schönhagen | Landeshistorikerin

Die Historikerin Benigna Schönhagen ist Mitglied im Veranstaltungsausschuss des SHB und seit rund 40 Jahren als Reiseleiterin für den SHB aktiv. Ihre wissenschaftlichen Forschungsschwerpunkte sind die NS-Zeit und die Geschichte der Juden speziell im deutschen Südwesten. Von 2001 bis 2018 war sie Leiterin des Jüdischen Kulturmuseums Augsburg-Schwaben.

Ende der 1970er-Jahre haben Sie als kurzfristige Vertretung eher zufällig Ihre erste Reise beim SHB geleitet. Seither sind Sie fest dabei und die Liste der Länder und Themen, zu denen Sie Reisen angeboten haben, ist lang.

Anfangs habe ich viele Literaturreisen gemacht, also nach dem Muster »Auf den Spuren von …«. Ich habe Reisen entlang von Flüssen angeboten, zum Teil zusammen mit Wilfried Setzler. Da ging es um die Veränderung des geografischen Raums. Reisen am Rhein von der Quelle bis zur Mündung, entlang von Donau, Mosel, etc.Seit über 20 Jahren reise ich auf den Spuren der jüdischen Geschichte und Kultur, habe viele Gedenkstätten im deutschen Südwesten besucht. Es gab Italienfahrten, in die Toskana. Ganz etwas Tolles waren die Reisen mit Setzler zur Entstehung der Schweiz.

Was treibt Sie über so lange Zeit noch immer an?

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Prof. Dr. Benigna Schönhagen | Foto: Barbara Dietl für die Obermayer Foundation

Mir geht es darum, historische Prozesse zu zeigen. Vergleichsmöglichkeiten herzustellen und Architektur, Kunstgeschichte, Literatur oder auch Geografie nicht nur isoliert zu betrachten. Große Freude macht mir das Gespräch. Der lebendige Austausch ist mir sehr wichtig. Das betrifft sowohl Menschen vor Ort an unseren Reisezielen, zu denen ich bei meinen Vorbereitungsfahrten vorab schon Kontakt knüpfe, als auch die Möglichkeit, dass wir uns während der Reise innerhalb der Gruppe über unsere Eindrücke austauschen und darüber sprechen, wie wir Geschichte erleben.So zuletzt bei der Studienfahrt ins Jüdische Berlin. Zwei Drittel der Teilnehmer*innen haben bei mir schon andere Reisen mitgemacht. Die bringen dann immer wieder neue mit, die auf diese Weise schnell in die Gruppe integriert werden.

Was ist das Besondere Ihrer Reisen?

Es macht einen Unterschied, ob man nur von Texten ausgeht oder wirklich vor Ort ist. Es ist ein anderer, sehr genauer Blick. Ich bin eine Architekten-Tochter und bin mit solchen Fahrten aufgewachsen. Man lernt über die Jahre, genau zu schauen, dann kann man wunderbar vermitteln. Aber es geht auch nicht einfach um abstraktes Wissen. Bei der Fahrt zur Geschichte des jüdischen Berlins waren wir z.B. in einem israelischen Restaurant. Das Besondere nicht nur meiner, sondern generell der SHB-Reisen ist, dass sie so individuell sind, immer getragen vom Blick der Reiseleiter*innen und ihrem Spezialwissen, eben keine 0815-Angebote.

Welche Veränderungen haben Sie über die lange Zeit wahrgenommen?

Ganz Unterschiedliches. Die Gruppen sind kleiner geworden. In den 70er/80er-Jahren waren wir in Gruppen mit bis zu 50 Personen unterwegs. Jetzt sind es eher 25, während Corona sogar nur 13-15, das finde ich ideal. Vor allem aber hat sich das Interesse des Publikums geändert, es ist viel offener geworden, immer sehr gebildet, nicht nur interessiert. Es geht nicht mehr darum, einfach Wissen abzuhaken. Heute fragen wir uns: »was bedeutet das?« und wissen, dass es verschiedene historische Sichtweisen gibt, multikausale Erklärungen.

An welche Reiseeindrücke erinnern Sie sich ganz besonders?

Osteuropa fasziniert mich, es ist so sehr mit der deutschen Geschichte verbunden. Vor dem Hintergrund der jetzigen Situation denke ich viel an unsere SHB-Reise nach Lwiw 2018. Kaum eine Stadt zeigt so viel multikulturelle Geschichte, auch die dunklen Seiten der Geschichte. Auch bei dieser Reise hatten wir viele persönliche Kontakte, mit Studierenden, mit Forschern, mit einer jungen Journalistin, die uns viele Einblicke gegeben hat, mit einem jungen deutschen Historiker, der mit einer Ukrainerin verheiratet ist und sich als Reiseveranstalter selbständig gemacht hat, was jetzt natürlich nicht mehr geht. Es gibt Teilnehmer der Reise von damals, die mir heute noch schreiben, erschüttert von den aktuellen Ereignissen. Wenn man einmal dort war, den Westen von Galizien erlebt hat… Wir hatten eine weitere Reise nach Lwiw geplant, die aber wegen Corona nicht stattfinden konnte. Wann und wie es jetzt wieder möglich sein wird, ist nun leider völlig offen.

Wohin gehen Ihre nächsten Reisen mit dem SHB?

Für 2023 freue ich mich auf eine Fahrt nach Prag. Zuvor leite ich dieses Jahr noch eine Reise in die SchUM-Städte, nirgends sonst sieht man so viel mittelalterliche jüdische Kultur, und dann noch eine Reise ins Burgund: Burgund im Herbst, die Weinernte, bitte, was will man mehr!

Interview: Hanne Knickmann im Juli 2022

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