Die Holzmanufaktur Rottweil ist seit ihrer Gründung 1988 ausschließlich im Bereich Baudenkmalpflege tätig. Mit rd. 100 Mitarbeitenden restauriert und repariert die Holzmanufaktur historische Ausstattungen wie Fenster, Türen, Böden und Täfer. Die Zusammenarbeit mit dem SHB und die institutionelle Mitgliedschaft reichen weit zurück bis in die Zeit des Peter-Haag-Preises, der dem heutigen Denkmalschutzpreis (DSP) vorausgegangen ist. Unser Interview führten wir mit den beiden langjährigen geschäftsführenden Gesellschaftern Hermann Klos und Günther Seitz, die die Bereiche Vertrieb und Technische Leitung verantworten. In jüngerer Zeit hinzugekommen ist Adelina Dodolli, als drittes Mitglied der Geschäftsführung zuständig für die Administration.
Was verbindet Sie mit dem SHB?
Das ist die Liebe zum Baudenkmal. Kein Unternehmen war mehr an dem DSP beteiligt als die Holzmanufaktur Rottweil. Manchmal waren wir an drei prämierten Projekten gleichzeitig beteiligt. Diese Detailpräsenz haben wir heute nicht mehr. Wir sind inzwischen viel stärker bundesweit, auch bis in die Schweiz tätig. Außerdem wird mittlerweile bei öffentlichen Bauvorhaben in viel größerem Umfang der Bestand erhalten, dadurch sind wir regelmäßig in die Bearbeitung dieser großen öffentlichen Projekte eingebunden. Ein Beispiel: das Neue Schloss in Stuttgart, wo ursprünglich das Ersetzen aller 800 Fenster angedacht war, dann aber alle Fenster doch instandgesetzt und funktional sowie technisch anspruchsvoll verbessert wurden.
Aktuell sind Sie wieder an einem Objekt beteiligt, das mit dem DSP ausgezeichnet wird: Dem Wildenhof im Hochschwarzwald. Für welche Bereiche war die Holzmanufaktur zuständig, was war die besondere Herausforderung?
Wir haben die Fenster gemacht. Hier ging es um eine detailverliebte Rekonstruktion der nicht mehr vorhandenen originalen Fenster, die dem Hof jetzt sein ursprüngliches Gesicht wiedergegeben haben. In solchen Fällen sind Neuanfertigungen und Rekonstruktionen sinnvolle und berechtigte Konzepte, um die Gesamtbedeutung des Bauwerks widerzuspiegeln und erlebbar zu machen.
Sie hatten dieses Jahr Besuch von Bundespräsident Steinmeier. Was war der Anlass?
Es gibt das Format »Ortszeit Deutschland«, in dem der Bundespräsident für wenige Tage seinen Dienstsitz an einen anderen Ort in Deutschland verlegt und direkten Austausch mit der Bevölkerung sucht. Zuvor war er bereits in Altenburg in Thüringen sowie in Quedlinburg in Sachsen-Anhalt, dieses Jahr kam er in den Westen, nach Rottweil. In diesem Rahmen hat er auch die Holzmanufaktur besucht. Wir sprachen mit ihm darüber, wie man Nachwuchskräfte findet, dass das Handwerk bei der Jugend in die 2. Reihe gerückt ist und welche Rolle das Thema Digitalisierung spielt. Bei uns steht natürlich das Handwerk im Vordergrund, aber die Bereiche Administration, Planung und Projektbetreuung haben einen sehr hohen Digitalisierungsstand.
Wie gelingt es Ihnen, den Nachwuchs fürs Handwerk zu interessieren?
Wir erreichen Nachwuchs aus dem ganzen Land. In unserem kleinen Marktsegment haben wir eine gute Position, weil wir für Handwerk pur in der Baudenkmalpflege stehen, gepaart mit Forschung und Innovation. Wir haben die Nase vorn, und die, die sich bewerben wollen, kommen zur Homa, »die wollen die Nase sehen«. Aktuell haben wir parallel neun Azubis.
Die Holzmanufaktur Rottweil wird regelmäßig mit Preisen ausgezeichnet. Was wird da im Einzelnen gewürdigt?
Das sind ganz unterschiedliche Aspekte. Wir haben, als bislang einziges Unternehmen schon zum zweiten Mal, die »Denkmal-Goldmedaille« erhalten, die im Rahmen der Leipziger Denkmal-Messe verliehen wird. Sie gilt in der Branche als anerkanntes Qualitätssiegel für Spitzenleistungen in der europäischen Restaurierung und Denkmalpflege. 2016 sind wir von der Landesregierung Baden-Württemberg als Leuchtturmprojekt im Bereich Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft ausgezeichnet worden. Vor Jahren haben wir für unsere familienfreundliche Unternehmensstruktur den familyNET AWARD bekommen. Dieses Jahr wurden uns zwei Preise verliehen, über die wir uns sehr freuen: der Mittelstandspreis LEA vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus in Baden-Württemberg für unser Konzept, wie wir Schüler und Jugendliche ans Handwerk heranführen; und der Seifriz-Preis, der einzigartige Kooperationen zwischen Handwerk und Wissenschaft würdigt.
Wie sieht es mit der gerade im Denkmalschutz doch sehr speziellen Qualifikation aus?
Es gibt über 80 kulturguterhaltende Gewerke, in 19 davon können sich Handwerker mit Meisterbrief zum geprüften Restaurator im Handwerk (RiH) weiterbilden. Was wir ganz neu erreicht haben, ist, dass der »Geprüfte Restaurator im Handwerk« eine Qualifikation auf Hochschulniveau geworden ist und dem Master entspricht. Dass hier jetzt berufliche und akademische Bildung gleichwertig sind, ist ein großer bildungspolitischer Erfolg. Möglich war das, weil sich der Zentralverband des Deutschen Handwerks stark gemacht hat. Er vertritt 500.000 Betriebe mit insgesamt rd. 500 Mrd. Umsatz. Solche Strukturen und Größenordnungen braucht man, wenn man bildungspolitisch etwas durchsetzen will.
Wie treffen bei Ihnen Innovation und Denkmalpflege aufeinander?
Erhalten im Baudenkmal ist mehr als nur Pflegen. Die innovative Ertüchtigung von Funktionsausstattungen wie Fenster, Türen, Böden etc. ist unser Spezialgebiet und ist sehr wichtig, da nur so der nachhaltige Bestand dieser Ausstattungen gesichert ist. Keiner hängt sich da so rein wie wir. Wir arbeiten z.B. mit dem Fraunhofer Institut und Hochschulen zusammen, die wissenschaftlich verifizieren, was wir empirisch wissen. Die Ergebnisse dokumentieren wir regelmäßig in eigenen Publikationen.
Wie hat sich in Ihrer Wahrnehmung die Denkmalpflege in den letzten ca. 10 Jahren entwickelt?
Unsere Erfahrung ist, da wir ausschließlich im Bereich der Baudenkmalpflege arbeiten, dass ein praxisfernes Hochschulstudium ohne bauspezifische Kenntnisse von Baumaterialien und Konstruktionen eine zielgerichtete Projektbetreuung im Baudenkmal schwierig macht. Dies zusammen mit den großen langwierigen administrativen und formalen Abklärungen führt dazu, dass immer mehr im Baudenkmal Engagierte sagen: »Nie wieder Baudenkmalpflege!« Früher gab es für die Denkmalpflege Millionen Zuschüsse und zusätzlich ein Sonderprogramm für besonders gefährdete Baudenkmale. Da wurde massiv gekürzt. Ein positiver Aspekt: Heute nimmt das Bewusstsein für das Weiterbauen mit dem Bestand wieder deutlich zu. Das kommt zwar eher aus dem Umweltschutzdenken, aber die Denkmalpflege kann davon profitieren. Unsere Überzeugung ist, Denkmalschutz ist Umweltschutz. Weiterbauen mit dem Bestand ist ressourceneffizient und nachhaltig.
Sehen Sie Möglichkeiten, wie sich der SHB bei dem Thema noch stärker einbringen kann?
Er macht ja bereits unglaublich viel, und breit gefächert. Vom Naturschutz bis zum Denkmalschutz. Der DSP ist zusammen mit der Preisverleihung eine wichtige Säule. Von zentraler Bedeutung ist der Blick auf die Gesamtzusammenhänge, nicht locker zu lassen bei der Analyse der politischen Strukturen und Entwicklungen, sich immer wieder aufs Neue einzumischen.
Interview: Hanne Knickmann im November 2022
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