Titelbild eines Buches

Patrick Peters: Romantik. Einführung.

Oldib Verlag Essen 2020. 144 Seiten. Broschiert € 12,99. ISBN 978-3-939556-83-1

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Mit Recht darf gefragt werden, wozu es nach langen Diskursen ein weiteres Buch zur Romantik braucht. Mit dieser Konfrontation steigt Patrick Peters, promovierter Germanist und Professor für PR, Kommunikation und digitale Medien auch gezielt in seine Einführung in die Romantik ein. Wohlwissend um die anhaltende Beliebtheit und die Begrenztheit des eigenen Unterfangens sucht er in Romantik. Einführung einen Brückenschlag der Epoche vom ausgehenden 18. Jahrhundert ins Heute, indem er historische, literarische und poetologische Charakteristika identifiziert, um sie für eine breite Leserschaft, nicht zuletzt für Schüler und Studenten, entdeckbar, zugänglich und nützlich zu machen.

Romantik. Einführung oszilliert zwischen der Ästhetik der Sehnsucht nach der blauen Blume und der wissenschaftlichen Strukturierung der Literatur-Epoche. Damit taucht Peters unmittelbar in die allgemein bekannten Auseinandersetzungen zwischen Klassik und Romantik ein. An den Beginn der Einführung stellt er einen Aufsatz zur Begriffsbestimmung. Er arbeitet darin Romantik – im Gegensatz zur antikisierenden, latinisierenden, nativen, elitären, idealisierenden, geordneten Klassik – als mittelalterlich, romantisierend, europäisch, volksnah, christlich, einheitlich und bewahrend heraus. Peters geht sogar so weit, eine konfessionelle Festlegung zu treffen, indem er die römisch-katholische Kirche als “für die Romantiker die einzig wahre Kirche” postuliert. Im Sinne historischer Fakten mag dies befremden, schließlich stammen die meisten Romantiker aus dem reformatorischen Preußen, waren in der Überzahl protestantischer Herkunft und meiden generell kirchliche Bekenntnisse (sofern sie nicht auch Pastoren waren). Auch sind (prä-)nationalistische und teils antisemitische Tendenzen von Teilen der Romantik hinlänglich bekannt. Dennoch scheint Peters Verständnis im eigenen Anspruchsdenken der Romantik legitim, schließlich stehen die Rückbesinnung auf das frühe, vorschismatische Mittelalter und Friedrich Schlegels Bestimmung der Romantik (progressive Universalpoesie) nicht nur unwiderruflich am konstitutiven Firmament. Sie erinnern auch stark an den Universalitätsanspruch der lateinischen Kirche. (Dennoch waren Friedrich Schlegel und Zacharias Werner die einzigen Romantiker, die tatsächlich in die katholische Kirche konvertierten.) Literaturgeschichtlich identifiziert Peters die Romantik als finalen Teil der Goethezeit zwischen Verklärung und Transzendenz, die dennoch besser nicht im Gegensatz zur Klassik, sondern zu den nachfolgenden Epochen betrachtet werden sollte.

Romantik »will nichts Halbes, sie will das Ganze«. Im Sinne dieser Einheit der Vielfalt stellt Peters unter dem gängigen Dach der Früh-, Hoch- und Spätromantik einzelne Elemente, Dichter, Texte und Wirkungen vor. Trotz der epochemachenden Diffusionen bleibt Peters stets ein Autor der klaren und zuweilen humorvollen Worte. Auch im Zuge des Verzichts auf »Definitionen« gelingt es Patrick Peters, die »Gesinnungs- und Ortsverschiebungen« in den Teilphasen der Romantik konzentriert nachzuzeichnen. In deren Zuge erhalten bekanntermaßen auch schwäbische Orte eine hohe Prominenz. Mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches und dem Einsetzen der Säkularisation wird Heidelberg zum Zentrum der Hochromantik. Patrick Peters persönliche Vorliebe scheint dabei Joseph von Eichendorff zu gehören. Für die Spätromantik wird die Schwäbische Dichterschule vornehmlich in Tübingen um die bekannten Größen Ludwig Uhland, Justinus Kerner oder Gustav Schwab prominent behandelt. Hier entfaltet sich eine Art Naturreligion über den Schönheiten des Schwabenlandes, das zwischen Wäldern in Blau und Gold getaucht die geistige Heimat der Schwäbischen Dichterschule bildet. Dass deshalb die blaue Blume an der Neckarquelle zu finden sei, bleibt dennoch ein Gerücht, das gar nicht erst aufkam.

Die Romantik bleibt auch heute aktuell. Mag dies augenscheinlich ihrem populären Charakter geschuldet sein, der sich beispielsweise in den häufig gar nicht so mittelalterlichen Mittelaltermärkten spiegelt, so könnte ihre Beliebtheit im Kern auch an der Ideologiearmut der Romantik liegen, die vielen Konflikten in Politik, Gesellschaft und Geschichte ausweicht, immer wieder sogar den eigenen, immanenten Widersprüchen zwischen Universalität und Nationalismus oder Volkstümlichkeit und Dichtung.

Die Gefahr, dass Peters einer Romantik der übersteigerten Sentimentalität das Wort redet, besteht ausdrücklich nicht. Das muss man bei einer wissenschaftlichen Abhandlung sogar voraussetzen. Er liefert stattdessen einen klaren, zielgerichteten und übersichtlichen Einstieg in die Romantik – ohne der traditionellen Germanistik mit ihren Fallstricken anheimfallen zu müssen. Im Sinne von Inhalt und Anliegen ist auch das Coverbild gut gewählt. Den Umstand, dass die Romantik eben nicht nur »eine deutsche Affäre«, sondern ein europäisches Phänomen ist, deutet Patrick Peters hingegen nur an. Auch hier bleibt also noch viel zu tun, um der Einmaligkeit der Romantik auf die Spur zu kommen. Eine prominente Bibliographie ergänzt das handliche Taschenbuch, das für den literaturwissenschaftlichen Einstieg oder den schulischen Lehrbetrieb genauso geeignet ist wie für eine orientierende Auffrischung, die einher geht mit der Entdeckung weniger bekannter romantischer Texte deutschsprachiger Autoren.

Stefan Blanz

(Diese Rezension erschien in der Zeitschrift »Schwäbische Heimat«, Heft 2021/1)

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