Titelbild eines Buches

Maria Würfel: Starke Frauen. Oberschwäbische Äbtissinnen zwischen Reformation und Säkularisation.

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(Oberschwaben – Ansichten und Aussichten, Band 13) Verlag Regionalkultur Ubstadt-Weiher 2020. 160 Seiten mit 67 farbigen Abbildungen. Fester Einband € 20,–. ISBN 978-3-95505-199-0

Neben ihren geistlichen Pflichten hatten die Äbtissinnen der Frühen Neuzeit immer auch weltliche Führungsaufgaben. Die von Maria Würfel vorgestellten »starken Frauen« steuerten die Zisterzienserinnenabtei Heiligkreuztal sowie die Stifte Buchau, Säckingen und Fraumünster mit hohem persönlichem Einsatz durch Krisen- und Umbruchszeiten.

Veronika von Rietheim leitete während ihrer Amtszeit (1521–1551) im Zisterzienserinnenkloster Heiligkreuztal insgesamt 20 Bauprojekte, deren Spuren nach einer umfassenden Restaurierung heute wieder sichtbar sind. Die Auswahl der beauftragten Künstler weist die Äbtissin als Kennerin der Kunstszene aus. Das neue Lebensgefühl der Renaissance und die Hochschätzung des Individuums führten dazu, dass Veronika die Klosterbaukunst nicht nur zur Ehre Gottes betrieb, sondern auch – ein Novum im Klosterbau – dem eigenen Wirken ein Denkmal setzte.

Maria Carolina von Königsegg-Rothenfels, Stiftsäbtissin von Buchau, stand den barocken »Bauprälaten« ihres Umfelds – etwa in Weingarten und Salem – nicht nach und hat »in 32 baufreudigen Regierungsjahren der Anlage ihren Stempel aufgedrückt«. Begonnen hatte ihre Amtszeit 1743 in einem von den überschwänglichen Formen des Rokoko geprägten Umfeld. In den späten 1760er-Jahren wechselte die »Bauprälatin« zum neuen, immer beliebter werdenden strengen Stil des Klassizismus, an dem sie aller Kritik zum Trotz auch konsequent festhielt.

In der baulichen Neugestaltung von Kloster Heiligkreuztal bzw. Stift Buchau werden nicht nur die unterschiedlichen Lebenswelten und Zielsetzungen der beiden, durch zwei Jahrhunderte getrennten Äbtissinnen fassbar, sondern auch die Unterschiede zwischen der klösterlichen Lebensform und dem von adligem Lebensstil geprägten Damenstift, das weder Ordensgelübde noch Klausur, sondern nur gewisse Gebetsverpflichtungen verlangte. So sorgte die Zisterzienseräbtissin in Heiligkreuztal beispielsweise für kleine Zellen als Rückzugsräume für Meditation und Gebet, ganz im Sinn der Klosterreform, die auf individuelle, verinnerlichte Frömmigkeit abhob. In der frühklassizistischen Anlage des Buchauer Damenstifts hingegen spiegeln sich adliger Lebensstil und ein entsprechendes Repräsentationsbedürfnis.

Als schillerndste Gestalt sticht Katharina von Spaur hervor, Buchauer Äbtissin von 1610 bis 1650. Lange Auseinandersetzungen mit dem Bischof von Konstanz um die Stiftsautonomie, aber auch stiftsinterne Querelen machten der als Tiroler »Ausländerin« angefeindeten, ehrgeizigen und bisweilen eigenmächtigen Aufsteigerin zu schaffen. Während des Dreißigjährigen Krieges nutzte Katharina ihr Beziehungsnetz, um das Stift von Einquartierungen und Kontributionszahlungen freizustellen. Und sie ging sogar so weit, dem Bruder des Kaisers 1628 einen Mordplan zu unterbreiten, um dem verhassten Oberbefehlshaber Wallenstein den garaus zue machen.

Maria Anna von Hornstein-Göffingen, von 1755 bis 1809 Äbtissin des Fridolinstifts in Säckingen, konnte ihre ehrgeizigen Baupläne mangels Geldes zwar nicht verwirklichen. Aber sie modernisierte die Verwaltung des Stifts, seine Landwirtschaft, seine Gerichtsbarkeit. In den frühen 1780er-Jahren musste sie um den Erhalt des Stiftes kämpfen, das, auf vorderösterreichischem Gebiet gelegen, durch die josephinischen Reformen in seiner Existenz bedroht war. In drei Audienzen beim Kaiser legte sie bemerkenswertes Verhandlungsgeschick an den Tag. Alte Urkunden, die die historisch beschlagene Äbtissin aufgetan hatte, lieferten ihr Argumentationshilfen. Tatsächlich nahm Joseph II. das Aufhebungsdekret 1785 zurück. Bei ihrer Rückkehr wurde Maria Annas Einsatz von den Stiftsuntertanen mit einer Ehrenpforte gewürdigt, einer traditionell männlichen Form der Huldigung.

Bereits mit 18 Jahren wurde Katharina von Zimmern 1496 zur Äbtissin des in Zürich gelegenen Stifts Fraumünster gewählt. Ihre fast 30-jährige Amtszeit zeigt sie als engagierte Äbtissin – bis die Reformation in Zürich die Oberhand gewann. In dieser Situation entschloss sich Katharina, das Stift mit allen Rechten und Besitzungen an die Stadt Zürich zu übergeben. Über ihre Beweggründe zu diesem Schritt herrscht Unklarheit, ebenso wie dessen Bewertung offen ist: Hat sie die Stadt vor Unruhen bewahrt und den Frieden gesichert, wie die protestantische Seite lobte? Oder hat sie das Stift, gegen kirchliches und weltliches Recht, »umb ein leibgeding« kampflos aufgegeben, wie man ihr von katholischer Seite – so auch ihr Neffe Froben Christoph von Zimmern in seiner berühmten Chronik – vorwarf?

Ein Info-Kasten mit biografischen Eckdaten und Angaben zum familiären Hintergrund bietet einen schnellen Überblick. Ein Glossar erläutert Begriffe und Personen aus dem Ordenswesen. Wichtige schriftliche Quellen werden, farblich abgesetzt, ausführlich zitiert. Wo diese fehlen, zieht Würfel architektonische Zeugnisse und Kunstwerke zu Rat, anhand derer sie ihre Argumentation schlüssig entwickelt. Das macht einen großen Reiz des reich illustrierten Buches aus. Die Landeshistorikerin und Geschichtsdidaktikerin wird ihrem Anspruch, ein wissenschaftsnahes Sachbuch vorzulegen, damit auf höchst lesenswerte Weise gerecht.

Dorothea Keuler

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