Dr. Manuela Oberst: Gustav-Schwab-Preis 2012

Blick über die Wurmlinger Kapelle zur Burg Hohenzollern – verfremdet | Bildhinweis: Von Thomas Hentrich, CC BY 3.0, Link

drei Personen mit einem Blumenstrauß
Von links: Prof. Dr. Franz Quarthal, Dr. Manuela Oberst und Fritz-Eberhard Griesinger.

Dr. Manuela Oberst aus Beilngries ist die dritte Preisträgerin des Gustav-Schwab-Preises. Mit der 2009 gestifteten Auszeichnung prämiert der Schwäbische Heimatbund Nachwuchsforscher für herausragende wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Geschichte, der Literatur und der Landeskunde des schwäbischen Raumes.

Die Jury unter Vorsitz von Prof. Dr. Franz Quarthal vom Historischen Institut, Abteilung Landesgeschichte der Universität Stuttgart, prämierte 2012 die Arbeit von Dr. Oberst Exercitium, Propaganda und Repräsentation. Die Dramen-, Periochen- und Liberettosammlung der Prämonstratenserabtei Marchtal (1657 bis 1778), die 2010 in Stuttgart in der renommierten Reihe der Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde Baden-Württemberg erschien.

Unser besonderer Dank gilt der Daimler AG, die in diesem Jahr das Preisgeld für den Gustav-Schwab-Preis zur Verfügung gestellt hat.

Laudatio

In seiner Preisbegründung hob Prof. Dr. Quarthal im Rahmen der Mitgliederversammlung des Schwäbischen Heimatbundes am 15. Juni 2012 in Fellbach die besonderen Leistungen der Dissertation hervor:

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
mit großer Sorge haben viele Betroffene den Rückgang der Zahl der Promotionen im Bereich der südwestdeutschen und schwäbischen Landeskunde im Verlaufe des letzten Jahrzehnts beobachtet. Obwohl der schwäbische Raum eine reiche und differenzierte Geschichte hat, obwohl wir eine reiche und vielfältige Archivüberlieferung haben, obwohl mehrere Universitäten an diesem Raum interessiert sind, ging die Zahl der Promotionen, insbesondere zur Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit, dramatisch zurück. Die Gründe dafür sind vielfältig: eine totale Änderung in der Schwerpunktsetzung im Schulunterricht, neue Gewichtungen im universitären Studium, eine größere Mobilität und Veränderungen in der Zusammensetzung der Bevölkerung, die eine geringere regionale Bindung zur Folge hat, der Verlust des geschichtlichen Charakters vieler Teile der Landschaft Südwestdeutschlands, all dies mag zusammen mit anderen Faktoren eine Rolle gespielt haben.

Der Schwäbische Heimatbund wollte dem entgegenwirken und hat deswegen zu seinem 100jährigen Jubiläum den Gustav-Schwab-Preis für herausragende wissenschaftliche Arbeiten zum schwäbischen Raum von Nachwuchswissenschaftlern gestiftet. Er will damit eine verstärkte Beschäftigung mit der Landes-, Kunst, Kirchen- Rechts und Wirtschaftsgeschichte des schwäbischen Raumes erreichen.

In der Tat war diese Zielsetzung richtig: Es hat uns bei der Entscheidung über die diesjährige Preisträgerin oder den diesjährigen Preisträger eine wesentlich größere Zahl von Arbeiten erreicht als im Jahre zuvor. Wir hoffen, dass diese Tendenz anhält.

Zur Arbeit von Frau Dr. Manuela Oberst Exercitium, Propaganda und Repräsentation. Die Dramen-, Periochen- und Liberettosammlung der Prämonstratenserabtei Marchtal (1657 bis 1778): Es könnte sein, dass selbst Gustav Schwab, der Namenspatron unseres Preises, in seiner Gomaringer Studierstube nicht gleich gewusst hätte, was er mit dem Titel der Arbeit verbinden soll. Deswegen einige Worte dazu. Im Allgemeinen kennen wir uns mit der altwürttembergischen Schul-, Bildungs- und Geistesgeschichte recht gut aus. Die Klosterschulen, das Tübinger Stift, die Universität Tübingen, Frischlin, Kepler, Arndt, Oettinger, Wieland, Bilfinger, Schubart, Stäudlin, Schiller, Uhland, Mörike, Waiblinger, Kerner sind uns wohl vertraut. Weniger gut ist unsere Kenntnis im Bereich der neuwürttembergischen, katholischen Dichtung. Hier gab es eine zunächst von jesuitischer Schultradition ausgehende, dann aber auch von den anderen Orden übernommene Tradition des Theaterspielens mit einer Fülle von Theaterstücken, von denen wir heute kaum noch etwas wissen. Im Wortlaut überliefert sind diese Stücke kaum, zumeist haben wir nur Zusammenfassungen in deutscher Spreche für die des Lateins unkundigen Zuhörer, mit denen diesen es ermöglicht werden sollte, dem Inhalt des Schauspiels zu folgen. Diese Periochen eröffnen uns den Zugang zu einer geistigen, katholisch geprägten Literatur, von der wir bisher kaum etwas wissen. Frau Oberst hat also mit ihrer Arbeit ein bedeutendes Stück geistiger Überlieferung des katholischen Schwabens dem Vergessen entrissen.

Das katholische Theaterspiel war ein Bestandteil der Pädagogik im Schulunterricht, es diente der konfessionellen Propaganda und es war ein Teil der Selbstdarstellung machtbewusster katholischer Kirchenfürsten. Es war aber auch deutsche Dichtung in lateinischer Gestalt, ein Teil der schwäbischen Geistigkeit, zu dem wir bislang nur einen geringen Zugang hatten. 433 Dramen und Libretti hat Frau Oberst in einer Sammlung des Klosters Marchtal, die heute im fürstlich thurn – und taxischen Archiv in Regensburg aufbewahrt wird, erschlossen.

Frau Claudia Manuela Oberst wurde 1972 im fränkischen Bamberg geboren. Nach ihrem mit dem Notendurchschnitt “sehr gut” bestandenen Abitur schloss sie ein Lehramtsstudium mit den Fächern Katholische Religionslehre und Mathematik an der Universität Eichstätt-Ingolstadt an, das sie 1998 mit der Ersten Staatsprüfung abschloss. Von 1999 bis 2005 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Lehrstuhl für mittlere und neuere Kirchengeschichte der Universität Eichstätt-Ingolstadt. 2006 schloss sie ihre Promotion mit der Note “magna cum laude” ab. Seit dem Februar 2008 ist sie Studienrätin am Gymnasium in Beilngries im ehemaligen Fürstbistum Eichstätt in der Altmühl-Jura Region in Franken. Einen weiteren Aspekt ihrer Forschungen hat Frau Oberst in dem Katalog zur Säkularisationsausstellung von 2003 “Alte Klöster – Neue Herrn” publiziert.

Gutachter bescheinigen der Preisträgerin, dass sie in der frühneuzeitlichen Theatergeschichte hervorragend beschlagen sei, mit umfassenden Wissen die untersuchten Stücke ihren pädagogischen, propagandistischen und repräsentativen Zielen zuordnen könne, die Tradition des Ordenstheaters neben dem jesuitischen Theaters erstmals erkennen lasse und dazu auch die musikalisch reiche Festkultur der Klöster berücksichtige. Das oberschwäbische Schultheater also Sondertyp des barocken Theaters wird von ihr in exzellenter Weise analysiert und beschrieben.

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