Weinbergmauer

Die Träger des Kulturlandschaftspreises 2020

Engagement und Landschaftspflege in vielen Facetten

Seit 30 Jahren wird jährlich der Kulturlandschaftspreis vom Schwäbischen Heimatbund und dem Sparkassenverband Baden-Württemberg vergeben. Er ist gedacht als öffentliches Signal, sich für die Erhaltung und Weiterentwicklung der Kulturlandschaft zu engagieren. Denn unsere Kulturlandschaften sind gefährdet! Mit einem immer schneller werdenden Wandel landwirtschaftlicher Wirtschaftsweisen wie einem Abbau der Vielfalt bei Sorten und Struktur, einem zunehmenden Anbau von Energiepflanzen, der Aufgabe arbeitsintensiver Nutzungsweisen und insgesamt von Flächen ändert sich das Bild der Landschaften unwiderruflich, gehen Arten- und Strukturvielfalt verloren. Alte landschaftsprägende Kulturformen stehen mangels Wirtschaftlichkeit vor dem Aus. Angesichts dieser Entwicklung war und bleibt es Ziel des Kulturlandschaftspreises, dieses Thema in die Gesellschaft hinein zu tragen, Problembewusstsein dafür zu wecken und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Dass dies funktioniert und der Kulturlandschaftspreis sein Ziel erreicht, wird jedes Jahr in der Themenvielfalt der Bewerbungen um den Preis deutlich, an den guten Ideen, die umgesetzt werden, und an der Vielfalt der Bewerber. Es sind Vereine, Familien, landwirtschaftliche Betriebe und viele Einzelpersonen, die sich mit persönlichem Einsatz, oft pfiffigen Ideen und großem Engagement für ihre Kulturlandschaft vor Ort einsetzen und meist über eine intensive Öffentlichkeitsarbeit als Multiplikatoren wirken. Dass zunehmend auch junge Menschen die Kulturlandschaft in beispielhafter Weise in ihre Zukunftsplanung einbinden, kann besonders hoffnungsvoll stimmen. Wenn es den Kulturlandschaftspreis nicht schon gäbe, man müsste ihn erfinden!

Jeder Hauptpreisträger erhält ein Preisgeld von 1.500 €, der Kleindenkmalpreis wird mit je 500 € belohnt. Die Preissumme werden vom Sparkassenverband Baden-Württemberg sowie der Sparkassenstiftung Umweltschutz zur Verfügung gestellt.

Jugend-Kulturlandschaftspreis 2020

Graf-Eberhard-Gymnasium, 72574 Bad Urach (Kreis Reutlingen)

Wo Kulturlandschaft in Theorie und Praxis zum Schulstoff gehört: Der Jugendpreis geht nach Bad Urach

Kinder auf einer Obstbaumwiese
Die Imkerei-AG ist ein wichtiges Element des Engagements am Graf-Eberhard-Gymnasiums in Bad Urach (Foto: Michael Jaesrich)

Bad Urach und sein Graf-Eberhard-Gymnasium (GEG) liegen im Ermstal – unmittelbar am Fuß des Albtraufs – in einer ausgesprochen reizvollen und abwechslungsreichen Kulturlandschaft. Feuchte Schlucht- und großflächige Buchenwälder wechseln mit steilen Felslandschaften, dazwischen liegen Burgruinen von landesgeschichtlicher Bedeutung und immer wieder Wacholderheiden und ausgedehnte, artenreiche Magerrasen. Es hat schon seinen Grund, dass Bad Urach sich zu einem der wichtigen Ausgangspunkte für Besuche im UNESCO-Biosphärengebiet Schwäbische Alb entwickelt hat. Dass solche naturkundlichen Schätze auch von den vor Ort lebenden und damit aufgewachsenen Menschen so gesehen und geschätzt werden, ist aber beileibe nicht selbstverständlich. Für die Schüler*innen des Graf-Eberhard-Gymnasiums in Bad Urach allerdings gehört es seit mindestens 15 Jahren schon zur Schulnormalität, diesen Reichtum ihrer Heimat im Unterricht kennen zu lernen und sich aktiv für diese ihre Landschaft zu engagieren.

Zu Beginn waren es Einzelaktionen, zu denen der inzwischen pensionierte Geografie-Lehrer Roland Schaich Gruppen engagierter Schüler*innen für gemeinsame Landschaftspflegeeinsätze gewinnen konnte. Doch inzwischen sind die 10. Klassen eines jeden Schuljahrgangs quasi zu „Paten“ der Magerrasen geworden, die sie im nahe gelegenen Natur- und Landschaftsschutzgebiet Goldland-Klausenberg im Herbst pflegen. Es ist eine Kooperation mit dem Schwäbischen Albverein und eng abgestimmt mit den zuständigen Naturschutzbehörden: Mitglieder der SAV-Ortsgruppe mähen zunächst die ausgedehnten Halbtrockenrasen maschinell. Anschließend sorgen jeweils zwischen 40 und 60 Schüler mit Rechen und Heugabeln dafür, dass das Mähgut auf große Mieten am Hangfuß gezogen, aufgeladen und weggefahren wird. Die jährlichen Arbeitseinsätze sind Garant dafür, dass die Magerrasen-Landschaft im Naturschutzgebiet trotz ausgefallener Wanderschäferei auch heute noch Lebensraum einer artenreichen Pflanzenwelt sowie von Insekten, Lurchen und Vogelarten ist, wie man sie so vielfältig nur noch selten findet. Davon überzeugen sich die jungen Kulturlandschaftspfleger bei Insektenexkursionen im nachfolgenden Frühjahr jeweils selbst.

Aber nicht nur für die 10. Klassen gehört Engagement in der Kulturlandschaft zur schulischen Selbstverständlichkeit. Annähernd alle Klassenstufen sind eingebunden in die vielfältigen Projekte und Arbeiten im „Schulgütle“. Die Idee dazu gab es schon lange. Anfang 2019 ist es dann gelungen, den Schülern und Schülerinnen des Gymnasiums ein verwildertes Streuobstgrundstück im Ermstal zur Bewirtschaftung zu übertragen. Viele Themen und Lerninhalte zu ökologischen Zusammenhängen, zu Heimat und Region lassen sich dort verwirklichen. So erarbeiten sich die Achtklässler die Bedeutung der Obstbäume für Vögel und Insekten, indem sie Wissen zu Obstbaumpflege und Baumschnitt in einem Schnittkurs theoretisch erwerben und praktisch erproben. Die Klassenstufen 5 und 6 unternehmen parallel zu ihrem Biologieunterricht Insektenexkursionen und machen so ihren theoretischen Unterrichtsstoff praktisch erlebbar. Ganzjährige Aufgabe für die Klassenstufen 5 und 7 ist eine Insekten-AG mit Imkerei. Die Betreuung der Bienenvölker vermittelt ihnen Wissen zur Ökologie der Streuobstwiese, wie es der Unterricht allein nie könnte. Und natürlich gehören auch die Obsternte und die Verarbeitung in der Mosterei zu den Aufgaben der jüngeren Schuljahrgänge.

Von den Jugendlichen selbst – nämlich aus der SMV – stammen weitere Ideen für Projekte, die sich mit Ökologie, Kulturlandschaft und regionaler Ernährung auseinandersetzen. So engagieren sich Schüler*innen aller Klassenstufen in einem „Öko-Shop“ und vermarkten Honig und Apfelsaft in und bei größeren Veranstaltungen auch außerhalb der Schule. Was sie ihren Kunden dabei immer auch noch mitgeben, ist ihre gewonnene Erfahrung, wie vielfältig und wichtig Streuobst für uns alle ist. Mit all diesen Aktivitäten lernen die Schüler*innen des GEG von klein auf, die Kulturbiotope ihrer Heimat zu schätzen. Sie erwerben konkrete Fähigkeiten zum Umgang damit und erarbeiten sich auf diese Weise ein Bewusstsein für die Bedeutung von Kulturlandschaft und einen reflektierten Heimatbegriff. Für dieses beispielhafte Projekt erhalten das Graf-Eberhard-Gymnasium Bad Urach und vor allem seine Schüler*innen den Jugend-Kulturlandschaftspreis 2020.

Kulturlandschaftspreis 2020

(von Nord nach Süd)

Familie Dieter Haag, 74670 Forchtenberg (Hohenlohekreis)

Mit Schafen und Ziegen die Vielfalt der Hohenloher Weinbaulandschaft erhalten

Schafe auf der Weide
Eine Herde vierbeiniger Kulturlandschaftspfleger bei der Arbeit. Für jede Weidefläche entwickelt Familie Haag ein spezielles Pflegekonzept (Foto: Dieter Haag)

Als Dieter Haag 1984 aus Forchtenberg in Hohenlohe den landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters übernahm, wurde auf dem Hof noch vorwiegend mit Schweinen und Milchkühen gewirtschaftet. Doch Herr Haag und seine Frau hatten eigene Vorstellungen davon, wie eine langfristige Zukunft für den Betrieb aussehen könnte. Mit einem guten „Feeling“ für Chancen in der Strukturentwicklung der Landwirtschaft und mit eigenen Ideen haben sie ihre Vorstellungen auch erfolgreich umgesetzt: Heute führen sie mit ihren beiden Söhnen und einem Neffen einen erfolgreichen Landschaftspflegebetrieb mit etwa 400 Ziegen und Schafen, die für die Bewahrung der traditionellen Landschaftselemente in der Weinbaulandschaft an Kocher und Kupfer von großer Bedeutung sind.

Wie überall in den Weinbauregionen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch im „Weinparadies Hohenlohe“ vieles in der Landschaft verändert. Vor allem Rebflurbereinigungen haben geholfen, dass der traditionelle Weinbau wirtschaftlich einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. Zusammenlegung guter und Aussonderung schwieriger Flächen, Anlage von Querterrassen, maschinengerechte Umgestaltung, aber auch moderne Verfahren beim Ausbau der Weine haben zu deutlichen Qualitätssteigerungen geführt. Doch wie immer bei Intensivierungsmaßnahmen haben sie gravierende Probleme für die Kulturlandschaft und deren Arten- und Strukturvielfalt mit sich gebracht. Der Wert der Produktionsflächen als Lebensraum sinkt stetig. Aber auch in den ausgesonderten und meist an „den Naturschutz“ abgetretenen Rest-, oder freundlicher gesagt, Biotopflächen, lässt sich ohne eine abgestimmte Bewirtschaftung die hohe Naturschutzbedeutung nicht dauerhaft bewahren. In dieser Aufgabe hat Familie Haag eine Nische für die Zukunft ihres Betriebes gefunden und erfolgreich besetzt. Mit drei Herden, in denen bunt gemischt verschiedene Schaf- und Ziegenrassen laufen, beweiden und pflegen Haags rund 50 Hektar offene Kulturlandschaft im Kochertal zwischen Forchtenberg und Belsenberg. Neben dem jeweiligen Hauptberuf kontrollieren die Männer der Familie täglich die Herden und bringen sie auf neue Pflegeflächen. Alle anderen Arbeiten finden nach Feierabend und am Wochenende statt. Neben der Landschaftspflege trägt die Vermarktung der Lämmer zum Betriebserfolg bei: Ein Teil der Lämmer wird verkauft, und beim jährlichen Lammfest auf dem Hof und auf dem Weihnachtsmarkt in Forchtenberg finden selbst produzierte Wurstwaren nach eigener Rezeptur guten Absatz.

Mit dem ständigen Wechsel der Herden zwischen den vielen Weideflächen wird aber nicht nur die traditionelle Artenvielfalt auf ihnen erhalten, sondern sogar noch gefördert. Mit dem Transport von Insekten, Kleintieren sowie Pflanzensamen in Fell und Darm der Weidetiere von Fläche zu Fläche hat sich ein der Wanderschäferei vergleichbares genetisches Verbundsystem entwickelt, das von Forchtenberg bis Belsenberg reicht und den Artenaustausch über weite Strecken ermöglicht. Für diesen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Hohenloher Kulturlandschaft und ihren Einsatz für das Miteinander von Ökonomie und Ökologie im Kochertal wird der Landschaftspflegebetrieb Haag mit dem diesjährigen Kulturlandschaftspreis ausgezeichnet.

Streuobstinitiative Vaihingen/Enz und Umgebung, 71665 Vaihingen/Enz (Kreis Ludwigsburg)

Wie sich mit Misteln und Apfelschorle Kulturlandschaft sichern lässt

Männer vor einem großen Behälter mit Äpfeln
Stolz können die Akteure der Streuobstinitiative auf die Entwicklung ihres Projektes sein: 180 Tonnen nach strengen Qualitätskriterien angenommenes Obst im Jahr 2019 sichern ein großes Stück Kulturlandschaft (Foto: privat)

Dass es um die Zukunft der Streuobstwiesen nicht gut bestellt ist, ist inzwischen wohl niemandem mehr unbekannt, der mit offenen Augen durch die Landschaft geht. Da tut es gut, zu sehen, an wie vielen Orten sich lokale bürgerschaftliche Initiativen gebildet haben, und darum gehören besonders eindrucksvolle Streuobstprojekte regelmäßig zu den Preisträgern des Kulturlandschaftspreises. Wenn sich erfolgreiche Projektmacher zudem mit der Aussage bewerben, darauf stolz zu sein, wegen der strengen Kriterien in ihren Abnahmeverträgen mit den Obsterzeugern als besonders kleinlich zu gelten, ist das Interesse der Jury geweckt.

10 Jahre ist das „Aktionsbündnis Streuobst-Aufpreis-Initiative“ aus Vaihingen inzwischen alt und hat in dieser Zeit viel erreicht, um den Streuobstbau im Enzkreis langfristig zu sichern. Waren es im ersten Jahr noch 19 Tonnen Obst, die angeliefert und verarbeitet wurden, waren es im vergangenen Jahr beeindruckende 180 Tonnen, die eingesammelt und zu „Ensinger-Apfelschorle“ verarbeitet wurden. Damit stoßen die zurzeit 16 aktiven Männer und Frauen der Initiative inzwischen an ihre Grenzen. Doch bisher hat die schlagkräftige Truppe unter der Regie der einstigen Projektgründer, des Imkers Gerhard Haffner und des Landtagsabgeordneten Dr. Markus Rösler, immer noch Lösungen für anstehende Probleme gefunden. Neben der Quantität seines Erfolges beeindruckt das Projekt durch besondere Qualitätsmerkmale. So schreiben die Abnahmeverträge für das angelieferte Obst nach NABU-Kriterien zwingend den Verzicht auf Mineraldünger, Pestizide und Insektizide sowie die Nachpflanzung von Hochstämmen für abgängige Bäume vor. Die Einhaltung dieser Kriterien wird nach Vertragsabschluss und danach mit jährlichen Stichproben von Blättern und Früchten im chemischen Labor überprüft. Nicht alltäglich ist auch die Sorgfalt, mit denen an den Förderbändern angefaultes Obst sowie Aststücke, Laub und Gras streng aussortiert, beim Gewicht abgezogen und dann Pferdehaltern zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig werden den Lieferanten – neben einem guten Abnahmepreis – auch jährliche Baumschnittkurse unter fachkundiger Leitung angeboten. Außergewöhnlich ist schließlich der jährliche Mistelschnitt, bei dem befallene Bäume saniert und die geschnittenen Mistelzweige auf dem Vaihinger Weihnachtsmarkt gegen eine Spende abgegeben werden. So können jedes Jahr auch noch etwa 2000 Euro an soziale Einrichtungen gespendet und die Lebenszeit der Apfelbäume verlängert werden. Für dieses erfolgreiche Projekt mit seinen guten Ideen und für ihr beeindruckendes Engagement erhält das Aktionsbündnis Streuobstinitiative Vaihingen den diesjährigen Kulturlandschaftspreis.

Weingut Felix Velte, 74379 Ingersheim (Kreis Ludwigsburg)

Mit guten Ideen und dem »Schrannawengert« die Zukunft im Steillagenweinbau angehen

Weinbergmauer
Steillagenweinbau ist eine große Herausforderung. Felix Velte hat die Mauern mustergültig instand gesetzt (Foto: Felix Velte).

Flusstäler mit Steillagenweinbau gehören zu den spektakulärsten Kulturlandschaften, die wir im Land besitzen. Doch ob diese beeindruckenden Steilhänge mit ihren Trockenmauern, Rebterrassen und „Stäffele“ eine Zukunft haben, ist seit langem fraglich. Die kleinklimatische Gunst der Steilhänge lässt zwar ausgezeichnete Weine wachsen, aber die dazu notwendige, ganzjährig harte Handarbeit ist nur etwas für engagierte Überzeugungstäter, und so droht ständig die Unwirtschaftlichkeit. Zuwuchernde Brachflächen in Weinberglagen und zerfallende Weinbergmauern zeugen vielerorts davon, dass Bewirtschafter altersbedingt aufgeben und der Nachwuchs fehlt. Da ist es schon eine Besonderheit, wenn sich ein junger Mann in Ingersheim zum Ziel setzt, schon aufgegebene Rebflächen neu aufzubauen und damit ein eigenes Weingut zu begründen. Felix Velte ist in dieser Landschaft aufgewachsen. Die Mitarbeit im familieneigenen, dem Eigenbedarf dienenden Weinberg gehörte von Kindheit an für ihn dazu. Die Leidenschaft seines Großvaters für den Weinbau muss wohl überzeugend gewesen sein: Der Berufswunsch des Jungen – Winzer nämlich – stand jedenfalls nach der Schule fest. Eine Lehre als Weinküfer und die Weiterbildung zum Weinbautechniker gaben ihm die Grundlagen für sein Vorhaben.

Im Winter 2012 begannen Felix Velte und seine ganze Familie – Ehefrau, Eltern, Schwiegereltern, Großeltern, Brüder und sogar ein Onkel aus dem fernen Bremen – mit der Sanierung der Trockenmauern im Weinberg des Großvaters. Etwa 60 Quadratmeter Mauerwerk wurden wiederhergestellt. Anschließend rodeten sie die Anbauflächen und bestockten sie neu, mit Rebsorten, die das Potenzial der Lage nun optimal nutzen. Kaum fertig damit, konnte Felix Velte 2015 einen schon länger brachliegenden und großflächig verbuschten Weinberg dazu pachten. Nach Rodung des Bewuchses folgte auch hier zunächst die Sanierung der Weinbergmauern. Es war eine harte Gemeinschaftsarbeit der ganzen Familie, unterstützt noch von Freunden. Mit festgefrorenen Steinen im Winter, in glühender Sommerhitze oder im regennassen Matsch hat Familie Velte insgesamt 150 Quadratmeter Trockenmauern neu so gesetzt, dass eine durchgängige Befahrbarkeit der Terrassen mit einem Rasenmäher möglich wurde. Neben den vorhandenen Steinen waren dazu noch einmal 50 Kubikmeter zusätzlicher Steine aus einer abgebrochenen Scheune nötig. Dann konnte auch diese 21 Ar große, kleinterrassierte Fläche mit Gewürztraminer und Weißburgunder neu bestockt werden. Und seit 2018 schließlich werden die aus den terrassierten Steillagen von Hand gelesenen Trauben zu heimischen Spitzenerzeugnissen (Felix Velte) gekeltert.

Mit Ertragsreduzierung über geringen Anschnitt des Fruchtholzes, grüner Lese im Sommer und selektiver Auslese bei der Ernte, mit frühzeitiger, sortenangepasster Entblätterung sowie Dauerbegrünung bis zur Reifung in Holzfässern werden Weine produziert, die etwas Besonderes sind. Felix Velte hat für sie den Namen „Schrannawengert“ gewählt, nach der lokalen schwäbischen Bezeichnung für Weinbergterrasse. Der Name macht neugierig und verlockt dazu, auf der informativen Webseite des Weinguts Felix Velte mehr zu erfahren. Für ihren beeindruckenden Beitrag dazu, die Kulturlandschaft Steillagenweinbau zukunftsfähig zu halten, werden Felix Velte und sein neues Weingut mit dem diesjährigen Kulturlandschaftspreis ausgezeichnet.

Schwäbischer Albverein Ortsgruppe Kohlberg, 72664 Kohlberg (Landkreis Esslingen)

Ziegen halten die Kulturlandschaft am Albtrauf offen

Ziegen in einer Felsspalte
Da kommt kein Rasenmäher hin: Landschaftpflege unter erschwerten Bedingungen (Foto: Schwäbischer Albverein, Ortsgruppe Kohlberg)

Die Blaue Mauer, die nördliche Trauflinie der Schwäbischen Alb, zählt mit ihren Buchenwäldern, Heiden, Streuobst- und artenreichen Magerwiesen zu den bedeutendsten Kulturlandschaften in Südwestdeutschland. Reich an landschaftlicher Schönheit und mit vielen Aussichtspunkten ins Albvorland ist sie Ziel von Wanderern und Erholungssuchenden. Nähert man sich ihr von Stuttgart und den Fildern her, fällt schon früh ein Ensemble markanter Zeugenberge ins Auge. Es sind Jusi, Neuffener Hörnle und der Floriansberg, Landmarken mit historisch offener Wiesenlandschaft über den Wäldern am Albtrauf. Als traditionelle Weidelandschaften mit großem Artenreichtum stellen sie schon sehr lange Rückzugslebensräume gefährdeter Tier- und Pflanzenarten dar, die von dort aus immer wieder die umgebende Kulturlandschaft besiedeln können. Doch auch hier hat mit dem Rückgang der Wanderschäferei in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein schleichender Sukzessionsprozess eingesetzt. Die offenen Magerrasen begannen zu verbuschen, die charakteristischen großflächigen Rutschhänge aus lockerem vulkanischen Material zu verbuschen und zu verfestigen.

Aufmerksame Beobachter solch schleichender Landschaftsveränderungen sind vielerorts die Mitglieder des Schwäbischen Albvereins, auch am Jusi, oberhalb von Kohlberg. Vor 10 Jahren schon haben sich Stefan Tremmel und die Mitglieder der Kohlberger Ortsgruppe des SAV Gedanken gemacht, ob und wie sie dieser Entwicklung an ihrem Hausberg etwas entgegensetzen könnten. Mit viel Mut haben sie begonnen und sich eine kleine Ziegenherde zugelegt. Doch mit dem geplanten Stallbau am Jusi gab es zunächst einmal baurechtliche Probleme. Glücklicherweise wurden die Nachbarn aus Metzingen, die am Floriansberg unter ähnlichen Beweidungsmängeln litten, aufmerksam und halfen rasch am Florian mit einer Fläche für den Stallbau aus. So konnte sich die gute Idee der Ortsgruppe zu einem Erfolg entwickeln.

Mit inzwischen etwa 65 bunt gemischten Ziegen pflegen die engagierten Kohlberger Albvereinler die traditionelle Kulturlandschaft am Jusi, am Floriansberg und in den Rekultivierungsflächen am Fuß des Hörnle-Steinbruchs. Die Tiere sorgen dafür, dass eine artenreiche Magerrasenlandschaft nachhaltig erhalten und funktionsfähig bleibt, dass verbuschende Flächen immer wieder geöffnet und gerade am Hörnle im eigentlichen Sinne des Wortes „rekultiviert“ werden. Das Vorkommen verschiedenster Orchideen und Enziane, von blauflügliger Ödlandschrecke, Warzenbeißer und etlichen vom Aussterben bedrohten Schmetterlings- und Wildbienenarten belegt den Erfolg des Engagements. Doch noch ein weiterer schöner Erfolg hat sich eingestellt: Die intensive Fürsorge für die Tiere im Verein, die Organisation von Ziegenfesten, jährlichem Ziegenauftrieb, Ziegenpatenschaften und von erlebnispädagogischen Angeboten wie Ziegenführungen und Kindernachmittagen in Schulen haben den Zusammenhalt ungemein gestärkt und belebt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Vereinen im ländlichen Raum hat sich der Zahl der Mitglieder der Ortsgruppe in den vergangenen zehn Jahren annähernd verdoppelt. Für ihren großen Beitrag zu Erhaltung und Förderung der Kulturlandschaft auf den landesweit bedeutsamen Bergen Jusi, Hörnle und Florian und mit Gratulation zum Erfolg ihres Projektes wird die Ortsgruppe Kohlberg des SAV mit dem Kulturlandschaftspreis ausgezeichnet.

Sonderpreis Kleindenkmale 2020

Holde und Dietrich Gaa, 74388 Talheim (Landkreis Heilbronn)

Mit Klappspaten und Wurzelbürste

Relief aus Stein
Familie Gaa dokumentiert die Kleindenkmale aufs Genaueste, hier ein markantes Allianzwappen in Talheim (Foto: Dietrich Gaa).

Spielen Sie Detektiv, suchen Sie Grenzsteine! hieß es in einem Flyer des ehemaligen Landesdenkmalamts, der Holde und Dietrich Gaa aus Talheim im Sommer 2004 in die Hände geriet. Gerade nach ihrem Berufsleben als Gymnasiallehrer und Bibliothekarin in den Ruhestand getreten, waren die beiden sofort fasziniert von dieser Aufforderung und der spannenden Aufgabe, die sich damit eröffnete.

Mit Klappspaten und Wurzelbürste, wie eine Zeitung später titelte, streiften sie seitdem durch Wald, Wiesen und Felder, durchkämmten oftmals unzugängliches Unterholz in und um ihre Heimatgemeinde auf der Suche nach Grenzsteinen und anderen Kleindenkmalen. Innerhalb von etwa zehn Jahren konnten sie dabei 206 Grenzsteine und 127 andere Kleindenkmale auffinden, zum Teil mühevoll freilegen und in Bild und Text dokumentieren. Und seitdem sind noch einmal etliche dazu gekommen. Zusätzliche Recherchen im Gemeinde- und im Ludwigsburger Staatsarchiv lieferten ihnen oft ergänzende Informationen zu einzelnen Fundstücken und ihrer Geschichte.

Neben den Grenzsteinen ist es eine Vielfalt von Kleindenkmalen, die als Zeugnisse der Orts- und Kulturgeschichte faszinierende Einblicke in die Vergangenheit Talheims und der hier lebenden Menschen ermöglicht. Grenz- und Besitzsteine, Gedenk- und Inschrifttafeln, Feld- und Sühnekreuze, aber auch Wappen und sogenannte Neidköpfe, Gesichter und Fratzen in Stein oder Holz, die an Mauern oder Gebäuden angebracht sind. Holde und Dietrich Gaa haben ihre Funde in einer umfangreichen Bild- und Textdokumentation im Rahmen der Kleindenkmalkampagne sowohl dem Landesamt für Denkmalpflege und dem Kreisarchiv Heilbronn zur Verfügung gestellt, als auch ihren Mitbürger*innen in zahlreichen Artikeln im Talheimer Mitteilungsblatt und in einer Ausstellung nahegebracht. Eine Auswahl der interessantesten und schönsten Funde mit den Geschichten, die sie zu erzählen haben, ist nun 2020 reich bebildert auf 155 Seiten in einem Buch zusammengefasst, das unter dem Titel „Kleindenkmale“ in der Schriftenreihe „Aus der Talheimer Geschichte“ erschienen ist. Für ihr herausragendes bürgerschaftliches Engagement bei der Erforschung und Dokumentation von Kleindenkmalen werden Holde und Dietrich Gaa mit dem Sonderpreis Kleindenkmale ausgezeichnet.

Manfred Tegenkamp, 71566 Althütte (Rems-Murr-Kreis)

Erfassung und Dokumentation von über 400 Kleindenkmalen

Relief aus Stein
Einer der markanten Haussteine in Althütte (Foto: Manfred Tegenkamp)

Das nennt man erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit, mit der das damalige Landesdenkmalamt zu Beginn des landesweiten Projektes für die Erfassung der Kleindenkmale im Land geworben hat. Denn es war ein kurzer Zeitungsartikel zu diesem Thema, der im Sommer 2009 bei Angelika Szöke in Althütte das Interesse dafür geweckt hat. Neugierig geworden, besuchte sie die Auftaktveranstaltung des Rems-Murr-Kreises, fing sofort Feuer und überzeugte gleich ihren Mann, Manfred Tegenkamp. Da sie damals noch relativ neu in Althütte waren, beschlossen sie, sich zunächst einmal auf Erkundungsspaziergängen mit der Materie vertraut zu machen. Rasch waren sie sich dann einig, dass die Geländearbeit wohl eher etwas für ihn allein sein würde. Manfred Tegenkamp stürzte sich – neben seiner Berufstätigkeit – umgehend in das spannende Projekt. Er ließ sich von der Gemeinde digitales Kartenmaterial zur Verfügung stellen, informierte sich bei einem schon aktiven Kleindenkmal-Kartierer in der Nachbargemeinde Murrhardt und opferte anschließend eineinhalb Jahre lang nahezu seine gesamte Freizeit für das Erfassungsprojekt. Mehr als 400 Objekte, vorwiegend Grenzsteine, aber auch Hausinschriften, Haussteine, Brunnen, Quellfassungen, Backhäuser und andere Geschichtszeugnisse hat er im Gelände erfasst, mit GPS lokalisiert und fotografiert und anschließend zusammen mit seiner Frau in den Erfassungsbögen dokumentiert.

Über die Hinterlegung der Erfassungsergebnisse beim Landesamt für Denkmalpflege wie auch im Kreis- und Gemeindearchiv hinaus hat Manfred Tegenkamp viel Interesse in der Öffentlichkeit gefunden. In etlichen Vorträgen und mit Führungen und Exkursionen zu ausgesuchten Beispielen vor Ort haben seine Mitbürger*innen diese Zeugnisse der Ortsgeschichte und das, was sie erzählen, kennenlernen können. Für seinen wichtigen und engagierten Beitrag dazu, unsere Kleindenkmale für die Zukunft zu sichern und das Wissen darum für alle zugänglich zu machen, erhält Manfred Tegenkamp den Sonderpreis Kleindenkmale zum diesjährigen Kulturlandschaftspreis.

Hinweise

Hier finden Sie Informationen über die Ausschreibung und Bewerbungskriterien sowie Hinweise zu den am Preis beteiligten Partnern

Die Fotos auf dieser Seite wurden jeweils von den Preisträgern zur Verfügung gestellt und unterliegen dem Urheberrecht.

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